OGH 8ObA18/12y

OGH8ObA18/12y24.4.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Mag. Johann Schneller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch die Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltgesellschaft mbH in Graz, wegen 330,64 EUR sA brutto und Feststellung (Gesamtstreitwert 5.730,64 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Jänner 2012, GZ 9 Ra 133/11m-16, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Text

Begründung

1. Der Kläger hat die zugrunde liegenden Ansprüche schon im erstinstanzlichen Verfahren auch auf den Rechtsgrund der betrieblichen Übung gestützt. Dazu hat er vorgebracht, dass die Beklagte von 2005 bis September 2010 die fraglichen Wendezeiten außerhalb der Sollarbeitszeit mit dem Überstundenzuschlag entlohnt habe und diese Form der Abrechnung schon bei der Postbus GmbH gehandhabt worden sei. Das Erstgericht hat in seiner Entscheidung „ergänzend“ ausgeführt, dass die Beklagte bis zur (Vor-)Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 ObA 13/09h (über die gesonderte Berücksichtigung der „Wendezeiten am Dienstort“ im Einzelfall) selbst davon ausgegangen sei, dass über die Sollarbeitszeit (genauer: über den verlängerten Dienstplan iSd § 48 Abs 6 BDG) hinausgehende „Wendezeiten am Dienstort“ (iSd § 1 Abs 2 der Verordnung BGBl 1982/17 iVm Pkt 3.1.6 und 3.2.2 der Lenkerdienstvorschrift A 24) als Überstunden zu entlohnen seien. Das Berufungsgericht hat festgehalten, dass die Beklagte unstrittig erst ab September 2010 den Überstundenzuschlag von 50 % nicht mehr gezahlt habe. In der außerordentlichen Revision weist die Beklagte selbst darauf hin, dass auch die Postbus GmbH (als Rechtsvorgängerin der Beklagten) im Beschäftigungszeitraum des Klägers die Verrechnung der Wendezeiten derart vorgenommen habe, dass die hier in Rede stehenden „Wendezeiten am Dienstort“ (soweit es sich um Mehrdienstleistungen iSd § 49 BDG handelte) mit einem Überstundenzuschlag verrechnet worden seien.

Rechtliche Beurteilung

2. Die Annahme einer verpflichtenden, den Arbeitsvertrag des Klägers ergänzenden betrieblichen Übung, aus der die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche resultieren, erweist sich als berechtigt.

Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung kann, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die - gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) - Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge werden (RIS-Justiz RS0014539; RS0014543). Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Betriebsübung ist entscheidend, welchen Eindruck die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung vom schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften. Es ist objektiv zu prüfen, ob die Arbeitnehmer auf die Verbindlichkeit der Vergünstigung vertrauen durften (RIS-Justiz RS0014489).

Die von der Beklagten selbst referierte Betriebsübung bei der Postbus GmbH durch regelmäßige Zahlung der Überstundenzuschläge (auch) für die „Wendezeiten am Dienstort“ ist als Inhalt des Einzelvertrags des Klägers mit dem von der Beklagten nicht bestrittenen Betriebsübergang auf diese übergegangen. Davon abgesehen hat von 2005 bis August 2010 bei der Beklagten selbst eine entsprechende Betriebsübung bestanden.

3. Die Beklagte kann die Bejahung der Betriebsübung nicht mit dem Argument entkräften, dass sie in die Lohnverrechnung „der Post AG“ keinen Einblick gehabt habe. Dazu ergibt sich aus den Feststellungen, dass sie die ursprüngliche Abgeltung der fraglichen Wendezeiten (mit den Überstundenzuschlägen) in Rücksprache mit dem Personalamt der Postbus AG gewählt hatte. Soweit die Beklagte ausführt, dass sie eine Auszahlung der Wendezeiten ohne Überstundenzuschlag vorgenommen habe, weicht sie (ebenfalls) von der Tatsachengrundlage ab. Nach dem unstrittigen Sachverhalt hat die Beklagte zunächst, und zwar im Zeitraum von 2005 bis August 2010, die in Rede stehenden Wendezeiten bei Berechnung der Überstunden mit dem Überstundenzuschlag berücksichtigt.

4. Zufolge Bejahung der Betriebsübung kann auf das Argument der Beklagten, dass die Wendezeiten (hier am Dienstort) als ähnliche Zeiten wie die Dienstbereitschaft bzw Wartezeit iSd § 38 Abs 6 BDG zu qualifizieren seien und die Abgeltung der „Wendezeiten am Dienstort“ außerhalb der Sollarbeitszeit der Bereitschaftsentschädigung gemäß § 17b GehG entsprechen müsse, was auch mit den zwingenden Bestimmungen des AZG im Einklang stehe, nicht mehr Bedacht genommen werden.

Mangels einer entscheidungsrelevanten Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Stichworte