OGH 3Ob39/12z

OGH3Ob39/12z14.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Gabler Gibel & Ortner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei G***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Lattenmayer Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 47.818,77 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. Jänner 2012, GZ 35 R 9/12a-28, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 28. November 2011, GZ 29 C 360/10y-24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Richtig ist, dass in Fällen, in denen die Fortsetzung des Verfahrens dem Prozessgericht obliegt und daher der klagenden Partei nur vorgeworfen werden kann, die ausstehende Prozesshandlung beim säumigen Gericht nicht betrieben zu haben, bei Beurteilung der gehörigen Fortsetzung des Verfahrens iSd § 1497 ABGB stets ein großzügiger, sonst aber ein strengerer Maßstab anzulegen ist (RIS-Justiz RS0109334 [T1], RS0034681; 1 Ob 198/05g).

Richtig ist auch, dass nicht rechtzeitig vorgenommene Prozesshandlungen, zB verspätetes Vorbringen, Überschreiten der zur Urkundenvorlage gesetzten Fristen und Ähnliches dem Kläger wohl verfahrensrechtliche Nachteile bringen können, im Allgemeinen jedoch nicht geeignet sind, auf die Absicht des Klägers schließen zu lassen, dass er den Prozess nicht führen wolle (RIS-Justiz RS0034572; 6 Ob 73/08s).

Damit ist aber für die klagende Partei im Anlassfall nichts gewonnen:

Sie hat nach Einbringung ihrer Mahnklage, in welcher sie weder eine nähere Präzisierung der aus zwei Rechnungen resultierenden eingeklagten Werklohnforderung vornahm noch ein Beweisanbot stellte, auf den Auftrag des Prozessgerichts, mittels Schriftsatzes binnen drei Wochen ein vollständiges Vorbringen unter Nennung von Beweisanboten zu erstatten, zunächst nur mit einem Fristerstreckungsantrag reagiert, in welchem sie im Hinblick auf außergerichtlich geführte Vergleichsgespräche um Erstreckung der Frist (für die Erstattung des aufgetragenen Schriftsatzes) „auf unbestimmte Zeit“ ersuchte. Dabei gab sie bekannt, dass sie das Gericht nach Beendigung der Vergleichsgespräche informieren werde.

Die klagende Partei musste somit entgegen ihrer Argumentation in der außerordentlichen Revision im Hinblick auf ihr eigenes Vorbringen im Fristerstreckungsantrag sehr wohl damit rechnen, dass das Prozessgericht von sich aus erst tätig werden würde, wenn die klagende Partei den aufgetragenen Schriftsatz erstattet und/oder über die angeblich geführten Vergleichsgespräche Mitteilung erstattet. Genau dieses „Untätigsein“ des Gerichts strebte die klagende Partei mit ihrem Fristerstreckungsantrag letztlich an.

Unter diesen Umständen (Auftrag des Gerichts zur Erstattung eines Schriftsatzes am 10. März 2010; Fristerstreckungsantrag vom 29. April 2010; Schriftsatz der beklagten Partei vom 3. September 2010, mit welchem die Einrede der nicht gehörigen Verfahrensfortsetzung erhoben wurde) begründet die Auffassung des Berufungsgerichts, es liege keine gehörige Verfahrensfortsetzung vor, nach den immer maßgeblichen Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0034805) keine über außerordentliche Revision wahrzunehmende Fehlbeurteilung (vgl auch RIS-Justiz RS0034691). Gerade die von der Revision zitierte Entscheidung 8 Ob 16/11b spricht nicht für, sondern gegen den Standpunkt der klagenden Partei: Auch dort war für die Annahme der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens maßgeblich, dass der klagenden Partei klar sein musste, dass das Gericht ohne Einbringung eines vorbereitenden Schriftsatzes samt Urkundenvorlage nicht von sich aus tätig werden würde. Hier steht überdies fest, dass nach einem Gespräch am 9. März 2010 überhaupt keine Gespräche zwischen den Streitteilen stattfanden; es herrschte vielmehr „Funkstille“. In Wahrheit war daher bereits zum Zeitpunkt der Auftragserteilung durch das Erstgericht ebenso wie zum Zeitpunkt der Stellung des Fristerstreckungsantrags kein Grund gegeben, wegen „außergerichtlicher Vergleichsgespräche“ eine Fristerstreckung zu beantragen.

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