OGH 9ObA80/11x

OGH9ObA80/11x27.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund, 1020 Wien, Johann‑Böhm‑Platz 1, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits‑ und Sozialberufe (BAGS), 1010 Wien, Auerspergstraße 4/11, vertreten durch Dr. Hawel‑Dr. Eypeltauer MMag. Gigleitner‑Mag. Sallrigler, Rechtsanwälte in Linz, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag, es werde festgestellt, dass die Regelung des § 28 Verwendungsgruppe 4A KV‑BAGS, wonach Vorrückungen in die nächste Gehaltsstufe für Tagesmütter bzw ‑väter nur in Quinquennien stattfinden, nichtig ist, und auch für diese Berufsgruppe § 30 Abs 4 KV‑BAGS dergestalt zur Anwendung gelangt, dass die Vorrückung in die nächste Gehaltsstufe nach 2 Jahren erfolgt, wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Kollektivvertragsfähigkeit des Antragstellers beruht ebenso wie jene der Antragsgegnerin auf § 4 Abs 2 ArbVG, sodass beide Parteien im Verfahren gemäß § 54 Abs 2 Satz 1 ASGG legitimiert sind.

Der Antragsteller führt zur Begründung seines Antrags aus, dass der Kollektivvertrag für Arbeitnehmerinnen, die bei Mitgliedern der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits‑ und Sozialberufe beschäftigt sind (KV‑BAGS) die Vorrückung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (in weiterer Folge: Arbeitnehmerinnen, vgl § 1 KV‑BAGS) im Rahmen eines Biennalsystems vorsehe. Auch die in § 28 Verwendungsgruppe 4 KV‑BAGS eingereihten Arbeitnehmerinnen würden danach alle 2 Jahre in die nächste Gehaltsstufe vorrücken. Demgegenüber sehe die Verwendungsgruppe 4A in § 28 KV‑BAGS eine Vorrückung für Tagesmütter und Tagesväter nur alle 5 Jahre (Quinquennien) vor. Darin liege eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Gruppe der Tagesmütter/‑väter. Es handle sich dabei um eine Arbeitnehmerinnengruppe von jedenfalls mehr als 3 Personen.

Der Kollektivvertrag lasse keinerlei Differenzierungskriterien erkennen, die es rechtfertigen würden, dass Tagesmütter/‑väter nur alle 5 Jahre in die nächst höhere Gehaltsstufe vorrücken sollten. Dies gelte nicht nur im Vergleich zu sämtlichen anderen Verwendungsgruppen, sondern auch zu den in Verwendungsgruppe 4 in § 28 KV‑BAGS genannten Berufsgruppen. Unverständlich bleibe, weshalb die in Verwendungsgruppe 4 erfassten Berufsgruppen, deren Tätigkeit jener der Tagesmütter/‑väter durchaus gleichzuhalten sei, eine wesentlich raschere Einkommensentwicklung haben sollten als Tagesmütter/‑väter. Kriterien, die eine unterschiedliche Vorrückung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. So seien im genannten Bereich Personen angeführt, die noch in Ausbildung seien bzw für die keine gesonderte Ausbildung verlangt werde, sodass erhöhte Qualifikation nicht Grundlage für die Ungleichbehandlung sein könne. Eine Vorrückung in längeren Intervallen habe zur Folge, dass sich mit der Dauer des Dienstverhältnisses gravierende Einkommensunterschiede zwischen den in Verwendungsgruppe 4 und den in Verwendungsgruppe 4A des § 28 KV‑BAGS eingestuften Arbeitnehmerinnen ergäben. Nach 10 Jahren liege der Unterschied im Einkommen bei rund 1.500 EUR, nach 20 Jahren bereits bei rund 2.500 EUR jährlich. Eine sachliche Rechtfertigung für diese stetig anwachsende Differenz, wie etwa proportional wachsende berufliche Belastung oder wesentlich intensivere Fortbildung sei nicht ersichtlich.

Die Kollektivvertragsparteien seien bei der Festsetzung von Mindestlöhnen und Gehältern wie insgesamt bei der Gestaltung des Kollektivvertrags an die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte, speziell an den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz gebunden. Die Normierung der Vorrückungen in Quinquennien stelle eine relevante Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes dar, weil eklatante Einkommensunterschiede bei gleich zu qualifizierender Tätigkeit ohne sachliche Begründung gegeben seien. Infolge der unterschiedlichen Vorrückung würden die Einkommensunterschiede zwischen Arbeitnehmerinnen, die in Verwendungsgruppe 4 eingestuft sind und jenen, die in Verwendungsgruppe 4A eingestuft seien, mehr als 10 % des Jahreseinkommens betragen. Sie seien gravierend und stellten daher auch einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Eigentumsrecht dar.

Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrags. Die Partner des Kollektivvertrags seien bei der Festlegung der Höhe der Mindestgehälter frei und würden diesbezüglich keinerlei Einschränkungen unterliegen. Die Festlegung der Höhe der Mindestgehälter umfasse nicht nur deren Bezifferung, sondern auch die Normierung von Verwendungsgruppen und die Festsetzung von Vorrückungszeiträumen. Die Festlegung bedürfe keinerlei sachlicher Rechtfertigung, es handle sich um einen Kompromiss zwischen den Partnern des Kollektivvertrags, der allein in deren Hand liege. Durch Kollektivverträge dürften nicht die Rechte einzelner Arbeitnehmer/‑innen benachteiligt werden, es sei jedoch eine Differenzierung nach Gruppen uneingeschränkt möglich.

Darüber hinaus liege die sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Festsetzung der Vorrückung für die Gruppe der Tagesmütter/‑väter im Verhältnis zu den in Verwendungsgruppe 4 eingestuften Gruppen darin, dass die öffentliche Hand die Träger von Tagesmüttern/‑vätern pro Kind nach Stunden fördere, nicht jedoch nach dem tatsächlichen Betreuungsaufwand. Damit komme es zu keiner automatischen Erhöhung der Förderungen der öffentlichen Hand, wenn die Gehälter von Tagesmüttern/‑vätern anstiegen. Zu rasche Vorrückungen würden für die Gruppe der Tagesmütter/‑väter dazu führen, dass sich die Schere zwischen Förderungen der öffentlichen Hand und den Gehältern der Tagesmütter/‑väter schon nach kurzer Zeit rasch so weit öffnen würde, dass sich die Träger die Tätigkeit von Tagesmüttern/‑vätern nicht mehr leisten könnten. Dies werde durch die Festsetzung einer Vorrückung von 5 Jahren für die Gruppe der Tagesmütter/‑väter verhindert, weil dadurch genügend Zeit für die Träger zur Verfügung stehe, mit den öffentlichen Fördergebern vor den nächsten Vorrückungen Verhandlungen wegen einer Erhöhung der Förderbeträge aufzunehmen. Weil die Gehälter der Tagesmütter/‑väter für eine große Zahl der Träger nach Inkrafttreten des KV‑BAGS infolge der Höhe der dort vorgesehenen Mindestgehälter nicht mehr finanzierbar gewesen wären, hätten die Träger mit ihrem Austritt gedroht. Infolge der Vorrückung in Abständen von fünf Jahren habe das relativ hohe Mindestgehalt der Tagesmütter/‑väter durch den KV‑BAGS überhaupt eingeführt werden können. Wäre die Zeitspanne der Vorrückungen nicht mit fünf Jahren festgelegt worden, dann hätten die Mindestgehälter der Tagesmütter/‑väter deutlich niedriger ausfallen müssen. Dies wäre für diese Gruppe von Arbeitnehmerinnen im Ergebnis wesentlich nachteiliger gewesen als die bloße Festlegung des Vorrückungszeitraums mit 5 Jahren.

Darüber hinaus nehme die Qualität der Arbeit der Tagesmütter/‑väter erst über einen längeren Zeitraum infolge der weiteren Erfahrung soweit zu, dass eine Erhöhung der Mindestgehälter durch Vorrückung gerechtfertigt sei. Anders als etwa die in Verwendungsgruppe 4 angeführten Kindergruppenbetreuerinnen müssten Tagesmütter/‑väter auch nur wenige Kinder betreuen und könnten ihre Tätigkeit zuhause ausüben, was eine wesentliche Erleichterung im Verhältnis zu anderen Berufsgruppen darstelle. Im Übrigen sei das Verfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG nicht geeignet, den vom Antragssteller vorgetragenen Sachverhalt rechtlich zu beurteilen, weil es dazu unter anderem der Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens bedürfte. Auch ein Eingriff in das Grundrecht auf Eigentum sei nicht ersichtlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Feststellungsantrag ist zulässig, da er eine Rechtsfrage des materiellen Rechts auf dem Gebiet der Arbeitsrechtssachen nach § 50 ASGG betrifft, die schon ihrem Wesen nach und aufgrund des behaupteten, von namentlich bestimmten Personen unabhängigen Sachverhalts für mindestens drei Dienstnehmer von Bedeutung ist. Der Feststellungsantrag ist jedoch nicht berechtigt.

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Kollektivvertrags für Arbeitnehmerinnen, die bei Mitgliedern der Berufsvereinigung von Arbeitgebern für Gesundheits‑ und Sozialberufe (BAGS) beschäftigt sind, lauten wie folgt:

§ 28 Verwendungsgruppen

Die Einreihung in eine bestimmte Verwendungsgruppe der Gehaltstabelle erfolgt nach der Art der Tätigkeit

[...]

Verwendungsgruppe 4 :

Heimhelferinnen, medizinische Masseurinnen, Therapiegehilfinnen, Büropersonal, das einfache Arbeiten selbstständig erledigt, Kindergruppenbetreuerinnen in Ausbildung, Lern‑ und Freizeibetreuerinnen in Ausbildung, Rettungssanitäterinnen, Hausbetreuerinnen ohne facheinschlägigen Lehrabschluss

Verwendungsgruppe 4A :

(Verwendungsgruppe 4, Vorrückungen: Quinquennien) Tagesmütter/‑väter

Tagesmütter/‑väter mit Ausbildung als: Kindergartenpädagogin, diplomiertes Kinderkrankenpflegepersonal, Hortpädagogin und Pädagogin erhalten ein um 20 % erhöhtes Gehalt laut Gehaltstabelle.

Verwendungsgruppe 4B :

(Verwendungsgruppe 4, Gehaltsstufe 8, ohne Vorrückungen) Pflegemütter/‑väter

[...]

§ 30 Allgemeine Entgeltregelungen

1) Die Gehaltstabelle gemäß § 29 legt die Höhe der Mindestgrundgehälter fest. Dabei wird die Gehaltstabelle nach Verwendungsgruppen gemäß § 28 sowie nach Gehaltsstufen gegliedert.

2) Die Einreihung in eine bestimmte Verwendungsgruppe der Gehaltstabelle erfolgt nach der Art der Tätigkeit. [...]

[...]

4) Die Vorrückung in eine höhere Gehaltsstufe erfolgt ‑ soweit nicht anders in diesem KV geregelt ‑ nach jeweils zwei Dienstjahren. Vorrückungen sind im Dienstzettel festzuhalten.

[...]“

2. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der normative Teil eines Kollektivvertrags nach den Auslegungsregeln der §§ 6, 7 ABGB auszulegen ist (RIS‑Justiz RS0008807; RS0010088). Die Gerichte haben die Kollektivverträge dahin zu überprüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, also die Verfassung, europäisches Gemeinschaftsrecht, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (8 ObA 30/00w). Kollektivvertragliche Rechtsansprüche sind zwar in jede Richtung regelbar. Die Gestaltungsfreiheit der Kollektivvertragsparteien findet jedoch ihre Schranke in der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, vor allem in der Konkretisierung der wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere § 879 ABGB; RIS‑Justiz RS0018063; 8 ObA 20/09p ua). Die Kollektivvertragsparteien sind bei der Gestaltung des Kollektivvertrags insbesondere auch an den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz gebunden, wenngleich in Anbetracht ihrer Interessenwahrungspflicht von einer sogenannten „abgeschwächten“ Grundrechtsbindung auszugehen ist (8 ObA 30/00w; 9 ObA 229/02w ua).

3. Mit dem Begriff der Einstufung eines Arbeitnehmers nach dem Kollektivvertrag wird üblicherweise die Zuordnung eines konkreten Arbeitsverhältnisses zu den im Kollektivvertrag geregelten Mindestlöhnen verstanden (Resch, Die Einstufung im Kollektivvertrag, wbl 1999, 237). Abgesehen von allgemeinen gesetzlichen Schranken und der bereits dargestellten Bindung an die Grundrechte sind die Parteien des Kollektivvertrags grundsätzlich frei, über die Voraussetzungen der Einstufung zu entscheiden. Im Rahmen des Gleichheitssatzes haben die Parteien des Kollektivvertrags bei ihren Vereinbarungen über die Einstufung innerhalb des ihnen zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraums die wirtschaftliche Absicherung der Arbeitnehmer durch die Bewertung ihrer Arbeitsleistung in Beziehung zur Lohnkostenbelastung der Arbeitgeber zu setzen und so ein Synallagma zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags herzustellen. Zentral ist für die Einstufungsmodelle der Kollektivverträge daher die Tätigkeit des Arbeitnehmers, weil aus ihr die Wertschöpfung für den Arbeitgeber und damit seine eigentliche Motivation für den Beginn des Arbeitsverhältnisses liegt (Resch aaO 238). Außer auf die tatsächlich vorwiegend ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers (RIS‑Justiz RS0064956; vgl §§ 30 Abs 2 und 28 Satz 1 KV‑BAGS) können Kollektivverträge aber auch auf die (facheinschlägige) Ausbildung oder auf eine unabhängig vom tatsächlichen Tätigkeitsbereich ausgeübte formale Funktion des Arbeitnehmers im Betrieb als Voraussetzung für die Einstufung abstellen (8 ObA 20/09p mwH).

4. Zur Begründung seines Antrags verweist der Antragsteller ausschließlich auf die Bestimmungen des KV‑BAGS, wenn er letztlich nur ausführt, dass Tagesmütter/‑väter mit demselben Mindestbezug beginnen, wie die in Verwendungsgruppe 4 aufgelisteten Berufsgruppen, sich aber aus den Regelungen des KV‑BAGS keinerlei Differenzierungsmerkmale erkennen ließen, die eine Vorrückung dieser Gruppe lediglich in Abständen von fünf Jahren rechtfertigen könnten. Mit dem bloßen Verweis auf die ‑ sonstigen ‑ Bestimmungen des KV‑BAGS zeigt der Antragsteller aber keinen Umstand auf, aus dem sich ersehen ließe, dass die Parteien des Kollektivvertrags hier ihren rechtspolitischen Gestaltungsspielraum bei der Einstufung verlassen hätten. Insbesondere ergibt sich aus den Regelungen des Kollektivvertrags gerade nicht der vom Antragsteller gewünschte Schluss, dass die in § 28 Verwendungsgruppe 4 eingereihten Gruppen vollständig mit der Gruppe der Tagesmütter/‑väter vergleichbar wären.

4.1 Dazu ist zunächst auszuführen, dass die Kollektivvertragsparteien zu § 28 Verwendungsgruppen 4, 4A und 4B KV‑BAGS Anmerkungen verfasst haben. Diese sind nach der Rechtsprechung als authentische Interpretation des Kollektivvertrags durch die Kollektivvertragsparteien anzusehen (vgl zur DO.A RIS‑Justiz RS0054448).

4.2 So zeigen bereits die in § 28 Verwendungsgruppe 4 KV‑BAGS genannten Berufsgruppen durchaus unterschiedliche Merkmale auf. So sind etwa neben Berufsgruppen, die eine gesetzlich geregelte Ausbildung absolviert haben (zB medizinische Masseurinnen) auch solche erfasst, die sich noch in Ausbildung befinden (Kindergruppen‑, Lern‑ und Freizeitbetreuerinnen). Die in Ausbildung befindlichen Gruppen werden gemäß Anm 3 zu § 28 KV‑BAGS nach Abschluss einer Ausbildung oder nach 4 Jahren Tätigkeit in dieser Verwendungsgruppe in die höhere Verwendungsgruppe 5 umgestuft. Als weitere, dritte Gruppe, kennt die Verwendungsgruppe 4 auch eine Berufsgruppe ohne Lehrabschluss, nämlich jene der Hausbetreuerinnen ohne facheinschlägigen Lehrabschluss. Dazu hält Anm 3b fest, dass diese Gebäude und Einrichtungen im handwerklichen Bereich betreuen und handwerkliche Tätigkeiten verrichten, zu deren Ausübung kein facheinschlägiger Lehrabschluss notwendig ist.

4.3 Aber auch die Verwendungsgruppe 4A unterscheidet zwei Gruppen von Tagesmüttern/‑vätern. Für Tagesmütter/‑väter mit einer besonderen Ausbildung etwa als Kindergarten‑ oder Hortpädagogin (die als solche in § 28 Verwendungsgruppe 7 eingestuft sind) sieht die Verwendungsgruppe 4A ein um 20 % erhöhtes Gehalt vor. Aber auch für alle anderen Tagesmütter/‑väter halten die Kollektivvertragsparteien in Anm 4 zu § 28 Verwendungsgruppe 4A KV‑BAGS fest, dass diese jeweils eine landesgesetzliche Ausbildung oder eine Grundausbildung von 200 Stunden haben müssen. Damit weichen die Ausbildungserfordernisse für Tagesmütter/‑väter etwa sehr stark von den beispielsweise in Verwendungsgruppe 4 eingereihten medizinischen Masseurinnen ab. Diese werden nach dem medizinischen Masseur‑ und Heilmasseurgesetz (MMHmG) im Rahmen einer theoretischen Ausbildung und zusätzlich einer praktischen Ausbildung im Ausmaß von 875 Stunden sowie von weiteren praktischen Übungen im Ausmaß von 875 Stunden innerhalb von 3 Jahren samt kommissioneller Prüfung ausgebildet.

4.4 Aus dem Kollektivvertragstext ergibt sich daher keineswegs die vom Antragsteller behauptete Vergleichbarkeit der in den Verwendungsgruppen 4 und 4A eingereihten Berufsgruppen. Aus dem Umstand allein, dass alle diese Gruppen zu Beginn ihrer beruflichen Tätigkeit denselben Mindestbezug erhalten, kann daher noch nicht auf eine unsachliche Ungleichbehandlung aufgrund unterschiedlicher Vorrückung geschlossen werden. Dies wird besonders deutlich bei Betrachtung der weiteren, der Verwendungsgruppe 4 ausdrücklich zugeordneten Verwendungsgruppe 4B in § 28 KV‑BAGS. Darin wird nämlich für Pflegemütter/‑väter festgesetzt, dass diese zwar in Gehaltsstufe 8 der Verwendungsgruppe 4 eingereiht werden, aber überhaupt keine Vorrückung haben. Auch bezüglich dieser Gruppe von Arbeitnehmerinnen verweisen die Kollektivvertragsparteien in der schon genannten Anm 4 darauf, dass eine landesgesetzliche Ausbildung oder eine Grundausbildung von 200 Stunden erforderlich ist.

4.5 Eine unterschiedliche Behandlung von Tagesmüttern/‑vätern im Vergleich zu den in Verwendungsgruppe 4 eingereihten Berufsgruppen ergibt sich schließlich auch aus § 21 KV, einer Sonderbestimmung für Tagesmütter/‑väter. Tagesmütter/‑väter betreuen tagsüber fremde Kinder, insbesondere solche berufstätiger Eltern, wobei sie versuchen, diese Kinder weitestgehend in die eigene Familie zu integrieren (Löschnigg/Resch, BAGS‑KV 2011 § 28 Erl 23). Die arbeitszeitrechtliche Einordnung ihrer Tätigkeit ist deshalb besonders schwierig, weil diese Gruppe neben den eigenen Kindern fremde Kinder mitbetreut, sodass die Inanspruchnahme aus dem Arbeitsverhältnis wesentlich davon abhängt, wie viele fremde Kinder zu betreuen sind (Löschnigg/Resch aaO § 21 Erl 1). § 21 KV‑BAGS normiert daher, dass die Tätigkeit von Tagesmüttern/‑vätern im Rahmen einer Arbeitsbereitschaft definiert wird und die (insbesondere Fragen der Arbeitszeit und deren Entlohnung betreffenden) Bestimmungen der §§ 3, 4, 7, 8, 9, 10 und 31 KV für die Gruppe der Tagesmütter/‑väter nicht zur Anwendung gelangen. § 21 KV‑BAGS enthält für die Gruppe der Tagesmütter/‑väter vielmehr eigene Regelungen zur Arbeitszeit und zur Entlohnung etwa von Überstunden oder Nachtarbeit.

5. Aus den Bestimmungen des KV‑BAGS, auf die der Antragsteller verweist, folgt daher nicht die vom Antragsteller behauptete Gleichwertigkeit der Tätigkeit von Tagesmüttern/‑vätern im Verhältnis zu den in Verwendungsgruppe 4 genannten Berufsgruppen. Im Gegenteil kennt der Kollektivvertrag sogar eine dieser Verwendungsgruppe zugeordnete Berufsgruppe (Pflegemütter/‑väter), die überhaupt keine Vorrückung genießt. Weitere Argumente, aus denen sich eine Verletzung des Gestaltungsspielraums der Kollektivvertragsparteien im konkreten Fall ersehen ließen, führt der Antragsteller nicht an.

6. Demgegenüber weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass alleine die Einbeziehung der Gruppe der Tagesmütter/‑väter in den Kollektivvertrag einen Kompromiss darstellte, der nur durch die Vereinbarung einer fünfjährigen Vorrückung erreicht werden konnte. Nur dadurch sei es möglich gewesen, einerseits für die Gruppe der Tagesmütter/‑väter ein relativ höheres Mindestgehalt im Kollektivvertrag festzusetzen, andererseits aber eine Regelung zu finden, die eine ausreichende Unterstützung der Träger durch öffentliche Förderungen sicherstellen konnte. Damit übereinstimmend führt auch Kaufmann aus, dass für die Schaffung längerer Vorrückungszeiträume möglicherweise weniger theoretische Überlegungen entscheidend waren, als die finanzielle Situation der betroffenen Arbeitgeber bzw die Finanzierungsbereitschaft der öffentlichen Kostenträger und die daraus historisch gegebene Entgeltsituation beim Übergang zum BAGS‑Kollektivvertrag (Der BAGS‑Kollektivvertrag 2004‑2009, 99). Auf diese durchaus beachtlichen Argumente ist aber ‑ da der Antragsgegner gemäß § 54 Abs 4 S 1 ASGG auf rechtliche Argumente beschränkt ist (Neumayr in ZellKomm² § 54 Rz 31) ‑ hier nicht weiter einzugehen.

7. Grundlage der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist gemäß § 54 Abs 4 S 1 ASGG der vom Antragsteller behauptete Sachverhalt, hier daher allein die Bestimmungen des Kollektivvertrags selbst. Ausgehend davon ist die vom Antragsteller behauptete Verletzung des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatzes durch die Normierung eines fünfjährigen Vorrückungszeitraums für Tagesmütter/‑väter in § 28 Verwendungsgruppe 4A KV‑BAGS aus den dargestellten Gründen nicht gegeben.

8. Erkennbar behauptet der Antragsteller auch einen Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Eigentum (Art 5 StGG) durch die Festsetzung eines fünfjährigen Vorrückungszeitraums für Tagesmütter/‑väter. Eigentumsbeschränkungen sind in der Regel dann zulässig, wenn sie sachlich gerechtfertigt und nicht unverhältnismäßig sind (9 ObA 84/07d; RIS‑Justiz RS0038552 ua; DRdA 1993/45 mit Anm von Resch). Selbst wenn man in der Normierung eines unterschiedlichen Vorrückungszeitraums überhaupt eine Eigentumsbeschränkung sehen wollte, so zeigt der Antragsteller ‑ der dazu keinerlei näheres Vorbringen erstattet hat ‑ mit dem bloßen Hinweis auf die kollektivvertraglichen Bestimmungen selbst nicht ausreichend auf, dass eine solche sachlich nicht gerechtfertigt oder unverhältnismäßig wäre.

Der Feststellungsantrag ist daher abzuweisen.

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