Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 326,10 EUR (darin enthalten 54,35 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 19. 8. 2008 erwarb die Erstbeklagte von der Klägerin einen gebrauchten Pkw der Marke Mercedes. Der Kaufpreis wurde teilweise über eine Bank drittfinanziert. Die Übergabe erfolgte am 5. 9. 2008. Der Zustand des Fahrzeugs entsprach den im Vertrag angeführten Zustandsklassen. In Branchenkreisen war allerdings bekannt, dass der Dieselmotor für Reparaturen anfällig war. Auf diesen ihr bekannten Umstand wies die Klägerin als Verkäuferin nicht hin. Im Fall der Aufklärung hätten sich die Vertragsparteien auf einen um 5.000 EUR geringeren Kaufpreis geeinigt. Nach einer Fahrleistung von rund 28.000 km musste ein Injektor getauscht werden. Nach weiteren rund 20.000 km trat ein Getriebeschaden auf. In der Folge stellte die Erstbeklagte das Fahrzeug zurück. Die Klägerin beglich die restliche Kreditschuld und verkaufte das Fahrzeug in nicht repariertem Zustand zu einem angemessenen Preis weiter.
Die Klägerin begehrte den Differenzbetrag. Die Erstbeklagte habe die Raten aus dem Kreditvertrag nicht gezahlt, weshalb dieser aufgelöst worden sei. Mit der Einlösung des Kreditsaldos seien alle Rechte der finanzierenden Bank auf sie übergegangen. Sie habe keinen Irrtum über den Zustand des Fahrzeugs bei der Erstbeklagten veranlasst. Allfällige Gewährleistungsansprüche seien verjährt.
Die Beklagten entgegneten, dass sie von der Klägerin über den Zustand des Motors in Irrtum geführt worden seien. In Kenntnis der wahren Umstände hätten sie das Fahrzeug nicht erworben. Es bestehe daher ein Anspruch auf Wandlung und Rückabwicklung des Vertrags sowie auf Ersatz jener Kosten, die nicht entstanden wären, wenn das Fahrzeug nicht gekauft worden wäre. Die daraus resultierenden Beträge aus einer geleisteten Anzahlung, den Zahlungen an die Bank, an Reparatur- und Überprüfungskosten sowie An- bzw Abmeldespesen würden als Gegenforderungen einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung gegenüber compensando eingewendet.
Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 13.732,33 EUR und die Gegenforderung mit 5.000 EUR als zu Recht bestehend fest und erkannte die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin 8.732,33 EUR samt Zinsen gemäß § 352 UGB zu zahlen. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. Die Kreditforderung sei durch Begleichung der offenen Leasingschuld auf die Klägerin übergegangen. Der Verkaufserlös für das zurückgestellte Fahrzeug sei angemessen gewesen. Die Beklagten stützten ihre Ansprüche auf irrtumsrechtliche Rückabwicklung sowie auf Schadenersatz wegen Verletzung vertraglicher Aufklärungspflichten. Der Irrtum der Erstbeklagten sei darin begründet, dass sie davon ausgegangen sei, es handle sich beim Motor des gekauften Fahrzeugs nicht um einen eher anfälligen Dieselmotor mit mehr als den sonst üblichen Reparaturen. Im Rahmen ihrer (vor-)vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten hätte die Klägerin auf diesen Umstand hinweisen müssen. Der Irrtum sei daher von der Klägerin veranlasst worden. Im Fall der Aufklärung wäre es zu einer Vertragsanpassung gekommen. Die darüber hinausgehenden von den Beklagten eingewendeten Gegenforderungen bestünden nicht zu Recht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die erstmals im Prozess mit Schriftsatz vom 23. 2. 2011 erhobene Mängeleinrede sei verspätet gewesen. Die Erstbeklagte könne sich daher nicht auf Gewährleistung stützen. Zum Zeitpunkt des Fahrzeugkaufs sei sie jedoch einem Irrtum über die Eigenschaft der Sache unterlegen. Könne ein Vertragspartner nach der Verkehrsauffassung auf das (Nicht-)Vorhandensein gewisser, den Geschäftsinhalt betreffender Umstände vertrauen, solange ihm nicht das Gegenteil vom anderen Vertragsteil mitgeteilt werde, so begründe die Unterlassung dieser Mitteilung eine Veranlassung des Irrtums. Richtig sei, dass die Klägerin über die im Vergleich zu anderen Motoren höhere Reparaturanfälligkeit des Dieselmotors hätte aufklären müssen. Nach der Verkehrsauffassung hätte die Erstbeklagte mit unüblichen Reparaturen bzw einem höheren Reparaturrisiko nicht rechnen müssen. Die Beurteilung der Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit des Irrtums habe das Erstgericht anhand des von ihm festgestellten übereinstimmenden hypothetischen Willens der Vertragsparteien vorgenommen. Auf die weiteren Gegenforderungen komme es nicht mehr an. Die vom Erstgericht vorgenommene Vertragsanpassung sei als vom Vorbringen der Beklagten über die Irreführung durch die Klägerin mitumfasst anzusehen.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil jüngere Judikatur des Höchstgerichts zur Frage der Aufklärungspflicht über die Reparaturanfälligkeit eines bestimmten Bestandteils eines Gebrauchtwagens fehle.
Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen beider Streitteile. Die Klägerin strebt eine gänzliche Klagsstattgebung ohne Berücksichtigung der Gegenforderung an, während die Revision der Beklagten auf eine gänzliche Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Streitteile, jeweils das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.
1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass die vom Erstgericht als berechtigt erkannte Klagsforderung schon im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten wurde. Es ist daher davon auszugehen, dass die (fällige Gesamt-)Forderung der finanzierenden Bank auf die Klägerin übergegangen ist und der Klage zu Grunde liegt.
2.1 Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, dass die Pflicht zur Aufklärung über die höhere Reparaturanfälligkeit des Dieselmotors ihre Sorgfaltspflichten als Autohändlerin bzw Verkäuferin überspanne sowie, dass eine Vertragsanpassung im Begehren der Beklagten auf Vertragsanfechtung aufgrund des behaupteten wesentlichen Irrtums nicht enthalten sei. Die Beklagten berufen sich zunächst auf die Wesentlichkeit ihres Irrtums (obwohl sie in der Folge auch auf die von ihrem Vorbringen mitumfasste Vertragsanpassung hinweisen) und führen aus, dass lückenschließende Tatsachenschlüsse nur zulässig seien, wenn der konkrete Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung genügende Indizien für die Berücksichtigung von Erfahrungssätzen des täglichen Lebens biete. Für die Feststellung des Erstgerichts zum hypothetischen Parteiwillen im Fall der Aufklärung über die Reparaturanfälligkeit des Motors reichten die Beweisergebnisse nicht aus. Außerdem sei die Mängeleinrede aufgrund des versteckten Mangels bis zum Schluss der mündlichen Streitverhandlung möglich gewesen, weshalb die Gewährleistungsfrist gewahrt sei.
2.2 Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (8 Ob 98/11m). Außerdem liegt eine erhebliche Rechtsfrage auch dann nicht vor, wenn zwar zu einer konkreten Fragestellung keine ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs besteht, aber die relevanten rechtlichen Grundsätze in der Rechtsprechung des Höchstgerichts geklärt sind (RIS-Justiz RS0102181).
3. In beiden Revisionen werden keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung angesprochen.
Soweit von den Tatsacheninstanzen aus den vorliegenden Beweisergebnissen Schlussfolgerungen gezogen werden, um auf dem Weg von Erfahrungsschlüssen weitere Tatsachen zu erkunden, betrifft dies wie beim Indizienbeweis die Beweisfrage, die nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (RIS-Justiz RS0043521).
Die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, dass die vom Erstgericht vorgenommene Vertragsanpassung vom Begehren der Beklagten auf Vertragsanfechtung wegen Irreführung mitumfasst sei, ist unbedenklich. Die Frage, ob im Hinblick auf die Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, betrifft regelmäßig den Einzelfall (RIS-Justiz RS0042828). Dass ihr eigenes Vorbringen für die Annahme eines übereinstimmenden (hypothetischen) Parteiwillens im Sinn der vorgenommenen Vertragsanpassung nicht ausreiche, behauptet die Klägerin nicht.
4.1 Die von der Klägerin kritisierte Reichweite der irrtumsrelevanten Aufklärungspflicht kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Die Frage, ob im vorliegenden Fall auf die branchenbekannte Reparaturanfälligkeit des Motors hätte hingewiesen werden müssen, lässt sich auf Basis der in der Rechtsprechung entwickelten Beurteilungsgrundsätze ohne weiteres beantworten.
4.2 Der Irrtum ist eine Fehlvorstellung über den Bedeutungsinhalt einer rechtserheblichen Erklärung oder über den Inhalt eines Vertrags, zB über die Beschaffenheit des Kaufobjekts. Bei einem Geschäftsirrtum muss sich die unrichtige Vorstellung des Irrenden auf innerhalb des Geschäfts liegende Umstände beziehen, beim Motivirrtum auf außerhalb des Geschäfts liegende Punkte (RIS-Justiz RS0014902; RS0014910). Ob ein Irrtum über eine bestimmte Eigenschaft des Vertragsgegenstands Geschäfts- oder Motivirrtum ist, hängt somit davon ab, ob die betreffende Eigenschaft Vertragsinhalt war. Dies kann erst durch Vertragsauslegung ermittelt werden. Ein Irrtum über eine wertbildende Eigenschaft gehört zum Inhalt des Geschäfts und ist deshalb Geschäftsirrtum (RIS-Justiz RS0014922). Ein solcher Geschäftsirrtum ist aber nur dann verwirklicht, wenn er für die Bestimmung der Gegenleistung maßgebend war und deshalb zum Inhalt des Geschäfts gehört. Analog zu den Gewährleistungsregeln gehören zum Inhalt eines Vertrags jene Eigenschaften, die üblicherweise bei entsprechenden Geschäften vorausgesetzt werden, sowie solche, die konkret zugesichert sind (2 Ob 176/10m mwN).
Ausgehend von den Feststellungen hätte eine Information über die in Branchenkreisen bekannte Reparaturanfälligkeit des Dieselmotors zu einem reduzierten Kaufpreis geführt. Damit betraf das erhöhte Reparaturrisiko nach dem Parteiwillen eine wertbildende Eigenschaft. Auch die Streitteile weisen in den Rechtsmittelschriften darauf hin, dass die Beispiele für einen relevanten Geschäftsirrtum im Bereich des Gebrauchtwagenhandels vielfältig sind. Im gegebenen Zusammenhang wurden etwa falsche Angaben bzw die Unterlassung der gebotenen Aufklärung über den Zustand des Motors als Geschäftsirrtum qualifiziert (vgl RIS-Justiz RS0016199).
4.3 Eine Aufklärungspflicht über vertragsrelevante Umstände ist im Allgemeinen dann zu bejahen, wenn der Partner nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs eine entsprechende Information erwarten durfte (RIS-Justiz RS0014811; RS0014823). Im Sinn des § 871 Abs 2 ABGB gilt ein Irrtum eines Teils über einen Umstand, über den ihn der andere nach den geltenden Rechtsvorschriften, nach der getroffenen Verabredung oder nach der Verkehrsauffassung aufzuklären gehabt hätte, immer als Irrtum über den Inhalt des Vertrags (6 Ob 116/11v).
Im Einklang mit den Gewährleistungsregeln besteht die Vermutung, dass die geschuldete Leistung die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufweist und in dieser Hinsicht keine Überraschungen auftreten, die nach dem Wissensstand des Verkäufers vermeidbar wären. Besteht ein erhöhtes (vergleichsweise unübliches) Reparaturrisiko und ist dieses dem Verkäufer bekannt, so kann der Käufer nach Treu und Glauben auch eine entsprechende Aufklärung erwarten.
Die Vorinstanzen haben die in Branchenkreisen bekannte Reparaturanfälligkeit des Motors somit zu Recht als aufklärungspflichtigen Umstand qualifiziert.
4.4 Für die Veranlassung des Irrtums genügt ein adäquat ursächliches Verhalten des anderen (RIS-Justiz RS0016195; vgl auch 8 Ob 25/10z). Bei - wie hier - gebotener Aufklärung begründet die Unterlassung der zu erwartenden Mitteilung eine Veranlassung des Irrtums (RIS-Justiz RS0016188; RS0016184).
4.5 Ob der Irrtum wesentlich oder unwesentlich ist (RIS-Justiz RS0082957), hängt primär vom (hypothetischen: hier im Fall der Aufklärung) Parteiwillen ab. Nur wenn dieser nicht festgestellt werden kann, darf auf die objektive Verkehrsanschauung abgestellt werden (RIS-Justiz RS0016201; vgl auch RS0016237). Nach dem hypothetischen Parteiwillen kann durchaus auch ein wesentlicher Vertragsumstand, der die Hauptsache betrifft, (nur) zu einer Vertragsanpassung führen (9 Ob 50/10h).
Im Anlassfall hat das Erstgericht eine Einigung der Streitteile über einen konkret geringeren Kaufpreis im Fall der Aufklärung über die Reparaturanfälligkeit des Dieselmotors festgestellt. Dies führt nach dem konkret ermittelten hypothetischen Parteiwillen zu einer Vertragsanpassung.
5.1 Entgegen den Ausführungen in der Revision können sich die Beklagten - ungeachtet der von den Vorinstanzen überlegten Fristenproblematik (vgl dazu RIS-Justiz RS0018937; RS0018982; vgl auch RS0018876) - nicht auf Gewährleistung berufen.
Ob ein Mangel vorliegt, richtet sich nach dem konkreten Vertragsinhalt. Eine Vertragswidrigkeit besteht in der Abweichung des Geleisteten vom vertraglich Geschuldeten. Das Geschuldete richtet sich nach den gewöhnlich vorausgesetzten oder den konkret zugesicherten Eigenschaften (9 Ob 50/10h).
5.2 Beim Erwerb eines Gebrauchtwagens müssen gewisse „Mangelerscheinungen“ innerhalb eines gewissen Rahmens hingenommen werden, die dem Verschleiß und der Abnützung durch das Alter und die gefahrenen Kilometer entsprechen (RIS-Justiz RS0018466; 2 Ob 189/07v). Im Allgemeinen gilt die Fahrbereitschaft, aber auch die Verkehrs- und Betriebssicherheit als vereinbart (RIS-Justiz RS0016189; RS0018502). Unter Umständen kann auch eine Konstruktionsschwäche oder - wie hier - eine Reparaturanfälligkeit eines Fahrzeug- oder Motortyps Gewährleistungsansprüche auslösen. Die gewährleistungsrechtliche Haftung des Verkäufers eines Gebrauchtfahrzeugs für die störungsanfällige Konstruktion oder das Reparaturrisiko würde aber voraussetzen, dass diese Schwächen bei nahezu sämtlichen Motoren des betreffenden Typs mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit vor Ablauf der durchschnittlichen Lebensdauer des betreffenden Konstruktionsteils den auftretenden Schaden herbeiführen (4 Ob 150/10b).
Nach den Feststellungen konnte die Erstbeklagte das Vorliegen eines konkreten Mangels bei der Übergabe des Fahrzeugs nicht nachweisen. Dass die festgestellte Reparaturanfälligkeit des Dieselmotors mit einer (im Vergleich zu anderen vergleichbaren Motoren) unüblichen Reparaturhäufigkeit bei nahezu sämtlichen Dieselmotoren des fraglichen Typs aufgetreten ist und Schäden an den Injektoren und Getrieben vorhanden waren, hat die Erstbeklagte nicht behauptet.
6. Insgesamt gelingt es den Streitteilen somit nicht, mit ihren Ausführungen in den Revisionen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Rechtsmittel waren daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kostenzuspruch an die Klägerin ergibt sich aus einer Saldierung aufgrund der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen.
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