OGH 9ObA15/11p

OGH9ObA15/11p25.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gillinger und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** A*****, vertreten durch die Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei R*****, vertreten durch die Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 2010, GZ 8 Ra 94/10w-28, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. August 2010, GZ 36 Cga 59/09p-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof befasste sich schon in dem von den Parteien und den Vorinstanzen angesprochenen Parallelverfahren einer anderen Arbeitnehmerin des beklagten Vereins zu 8 ObA 23/10f mit der Berechtigung einer Kündigungsanfechtung wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 ArbVG. Bereits im Parallelverfahren wurde klargestellt, dass die aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte Kündigung durch den Arbeitgeber mit dem gleichzeitigen Angebot auf Abschluss eines neuen Dienstvertrags zu geänderten Konditionen eine Änderungskündigung darstellt (vgl RIS-Justiz RS0028310 ua). Auch Änderungskündigungen unterliegen dem allgemeinen Kündigungsschutz nach § 105 ArbVG (8 ObA 23/10f ua). Bei einer Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist zunächst zu prüfen, ob wesentliche Interessen des gekündigten - seit wenigstens sechs Monaten beschäftigten - Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, ob also dem Arbeitnehmer durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen (vgl RIS-Justiz RS0051746 ua). Für eine Änderungskündigung ist in dieser Hinsicht entscheidend, ob dem Arbeitnehmer die Annahme des Angebots des Arbeitgebers zur Änderung der Arbeitsbedingungen zumutbar ist (8 ObA 23/10f; RIS-Justiz RS0118293 ua). Die Zumutbarkeit der Annahme des Angebots des Arbeitgebers wurde auch im vorliegenden Verfahren von den Vorinstanzen bejaht und daraus resultierend die Sozialwidrigkeit der Kündigung der Klägerin verneint. Diese Beurteilung kann jeweils nur anhand der Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden (vgl 9 ObA 86/10b; 9 ObA 87/10z; RIS-Justiz RS0051741 ua), worauf auch die Revisionswerberin zutreffend hinweist. Die Anwendung einer richtig erkannten Rechtslage auf den konkreten Einzelfall begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, die die Zulässigkeit der Revision rechtfertigen könnte (8 ObA 23/10f ua).

Der Oberste Gerichtshof hat im Zusammenhang mit Kündigungsanfechtungen wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 ArbVG bereits wiederholt darauf hingewiesen, dass es keine starren Prozentsätze der durch die Arbeitgeberkündigung bedingten Einkommensminderung des betroffenen Arbeitnehmers gibt, bei denen das Vorliegen von Sozialwidrigkeit jedenfalls zu bejahen oder jedenfalls zu verneinen wäre (vgl 9 ObA 61/07x ua). Der Wunsch der Revisionswerberin nach „Rechtssicherheit“ möglichst schon bei der Entscheidung über das Änderungsangebot des Arbeitgebers ist natürlich verständlich. Die Auffassung, mehr Rechtssicherheit könnte durch starre Prozentsätze bezüglich der Einkommensminderung erreicht werden, ist jedoch verfehlt. § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG stellt nämlich nicht auf eine bestimmte - absolute oder relative - Einkommenseinbuße ab, sondern baut auf der Verletzung „wesentlicher Interessen“ des Arbeitnehmers auf. Richtig zitiert daher die Revisionswerberin die ständige Rechtsprechung, wonach in die Untersuchung, ob wesentliche Interessen des Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers einzubeziehen ist (vgl 8 ObA 41/09a; RIS-Justiz RS0051741 ua).

Die Klägerin zählt sich selbst zur Gruppe der „durchschnittlichen Besserverdiener“. Den Begriff leitet sie offenbar davon ab, dass sie vom Beklagten über dem auf ihre Tätigkeit anwendbaren Mindestlohntarif entlohnt wurde (arg „Besserverdiener“), ohne aber zu den Beziehern „sehr hoher Einkommen“ zu gehören (arg „durchschnittlich“). Besondere Gründe, die Angehörigen der von der Revision angesprochenen Gruppe von Arbeitnehmern bei der Kündigungsanfechtung anders als andere Arbeitnehmer zu behandeln, sind nicht erkennbar. Selbstverständlich gilt auch für „durchschnittliche Besserverdiener“ im Sinn des Verständnisses der Revisionswerberin, dass die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers einzubeziehen ist. Dazu gehören aber ohnehin auch jene Umstände, die die Revisionswerberin für „durchschnittliche Besserverdiener“ in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht als kennzeichnend ansieht. Diese Umstände sind auch in die Berufungsentscheidung eingeflossen.

Die Kündigungsanfechtung der Klägerin blieb in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Die auf der einschlägigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs beruhende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts hat alle Aspekte des Falls berücksichtigt. Von einer „Fehlentscheidung“ kann keine Rede sein.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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