Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der am 21. 2. 2010 verstorbene J***** T***** hinterließ drei volljährige Kinder und die mj Enkelin N***** T*****. Anerbin ist seine am 12. 6. 1932 geborene Ehegattin T***** T*****. Die volljährigen Kinder haben auf ihren Erb‑ und Pflichtteil verzichtet. Der der Anerbin zugefallene landwirtschaftliche Betrieb umfasst knapp 21 ha, davon landwirtschaftliche Nutzfläche ca 4,4 ha, Wald ca 15,2 ha und Baufläche 0,981 ha. Nach den Gutachten zweier landwirtschaftlicher Sachverständiger beträgt der Hofübernahmswert gerundet 43.800 EUR.
Im Zuge einer Gutachtensergänzung ergab sich ein Verkehrswert von 403.400 EUR, ein Ertragswert von 137.500 EUR und ein jährlicher Reinertrag von rund 5.500 EUR pro Jahr. Die Fortführung des Unternehmens sei aufgrund der ermittelten betriebswirtschaftlichen Kennziffern jedenfalls sinnvoll.
Das Erstgericht bestimmte den Übernahmswert mit 200.000 EUR. Nach mehreren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zum Tiroler Höfegesetz liege der Gesetzeszweck der höferechtlichen Bestimmungen in der Erhaltung eines lebensfähigen bäuerlichen Betriebs. Könnte dieser Gesetzeszweck keinesfalls erreicht werden, sei der Übernahmswert nach den Umständen des Einzelfalls zwischen dem Ertragswert und dem Verkehrswert festzusetzen. Aufgrund der Fläche von annähernd 21 ha unterliege die vorliegende Liegenschaft „formell“ dem Kärntner ErbhöfeG. Es handle sich jedoch aufgrund der Ertragssituation unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalls um keinen lebensfähigen bäuerlichen Betrieb. In diesem Fall sei zwar weiterhin das Anerbenrecht anzuwenden, jedoch die Begünstigung des Erben bei der Ermittlung des Übernahmswerts zu Gunsten der übrigen Erbansprecher zu reduzieren.
Das Rekursgericht hob diese Entscheidung auf.
Die Entscheidung des Erstgerichts setze sich in Widerspruch mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 24/99v. Gegen die Annahme einer doppelten Untergrenze, also der gesetzlich vorgegebenen Untergrenze von 5 ha und die Voraussetzung, dass aus der Liegenschaft ein entsprechender Ertrag erzielt werden könne, spreche, dass auch bei kleinen Landwirtschaften durchaus ein hoher Ertrag erwirtschaftet werden könne. Die Absicht des Gesetzgebers gehe dahin, dass in den Anwendungsbereich des Anerben‑ und Höferechts auch die bäuerlichen Kleinbetriebe fallen, die zwar im internationalen Wettbewerb nicht als leistungsfähig qualifiziert werden könnten, dennoch aber aus vielfältigen rechtspolitischen Erwägungen vor der Zersplitterung im Erbweg geschützt werden sollten.
Allerdings müsse der Pflichtteilsberechtigten Gelegenheit gegeben werden, das Gutachten mit den Sachverständigen zu erörtern und ihre Einwände vorbringen zu können.
Im Hinblick darauf, dass die zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs mittlerweile über 12 Jahre zurückliege, sei zur Klarstellung der Frage des Kriteriums einer Ertragsuntergrenze bei der Beurteilung eines landwirtschaftlichen Betriebs als Erbhof der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
Das im § 2 Kärntner ErbehöfeG 1990 genannte Flächenausmaß von 5 ha definiert den landwirtschaftlichen Betrieb mittlerer Größe. Ab dieser Untergrenze liegt ein Erbhof vor, ohne dass es noch auf einen erzielbaren Ertrag des Betriebs ankäme (6 Ob 24/99v; vgl auch 6 Ob 20/02p und 6 Ob 289/07d). Der erkennende Senat hat diese Rechtsauffassung mehrfach aufrechterhalten. Im Übrigen würde auch der bloße Umstand, dass seit einer Entscheidung 12 Jahre verstrichen sind, keine neuerliche Befassung des Obersten Gerichtshofs rechtfertigen.
Allerdings kann der erzielbare Ertrag (zwar nicht bei der Anwendbarkeit des Kärntner ErbhöfeG als solcher, aber) bei der Bestimmung des Übernahmswerts eine Rolle spielen. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass die ausschließliche Heranziehung des Ertragswerts als maßgeblichen Orientierungspunkt nur dann ihre Berechtigung hat, wenn durch die damit bewirkte Begünstigung des Anerben die Existenz seines Betriebs sichergestellt wird. Wenn dies von vornherein nicht möglich ist, käme die von der Anerbin angestrebte Wahrung des Grundsatzes des Wohlbestehenkönnens ausschließlich einer sachlich nicht gerechtfertigten Enteignung der weichenden Miterben gleich. Bei der Wertermittlung darf der Verkehrswert jedenfalls dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn Ertragswert und Verkehrswert weit auseinanderklaffen (RIS‑Justiz RS0063847 [T4]; vgl auch RIS‑Justiz RS0010080, RS0063847, RS0050409).
Diese zum Tiroler Höfegesetz entwickelte Rechtsprechung kann in Anbetracht der gleichen Zielsetzung des Kärntner ErbhöfeG auch auf die Kärntner Rechtslage übertragen werden.
Nach den bisher vorliegenden Gutachten ist die Fortführung des Hofs betriebswirtschaftlich sinnvoll. Dafür spricht auch, dass der Hof offenbar bis zuletzt bewirtschaftet wurde. Die Ermittlung eines höheren, also nicht ausschließlich am Ertragswert orientierten Übernahmspreises würde aber voraussetzen, dass die Erhaltung eines lebensfähigen landwirtschaftlichen Betriebs von vornherein unmöglich ist. Ist dies nicht der Fall, ist der Übernahmswert so festzusetzen, dass die Übernehmerin wohl bestehen kann (§ 12 Abs 1 Kärntner ErbhöfeG; vgl RIS‑Justiz RS0063871).
Wenn das Rekursgericht die Verfahrensergänzung durch zusätzliche Erörterung der eingeholten Gutachten für erforderlich hielt, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem nicht entgegentreten.
Damit bringt die Revisionsrekurswerberin aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 185 AußStrG. Demnach findet im Verlassenschaftsverfahren ‑ außer im Verfahren über das Erbrecht ‑ kein Ersatz von Vertretungskosten statt. Weil die Revisionsrekurswerberin ausdrücklich Kosten verzeichnet hat, war auszusprechen, dass die Parteien die Kosten ihrer Beteiligung am Revisionsrekursverfahren selbst zu tragen haben (6 Ob 109/11i).
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