OGH 15Os136/11f

OGH15Os136/11f14.12.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Dezember 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Potmesil als Schriftführer im Verfahren zur Unterbringung des Markus K***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 27. Juli 2011, GZ 13 Hv 77/11s-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Markus K***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 1 StGB eingewiesen, weil er im Landespflegeheim in S***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad (Oligophrenie mit Verhaltensauffälligkeiten und mangelnder Steuerbarkeit der Gemütslage) beruhte, nachfolgende Personen gefährlich mit dem Tod bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. am 17. März 2010

a) Sabine R***** und mittelbar Helga M*****, indem er gegenüber Sabine R***** äußerte, dass er sie und Helga M***** umbringen werde;

b) Oberarzt Dr. Klaus T*****, indem er ihm gegenüber äußerte: „Ich schlag dir deine Brille aus dem Gesicht. Dich bringe ich auch noch um, ich schlag dich nieder!“,

2. am 26. April 2010 Elisabeth Ko***** und mittelbar das Personal des Landespflegeheims S*****, indem er gegenüber Elisabeth Ko***** äußerte, dass er seine Medikamente nicht nehmen und alle umbringen werde, sowie durch die Äußerung, dass die Stationsleitung nichts zu bestimmen habe und er sie niederstechen werde,

und hiedurch Taten begangen hat, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind und die ihm, wäre er zur Tatzeit zurechnungsfähig gewesen, als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB zuzurechnen gewesen wären, und weil nach seiner Person, seinem Zustand und nach der Art der Taten zu befürchten stand, er werde unter dem Einfluss seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen; sie schlägt fehl.

Die prozessordnungskonforme Darstellung der Tatsachenrüge (Z 5a) verlangt, aus dem vorliegenden Beweismaterial, das in der Hauptverhandlung vorgekommen ist (§ 258 Abs 1 StPO) oder vorkommen hätte können und dürfen (RIS-Justiz RS0119310), unter konkreter Bezugnahme auf solches anhand einer Gesamtbetrachtung der tatrichterlichen Beweiswürdigung erhebliche Bedenken gegen die Urteilsfeststellungen zu entscheidenden Tatsachen abzuleiten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 481, 487). Diesen Kriterien wird die Beschwerde nicht gerecht, indem sie sich darauf beschränkt, den Überlegungen des Erstgerichts - unter anderem auf aus dem Kontext gelöste Passagen der Aussage der Zeugin Sabine R***** (ON 46 S 4 bis 7) gestützte - eigene Beweiswerterwägungen entgegenzusetzen, um solcherart die Ernstlichkeit der ausgesprochenen Drohungen und den ihnen von den Tatrichtern unterstellten Sinn- und Bedeutungsgehalt in Abrede zu stellen.

Weder die von der Rüge aufgestellte Behauptung, der Betroffene sei nicht in der Lage gewesen, die Verwirklichung der Todesdrohungen durch Begehung eines Mordes zu planen, noch die aus den Zeugenaussagen abgeleitete Schlussfolgerung, die Bedrohten seien nicht nachhaltig in Furcht und Unruhe versetzt worden, betrifft eine entscheidende Tatsache (Jerabek in WK2 § 74 Rz 23, 33 aE; Kienapfel/Schroll StudB I2 § 107 RN 4, 9, RIS-Justiz RS0092102 [T7]).

Die Erfolg versprechende Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584).

Indem sich die Rechtsrüge (Z 9 lit a), ebenfalls gestützt auf aus dem Zusammenhang gelöste Teile der Aussage der Zeugin R***** und eine Deposition des Betroffenen in der Hauptverhandlung gegen die vom Erstgericht bejahte Rechtsfrage (vgl Jerabek in WK2 § 74 Rz 34) wendet, die von Markus K***** ausgesprochenen Drohungen seien geeignet gewesen, die im Urteilsspruch genannten Personen in Furcht und Unruhe zu versetzen (US 11), und im Wege selbstständiger, sich von den Urteilsannahmen entfernenden Überlegungen zum Ergebnis gelangt, es liege bloß eine straflose Unmutsäußerung vor, verfehlt sie somit den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.

Die von der weiteren Rechtsrüge (aktenfremd; vgl US 5 dritter und vierter Absatz) unter Hinweis darauf, dass es seit 26. April 2010 keine wie immer geartete Vorkommnisse gegeben habe (Misshandlungen, Sachbeschädigungen), aufgestellte Behauptung erheblicher Bedenken gegen die vom Schöffengericht angenommene ungünstige Gefährlichkeitsprognose und die Kritik der Mängelrüge an der Unterlassung der Erörterung einer vom Sachwalter des Betroffenen vorgeschlagenen Betreuungsmöglichkeit, die im Einklang mit den - vom Erstgericht jedoch abgelehnten (US 5 ff) - Ausführungen des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. B***** stünde und eine positive Zukunftsprognose eröffnete, stellen sich der Sache nach als Berufungsvorbringen dar.

Denn ebenso wie die Feststellung einer bei der Strafbemessung in Anschlag gebrachten entscheidenden Tatsache nicht aus Z 11 zweiter Fall iVm Z 5 oder 5a bekämpft werden kann (RIS-Justiz RS0099869; 12 Os 114/10x; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 680), ist der prognostizierte Sachverhalt in den Fällen der §§ 21 bis 23 StGB nur insoweit mit Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar, als er im Fall der Gefährlichkeitsprognose nicht auf Sachverhaltsfeststellungen zu sämtlichen der gesetzlichen Prognosekriterien gründet (Rechtsfehler mangels Feststellungen aus Z 11 zweiter Fall; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 717).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt.

Stichworte