OGH 10ObS150/11y

OGH10ObS150/11y14.2.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Mag. Petra Rindler, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 2011, GZ 8 Rs 124/11f-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 12. April 2011, GZ 13 Cgs 320/10h-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen der Klagevertreterin die mit 186,84 EUR (darin enthalten 31,14 EUR USt) bestimmten anteiligen Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 1. 9. 1960 geborene Kläger war in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag (1. 1. 2010) überwiegend als Lagerarbeiter beschäftigt. Er kann aufgrund der näher festgestellten medizinischen Leidenszustände noch leichte bis halbzeitig mittelschwere Arbeiten verrichten. Arbeiten unter Tischhöhe bzw in dauernder Zwangshaltung oder nach vorne gebeugter Haltung (mehr als 25 Grad) sowie Arbeiten über Schulterhöhe sollten die Dauer von einer Stunde - über den gesamten Arbeitstag verteilt - nicht überschreiten. Arbeiten unter besonderem Zeitdruck sind nicht möglich. Der Kläger kann aufgrund dieses medizinischen Leistungskalküls noch Reinigungsarbeiten in Ordinationen und Büros sowie die Tätigkeit eines Tagportiers (Empfangsdienst in größeren Unternehmen) verrichten.

Mit Bescheid vom 13. 8. 2010 lehnte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Antrag des Klägers auf Zuerkennung der Invaliditätspension ab.

Das Erstgericht wies die vom Kläger dagegen erhobene und auf die Gewährung der abgelehnten Leistung ab 1. 1. 2010 gerichtete Klage ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht dahin, dass eine Invalidität des Klägers iSd § 255 Abs 3 ASVG nicht vorliege, weil er noch die beiden (beispielshaft) angeführten Verweisungstätigkeiten verrichten und damit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die Lohnhälfte ins Verdienen bringen könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es beurteilte die Verfahrens- und Beweisrüge als nicht berechtigt und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass durch das Inkrafttreten der Härtefallregelung des § 255 Abs 3a und Abs 3b ASVG idF des BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, mit 1. 1. 2011 ein neuer Stichtag ausgelöst worden sei, weshalb auch zu prüfen sei, ob der Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Invaliditätspension nach dieser Härtefallregelung zum neuen Stichtag 1. 1. 2011 erfülle. Dies sei nicht der Fall, weil der Kläger noch in der Lage sei, halbzeitig mittelschwere Tätigkeiten nicht vorwiegend in sitzender Haltung zu verrichten. Damit liege kein Härtefall iSd § 255 Abs 3a ASVG vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung der Härtefallregelung des § 255 Abs 3a ASVG in der konkreten Fallkonstellation vorliegt. Sie ist aber nicht berechtigt.

1. Der Kläger macht in seinem Rechtsmittel geltend, die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des § 255 Abs 3 ASVG könne noch nicht abschließend beurteilt werden, weil nicht feststehe, ob er durch die Ausübung der beiden genannten Verweisungstätigkeiten die sogenannte Lohnhälfte erzielen könne. Weiters hätten die Vorinstanzen prüfen müssen, in welcher Zahl die als Verweisungstätigkeiten angeführten Berufe auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt vorkommen, und die Möglichkeit des Klägers, einen Arbeitsplatz in den genannten Verweisungsberufen zu finden, berücksichtigen müssen.

2. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung die Frage, ob der Kläger einen konkreten Arbeitsplatz in den Verweisungsberufen erlangen kann, für die Frage des Vorliegens des Versicherungsfalls der Invalidität nach § 255 Abs 3 ASVG ohne Bedeutung ist (vgl RIS-Justiz RS0084863). Ist ein Versicherter - wie der Kläger - in der Lage, eine Verweisungstätigkeit ohne jede Einschränkung inhaltlicher oder zeitlicher Art auszuüben, so ist davon auszugehen, dass er in der Lage ist, ein Einkommen in der Höhe des kollektivvertraglichen Lohnes zu erzielen. Die Frage der Lohnhälfte stellt sich dann gar nicht (RIS-Justiz RS0084693). Schließlich bedarf es bei allgemein gängigen Verweisungsberufen wegen der Offenkundigkeit keiner detaillierten Erhebung über die Anzahl der vorhandenen Arbeitsplätze (vgl Sonntag in Sonntag, ASVG2 § 255 Rz 12). Dazu gehören auch die Verweisungstätigkeiten eines Tagportiers sowie eines Reinigungsarbeiters in Ordinationen und Büros.

3. Weiters macht der Kläger geltend, dass bei ihm auch die Härtefallregelung des § 255 Abs 3a ASVG zum Tragen komme. Er könne nur mehr Tätigkeiten mit dem geringsten Anforderungsprofil verrichten. Die Vorinstanzen hätten dazu keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Es sei von den Vorinstanzen auch nicht geprüft worden, ob es ihm innerhalb eines Jahres möglich sei, einen Arbeitsplatz in einem Verweisungsberuf zu erlangen. Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen reichten jedenfalls nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Härtefallregelung auf ihn Anwendung zu finden habe.

4. Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

4.1 Nach § 255 Abs 3a ASVG idF BudgetbegleitG 2011 (BGBl I 2010/111) gilt eine versicherte Person auch dann als invalid, wenn sie

1. das 50. Lebensjahr vollendet hat,

2. mindestens zwölf Monate unmittelbar vor dem Stichtag (§ 223 Abs 2) als arbeitslos iSd § 12 AlVG gemeldet war,

3. mindestens 360 Versicherungsmonate, davon mindestens 240 Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit, erworben hat und

4. nur mehr Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil, die auf dem Arbeitsmarkt noch bewertet sind, ausüben kann und zu erwarten ist, dass ein Arbeitsplatz in einer der physischen und psychischen Beeinträchtigung entsprechenden Entfernung von ihrem Wohnort innerhalb eines Jahres nicht erlangt werden kann.

4.2 Unter den Tätigkeiten nach § 255 Abs 3a Z 4 ASVG sind nach der Legaldefinition des § 255 Abs 3b ASVG leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden und/oder mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen, zu verstehen.

4.3 Die Bestimmung des § 255 Abs 3a iVm Abs 3b ASVG trat gemäß der Schlussbestimmung des § 658 Abs 1 ASVG mit 1. 1. 2011 in Kraft und wird mit Ablauf des 31. 12. 2015 wieder außer Kraft treten (§ 658 Abs 2 ASVG).

4.4 Nach den Gesetzesmaterialien (RV 981 BlgNr 24. GP 205) soll mit dieser neuen Härtefallregelung für stark leistungseingeschränkte ungelernte ArbeitnehmerInnen und für bestimmte selbständig Erwerbstätige (nämlich Bäuerinnen und Bauern), die das 50. Lebensjahr erreicht bzw überschritten, aber das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die die Voraussetzungen für den besonderen Berufsschutz etwa nach § 255 Abs 4 ASVG nicht erfüllen, ein spezieller Verweisungsschutz die derzeit judizierte weite Verweisung auf dem gesamten Arbeitsmarkt zu einer Verweisbarkeit in einem engen Segment einschränken und so diesen Menschen einen Zugang zu einer Invaliditäts- oder Erwerbsunfähigkeitspension bzw zu einer entsprechenden Rehabilitation öffnen. Ziel der vorgeschlagenen Regelung ist es also, jene Berufsverweisungen, die bisher zu Härtefällen geführt haben, zu vermeiden. Unter Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil sind leichte Tätigkeiten vorwiegend in sitzender Haltung und bei durchschnittlichem Zeitdruck zu verstehen, wobei ein Haltungswechsel möglich sein muss. Die neue Härtefallregelung wird in der Praxis für Bäuerinnen und Bauern sowie ungelernte ArbeiterInnen, die ein sehr stark medizinisch eingeschränktes Leistungskalkül haben (dh nur mehr leichte Tätigkeiten im Sitzen oder in einem nicht kontinuierlichen Arbeitsablauf ausüben können), relevant werden und soll auf eine sehr kleine Zahl von Härtefällen beschränkt bleiben.

4.5 Im Recht der Pensionsversicherung gilt der Grundsatz der „abstrakten Verweisung“, wonach es für die Frage der Invalidität ohne Bedeutung ist, ob der Versicherte im Verweisungsberuf auch tatsächlich einen Dienstposten finden wird (stRsp 10 ObS 50/87, SSV-NF 1/23). Ungelernte Arbeiter müssen sich gemäß § 255 Abs 3 ASVG auf alle Tätigkeiten des (allgemeinen) Arbeitsmarkts verweisen lassen, die sie aufgrund ihres Leistungskalküls noch ausüben können. Ungelernten Arbeitern gebührt somit erst dann eine Pension, wenn sie sämtliche der am allgemeinen Arbeitsmarkt angebotenen Tätigkeiten nicht (mehr) ausüben können. Dazu gehören auch leichte Tätigkeiten wie beispielsweise Botengänger, Museumswärter oder Parkgaragenkassier. Insbesondere bei schwereren gesundheitlichen Beeinträchtigungen sinken naturgemäß die Chancen, eine Beschäftigung zu erlangen oder weiterbeschäftigt zu werden. So ist mehr als die Hälfte der Invaliditätspensionswerber am Pensionsstichtag bereits längere Zeit arbeitslos oder im Krankenstand. Bei schweren Erkrankungen ist der Anteil noch höher.

4.6 Die Härtefallregelung des § 255 Abs 3a ASVG sieht nunmehr vor, dass auch Versicherte, die noch in der Lage sind, am allgemeinen Arbeitsmarkt Verweisungstätigkeiten, von diesen jedoch nur mehr die besonders leichten (Tätigkeiten mit dem „geringsten Anforderungsprofil“) zu verrichten, künftig als invalid (erwerbsunfähig) gelten (Ivansits/Weissensteiner, Die Härtefallregelung - Zugangserleichterungen in die Invaliditätspension für Versicherte ab 50, DRdA 2011, 175 ff).

4.7 Die Definition der „Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil“ erfolgt in § 255 Abs 3b ASVG. Danach handelt es sich dabei um leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden und/oder mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen. Diese Tätigkeiten wurden somit nach ihrem Schweregrad, dem mit ihnen verbundenen Zeitdruck und der Körperhaltung umschrieben. Es handelt sich dabei nach den bereits zitierten Ausführungen in der RV (981 BlgNR 24. GP 206) um leichte Tätigkeiten vorwiegend in sitzender Haltung und bei durchschnittlichem Zeitdruck, wobei ein Haltungswechsel möglich sein muss. Ziel der Härtefallregelung ist die Gewährung einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit an Personen, die - wie bereits oben ausgeführt - ein sehr stark eingeschränktes medizinisches Leistungskalkül haben. Die Definition in Abs 3b beschreibt allerdings - entgegen der offenbaren Rechtsansicht des Berufungsgerichts - nicht das medizinische (Rest-)Leistungskalkül von Versicherten, sondern jene Tätigkeiten unter allen in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten, die das leichteste Anforderungsprofil erfüllen. Anders ausgedrückt: Um den Anspruchsvoraussetzungen der Härtefallregelung zu genügen, darf der Pensionswerber nur mehr in der Lage sein, die in § 255 Abs 3b ASVG umschriebenen Tätigkeiten und sonst keine weiteren Verweisungstätigkeiten auszuüben (Ivansits/Weissensteiner aaO DRdA 2011, 177).

4.8 Eine (Verweisungs-)Tätigkeit mit geringstem Anforderungsprofil kann daher nach § 255 Abs 3b ASVG nur dann vorliegen, wenn sie leicht ist, bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden kann und/oder mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglicht. Die Formulierung „und/oder“ deutet auf das Vorliegen kumulativer, aber auch alternativer Anspruchsvoraussetzungen hin. Eine (Verweisungs-)Tätigkeit mit dem geringsten Anforderungsprofil ist demnach eine leichte körperliche Tätigkeit, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt wird und (kumulativ) mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglicht (erste Fallgruppe). Das Wort „oder“ für die zweite Fallgruppe ist nicht als Alternative zu leichten Tätigkeiten oder zu Tätigkeiten unter durchschnittlichem Zeitdruck, sondern als Alternative zu vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübten Tätigkeiten zu verstehen. Es könnte daher die Härtefallregelung dahin verstanden werden, dass die zweite Fallgruppe der Tätigkeiten mit dem geringsten Anforderungsprofil eine leichte körperliche Tätigkeit, die bei durchschnittlichem Zeitdruck ausgeübt wird und mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglicht, umfasst. Bei einer solchen Auslegung würde es sich aber bei den beiden Fallgruppen im Ergebnis um keinen alternativen Kreis von Anspruchsberechtigten handeln, da der Kreis der Anspruchsberechtigten nach der ersten Fallgruppe jedenfalls von der zweiten Fallgruppe umfasst wäre. Im Übrigen würde bei einer solchen Auslegung auch eine grundsätzlich im Gehen ausgeübte Tätigkeit, die von einer - mitunter auch nur mehrmals täglich einzunehmenden - stehenden Tätigkeit abgelöst wird, als Tätigkeit mit dem geringstem Anforderungsprofil anzusehen und damit bereits der Härtefallregelung zu unterstellen sein. Eine solche Tätigkeit stellt jedoch nach Ansicht des erkennenden Senats keine Tätigkeit mit geringstem Anforderungsprofil dar und es findet die gegenteilige Ansicht auch in den zitierten Gesetzesmaterialien keine Deckung.

4.9 Ivansits/Weissensteiner aaO DRdA 2011, 177 f vertreten in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass folgende zwei Gruppen von „Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil“ zu unterscheiden seien:

- leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden und (= während der Ausübung der Tätigkeit) mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen (zB die Tätigkeit eines Parkgaragenkassiers).

-leichte (körperliche) Tätigkeiten, die vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden oder (= nicht während der Ausübung der Tätigkeit) mehrmals einen Haltungswechsel ermöglichen (zB Tätigkeit einer Näherin).

Die Alternative bei dieser Auslegungsvariante stellt somit darauf ab, ob der mehrmalige tägliche Haltungswechsel während der Ausübung der Tätigkeit möglich ist oder nicht. Für diese Auslegung findet sich im Gesetzeswortlaut des § 255 Abs 3b ASVG durch die Bezugnahme auf die ausgeübte Tätigkeit eine gewisse Stütze. Für diese Auslegung spricht aber auch der weitere Umstand, dass in den Gesetzesmaterialien in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf einen „nichtkontinuierlichen Arbeitsablauf“ Bezug genommen wird. Der erkennende Senat folgt daher auch in der Frage der Auslegung des Begriffs „Tätigkeiten mit dem geringstem Anforderungsprofil“ der Ansicht von Ivansits/Weissensteiner aaO, wonach es sich dabei einerseits um leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden und (= während der Ausübung der Tätigkeit) mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen (erste Fallgruppe) und andererseits um leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden oder (= nicht während der Ausübung der Tätigkeit) mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen, handelt. Mit dieser Auslegung wird nach Ansicht des erkennenden Senats im Hinblick auf die vorliegende unklare Gesetzeslage der ausdrücklich erklärten Absicht des Gesetzgebers, die Härtefallregelung nur für eine sehr kleine Zahl sehr stark leistungseingeschränkter Versicherter schaffen zu wollen, sowie dem Zweck der Regelung (als „Härtefallregelung“) am ehesten Rechnung getragen (vgl auch RIS-Justiz RS0127383).

5. Aus den dargelegten Ausführungen ergibt sich, dass das medizinische Leistungskalkül des Klägers nicht so weit eingeschränkt ist, dass er nur mehr in der Lage wäre, die in § 255 Abs 3b ASVG umschriebenen Tätigkeiten mit dem geringsten Anforderungsprofil und sonst keine weiteren Verweisungstätigkeiten mehr auszuüben. Der Kläger ist nach den Feststellungen der Vorinstanzen nämlich jedenfalls auch noch in der Lage, Reinigungsarbeiten in Ordinationen und Büros zu verrichten. Bei dieser Verweisungstätigkeit handelt es sich um keine Tätigkeit mit geringstem Anforderungsprofil iSd § 255 Abs 3b ASVG, weil sie nicht vorwiegend in sitzender, sondern in gehender und stehender Haltung ausgeübt werden kann. Da der Kläger somit die Voraussetzungen für eine Anwendung der Härtefallregelung nach § 255 Abs 3a Z 4 ASVG nicht erfüllt, erübrigt sich eine Prüfung der Frage, ob er die weiteren Anspruchsvoraussetzungen nach § 255 Abs 3a Z 2 und 3 ASVG erfüllt. Beim Kläger liegt somit nach der im Ergebnis zutreffenden Rechtsansicht des Berufungsgerichts auch keine Invalidität iSd § 255 Abs 3a ASVG vor.

Der Revision des Klägers musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Im Hinblick auf die rechtlichen Schwierigkeiten des Falls und die beim Kläger aktenkundig bestehenden schlechten Einkommens- und Vermögensverhältnisse entspricht es der Billigkeit, dem Kläger trotz seines gänzlichen Unterliegens im Revisionsverfahren die Hälfte der Revisionskosten zuzuerkennen. Die dem Kläger gewährte Verfahrenshilfe ändert nichts an der Kostenersatzpflicht der beklagten Partei nach Billigkeit (vgl 10 ObS 106/10a mwN ua). Der Erhöhungsbetrag (§ 23a RATG) beträgt lediglich 1,80 EUR.

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