Spruch:
Der Revisionsrekurs sowie dessen Ergänzung vom 8. August 2011 (ON 129) und die Stellungnahme zur Revisionsrekursbeantwortung des Vaters vom 23. August 2011 werden zurückgewiesen.
Der Vater hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Der Antrag des Vaters, der Oberste Gerichtshof möge den Beschlüssen des Rekursgerichts, GZ 45 R 171/11x-125, und des Erstgerichts, GZ 5 Ps 129/09f-95, vorläufige Verbindlichkeit und Vollstreckbarkeit zuerkennen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Das Erstgericht räumte dem Vater und der Großmutter väterlicherseits ein Besuchsrecht zur Minderjährigen ein und sprach unter anderem aus, dass die Besuche im Haus des Vaters stattfinden könnten, ohne dass dort weitere Sicherungsmaßnahmen zu treffen wären (Punkt 3 der Entscheidung des Erstgerichts). Die von der Mutter genannten Gefahrenquellen - Biotop im Garten und Treppe im Haus - seien von einem zweijährigen Kind unter Zugrundelegung der vom Vater getroffenen Vorkehrungen nicht selbständig zu erreichen. Ein Kleinkind von den allgemeinen Gefahrenquellen eines Hauses fernzuhalten, gehöre zu den elementaren Pflichten von besuchsberechtigten Personen.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts in diesem Punkt, der auch den Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens bildet. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Rechtsfrage der Verknüpfung von Besuchsrechtsausübung und Verkehrssicherungspflichten keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und dieser Frage über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG) nicht zulässig.
1. Das in § 148 Abs 1 ABGB normierte Recht des mj Kindes und des mit ihm nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteiles, miteinander persönlich zu verkehren (Besuchsrecht), ist ein Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung und ein allgemein anerkanntes, unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Menschenrecht (4 Ob 131/06b; RIS-Justiz RS0047754 [T19]). Um den Zweck des Besuchsrechts zu erreichen, ist dem Besuchsberechtigten der Kontakt zu seinem Kind grundsätzlich unbeschränkt, das heißt ohne Beeinträchtigung durch Hinzuziehung weiterer Personen oder Bindung an bestimmte Örtlichkeiten zu gewähren und ihm die Möglichkeit einer individuellen Gestaltung der Besuche zu bieten (RIS-Justiz RS0048369).
2. Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, inwieweit einem Elternteil unter Bedachtnahme auf dessen Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände das Besuchsrecht eingeräumt werden soll, ist grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Es kann ihr daher keine erhebliche Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (6 Ob 171/05y; 8 Ob 17/06t uva; RIS-Justiz RS0097114; RS0087024).
3. Eine Beschränkung des Besuchsrechts im Sinne des § 148 Abs 2 ABGB - hier, wie von der Revisionsrekurswerberin angestrebt, durch Auflagen über die Örtlichkeit, an der der persönliche Kontakt stattfinden soll - kommt nur dann in Betracht, wenn konkrete Umstände vorliegen, die eine Gefährdung der psychischen oder physischen Integrität des Kindes besorgen lassen (9 Ob 255/02v; RIS-Justiz RS0048384 [T7]). Dass das der Fall wäre, ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen gerade nicht, weil es danach der Minderjährigen aufgrund der vom Vater getroffenen Maßnahmen nicht möglich ist, die von der Mutter angeführten Gefahrenquellen selbständig zu erreichen. Damit fehlt es an einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls durch die Ausübung des Besuchsrechts im Haus des Vaters. Soweit die Mutter dennoch die körperliche Integrität ihrer Tochter gefährdet sieht, setzt sie eine Vernachlässigung der den Vater bei der Ausübung des Besuchsrechts allgemein und unabhängig von der Örtlichkeit treffenden Aufsichtspflicht voraus, wofür aber weder dem Akteninhalt noch ihrem Vorbringen im Revisionsrekurs Anhaltspunkte entnommen werden können. Bloß abstrakte Befürchtungen des obsorgeberechtigten Elternteils rechtfertigen aber weder Einschränkungen noch Auflagen oder Verbote im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechts (vgl Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 148 Rz 28 mwN der zweitinstanzlichen Rsp).
4. Da es bei der Ausübung des Besuchsrechts nicht darauf ankommt, was dem Kindeswohl abstrakt entsprechen könnte, sondern darauf, was ihm nach der Lage des Einzelfalls tatsächlich entspricht (1 Ob 756/81 = EFSlg 38.232 = RZ 1982, 57 RIS-Justiz RS0047994), bedarf es auch keiner allgemeinen, nicht fallbezogenen Erörterung haftungsbegründender Gefahrvermeidungs- und Gefahrabwendungspflichten (zu diesem Verständnis von Verkehrssicherungspflichten siehe Harrer in Schwimann ABGB³ § 1295 Rz 41). Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen, ohne dass es noch einer weiteren Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 AußStrG).
5. Auch im Verfahren außer Streit gilt, dass jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht (vgl RIS-Justiz RS0007007). Weitere Rechtsmittelschriften und Rechtsmittelgegenschriften, Nachträge oder Ergänzungen sind unzulässig. Die Ergänzung des Revisionsrekurses vom 8. 8. 2011 und die Stellungnahme der Kindesmutter zur Revisionsrekursbeantwortung des Vaters sind daher ebenfalls zurückzuweisen.
6. Das AußStrG geht grundsätzlich von der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels aus; der Eintritt der Wirkungen eines Beschlusses wird bis zu dessen Rechtskraft gehemmt (§ 43 Abs 1 AußStrG). Das Gericht kann einem Beschluss aber gemäß § 44 AußStrG - sofern es sich nicht um eine Personenstandsache handelt - vorläufige Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit zuerkennen (RIS-Justiz RS0124572). Zuständig ist jeweils das Gericht, bei dem das Verfahren gerade anhängig ist (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 44 Rz 4). Mit der Zustellung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofs wird die Entscheidung formell rechtskräftig, sodass deren Wirkungen eintreten. Eine vorläufige Wirksamkeitserklärung der Entscheidung zweiter Instanz im Sinne des § 44 AußStrG erübrigt sich damit, weswegen der Antrag des Vaters abzuweisen ist.
7. In Verfahren über die Ausübung des Rechts auf persönlichen Verkehr findet ein Kostenersatz nicht statt (§ 107 Abs 3 AußStrG). Es ist daher auszusprechen, dass der Vater die Kosten seiner Revisionsbeantwortung selbst zu tragen hat.
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