OGH 9ObA43/12g

OGH9ObA43/12g29.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Kutis und Ing. Thomas Bauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. O***** N*****, 2. M***** R*****, 3. P***** S*****, 4. M***** H*****, alle vertreten durch die Advokaturbüro Jelenik & Partner AG, Landstraße 60, FL-9490 Vaduz (Zustellungsbevollmächtigter gemäß § 6 EIRAG: Mag. Norbert Wanker, Wasenweg 23, 6800 Feldkirch), gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Februar 2012, GZ 15 Ra 13/12t-16, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Oktober 2011, GZ 35 Cga 85/11p-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Auslegung von Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung kommt dann keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu, wenn die Auslegung klar und eindeutig ist (vgl RIS-Justiz RS0109942 ua). Dies ist hier der Fall. Nach Punkt 9. lit a bis c der Sozialplan-Betriebsvereinbarung BV 14 haben Arbeitnehmer - gestaffelt nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses zur Beklagten - ab dem Tag des Ausscheidens Anspruch auf Flugvergünstigungen, und zwar bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer ein neues Arbeitsverhältnis mit einem Luftfahrtunternehmen begründet, das eine Freiflugregelung hat. Nach Punkt 9. lit e BV 14 sind Arbeitnehmer, die nach lit a bis c Flugvergünstigungen („Freiflugreglement“) in Anspruch nehmen, verpflichtet, einen Wechsel zu einem anderen Luftfahrtunternehmen umgehend an die Beklagte zu melden. Bei Missbrauch bzw nicht erfolgter Meldung kann die Freiflugregelung durch die Beklagte beendet werden. Nach den Feststellungen waren die Kläger für die A***** GmbH, die Ende März 2011 ihren Betrieb aufnahm, als Piloten tätig. Eine Meldung der Kläger an die Beklagte gemäß Punkt 9. lit e BV 14 erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 15. 4. 2011 beendete die Beklagte die Gewährung von Flugvergünstigungen an die Kläger.

Der normative Teil von Betriebsvereinbarungen ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen (RIS-Justiz RS0050963 ua). Die Auslegung des Berufungsgerichts, dass aufgrund des festgestellten Sachverhalts ein Fall vorliege, der die Beklagte nach Punkt 9. lit e BV 14 zum Widerruf der Flugvergünstigungen an die Kläger berechtige, ist nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht übersah nicht, dass Punkt 9. lit a bis c BV 14 auf Luftfahrtunternehmen abstellt, die eine Freiflugregelung haben, während die Meldepflicht nach Punkt 9. lit e BV 14 weiter gefasst ist, indem sie alle Luftfahrtunternehmen erfasst, ohne dass es auf das Vorhandensein von Freiflugregelungen ankommt. Der Zweck der erweiterten Meldepflicht liegt auf der Hand. Mit ihr soll der Beklagten eine gewisse Kontrolle an die Hand gegeben werden, bei welchen ehemaligen Arbeitnehmern Freiflugregelungen anderer Luftfahrtunternehmen zum Tragen kommen oder in Zukunft absehbar sind, zumal die Gewährung von Flugvergünstigungen nicht immer gleich, sondern allenfalls auch erst nach einer gewissen Dauer der Tätigkeit für das neue Luftfahrtunternehmen erfolgt und der Beklagten in Punkt 9. lit e BV 14 der Widerruf auch im Missbrauchsfall eröffnet wird. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO wird in diesem Zusammenhang in der Revision nicht aufgezeigt.

Überlegungen der Revisionswerber, das Freiflugreglement des Punktes 9. BV 14 nicht dem normativen, sondern dem schuldrechtlichen Teil der Betriebsvereinbarung zuzurechnen, um zu einer für die Kläger vermeintlich günstigeren Auslegung nach den Grundsätzen der Auslegung von rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen gemäß den §§ 914 f ABGB zu kommen, sind hier nicht zielführend. Die schuldrechtlichen Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung begründen ausschließlich Rechte und Pflichten zwischen den vertragschließenden Parteien (Betriebsinhaber; Belegschaftsorgan), nicht jedoch für die einzelnen Arbeitnehmer des Betriebs (Löschnigg, Arbeitsrecht11 Rz 3/228 ua). Hier geht es um Inhaltsnormen einer Betriebsvereinbarung, die das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer betreffen. Sie sind eindeutig dem normativen Teil der Betriebsvereinbarung zuzurechnen (Löschnigg, Arbeitsrecht11 Rz 3/236 ua). Soweit die Revisionswerber argumentieren, ihnen stünden neben den Ansprüchen nach der BV 14 auch gleichlautende einzelvertragliche Ansprüche zu, ist für die Zulässigkeit der Revision ebenfalls nichts zu gewinnen. Fragen der Auslegung rechtsgeschäftlicher Erklärungen hängen nämlich regelmäßig von den Umständen des Einzelfalls ab, die keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen (RIS-Justiz RS0042936 ua). Eine unvertretbare Auslegung wird von den Revisionswerbern nicht aufgezeigt.

In erster Instanz beschränkten sich die Kläger in ihrem Vorbringen darauf, den Wechsel zu einem Luftfahrtunternehmen, das eine Freiflugregelung habe, zu bestreiten. Soweit sie nun zwar nicht in Frage stellen, für ein anderes Luftfahrtunternehmen als Piloten tätig gewesen zu sein, aber bestreiten, bei diesem Luftfahrtunternehmen beschäftigt gewesen zu sein, handelt es sich um eine im Revisionsverfahren unbeachtliche Neuerung (§ 504 Abs 2 ZPO), auf die die Zulassungsbeschwerde nicht erfolgreich gestützt werden kann. Aus dem Verweis auf einzelne Beweisurkunden und Aussagen in diesem Zusammenhang ist nichts zu gewinnen, weil diese fehlendes Vorbringen nicht ersetzen können (RIS-Justiz RS0037915, RS0043157 ua).

Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Kläger zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte