OGH 3Ob115/11z

OGH3Ob115/11z12.10.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein W*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Ulm Rechtsanwalt-GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei „W*****“ *****Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Gerhard Mitterböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. April 2011, GZ 39 R 31/11i‑15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom 15. November 2010, GZ 34 C 124/10t‑11, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2011:0030OB00115.11Z.1012.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufunsgurteil wird dahin abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.963,16 EUR (darin enthalten 796 EUR USt und 185 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 7. Oktober 1985 schlossen Gertrude B***** bezeichnet als Verpächterin und ihre Mutter Franziska B***** bezeichnet als Hauseigentümerin einerseits, sowie die als Bestandnehmerin bezeichnete Beklagte andererseits einen so bezeichneten Bestandvertrag. Die Beklagte ist seither Bestandnehmerin des Bestandobjekts im 20. Wiener Gemeindebezirk mit einem Restaurant im Erdgeschoss mit separatem Eingang, bestehend aus Gasträumen, Küche, WC‑Anlagen, Personalbereich und Gastgarten, samt im Keller befindlichen Lagerräumen, das (nunmehr) im Eigentum der Klägerin steht.

Auf der gegenständlichen Liegenschaft war ursprünglich ein Zinshaus errichtet, in dessen Erdgeschoss sich seit etwa 1907 ein Gasthausbetrieb befand, der seit damals durchgehend, später als Restaurant geführt und um einen Gastgarten erweitert wurde. In den 1960iger Jahren begann Gertrude B***** mit ihrer Mutter, der damaligen Eigentümerin der Liegenschaft, die Mietwohnungen im Zinshaus in (zuletzt) 30 Hotelzimmer umzubauen, die im Rahmen einer Halbpension vermietet wurden. Den Gästen war es wegen eines unmittelbaren Durchgangs im Inneren möglich, im Restaurant zu frühstücken und zu essen; gekocht wurde aber auch für die Laufkundschaft.

1985 konnten im Restaurant einerseits 70 bis 80 Personen im Gastgarten sitzen und im Lokal etwa 120 Personen. Es gab einen gewachsenen Kundenstock bestehend aus den Hotelgästen und Laufkundschaft. Damals waren im Restaurant ein Kühlhaus für die Küche und für die Schank vorhanden; die Küche war voll eingerichtet. Die Inneneinrichtung des Lokals war etwa 10 Jahre alt und aus Eiche.

Bei Abschluss des gegenständlichen Bestandvertrags war Franziska B***** Alleineigentümerin der Liegenschaft, aufgrund ihres Alters jedoch nicht mehr im Restaurant tätig, das ihre Tochter allein führte und ebenso das Hotel. Sie verfügte auch über die notwendige Konzession. Es war allen klar, dass die Tochter als Konzessionärin beide Betriebe führt; sie wollte damals das Objekt verpachten und beabsichtigte nicht, jemals wieder selbst das Restaurant zu führen, sondern die Liegenschaft zu verkaufen und in Pension zu gehen. Ob die Beklagte ihr das Objekt im Anlassfall als lebendes Unternehmen zurückgeben werde oder nicht, war ihr deshalb nicht mehr so wichtig; die Beklagte sollte bis zum Verkauf das Restaurant führen und den Pachtzins zahlen. Wichtig war ihr, dass sie ihren Pächter (abgesehen vom Kündigungsverzicht) jederzeit kündigen könne.

Ursprünglich war zwischen Gertrude B***** und der Beklagten geplant, dass nur die beiden einen Pachtvertrag abschließen und dass der Pachtschilling in Höhe von 30.000 ATS zur Gänze an die Bestandgeberin bezahlt werden soll. Da jedoch kurz vor Abschluss die Mutter Bedenken äußerte, dass ihre Tochter den gesamten Pachtschilling vereinnahmen, ihr jedoch nichts geben werde, wurde beschlossen, auch die Liegenschaftseigentümerin zur Hälfte an diesem Pachtschilling zu beteiligen und sie in den Vertrag mit aufzunehmen. So wurde in den Bestandvertrag auch die Liegenschaftseigentümerin aufgenommen und im Punkt Drittens vereinbart, dass die Beklagte monatlich an „Mietzins“ 15.000 ATS an die Mutter und 15.000 ATS an „Pachtschilling“ an die Tochter zu leisten hat.

Der Bestandvertrag vom 7. Oktober 1985 (./1) lautet im Übrigen auszugsweise:

Erstens: […] Die Verpächterin betreibt […] neben dem Hotel […] das Gast- und Schankgewerbe [...]. Die Verpächterin ist aufgrund des mit der Hauseigentümerin bestehenden Vertragsverhältnisses zum Abschluss dieses Bestandvertrages berechtigt.

Die Bestandnehmerin sichert ausdrücklich zu, sämtliche für die Ausübung des Gastgewerbes (§§ 189 ff GewO) vorgesehenen Voraussetzungen zu erbringen, sie hat selbst für die Erwirkung der zur Betriebsführung erforderlichen Gewerbeberechtigung zu sorgen.

Zweitens: Die Hauseigentümerin vermietet und die Bestandnehmerin mietet die [...] Räumlichkeiten, und die Verpächterin verpachtet und übergibt der Bestandnehmerin und diese pachtet und übernimmt von jener den in vorgenannten Räumlichkeiten von ihr geführten Betrieb zum Zwecke der Ausübung des Gastgewerbes durch die Bestandnehmerin auf eigene Rechnung im eigenen Namen.

Gegenstand der Verpachtung sind auch die anlässlich der Übernahme des Bestandobjekts zu erfassenden und in einer Inventarliste […] festzuhaltenden Betriebseinrichtungen.

[…]

Fünftens: Die Bestandnehmerin verpflichtete sich, den gastgewerblichen Betrieb unter Beachtung sämtlicher einschlägiger, gesetzlicher, behördlicher und gerichtlicher Vorschriften und Anordnungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu führen. Sie verpflichtete sich insbesondere […]

b) nach Beendigung dieses Bestandvertrages das Bestandobjekt auf ihre Kosten in dem Zustand, in dem sie es übernommen hat, jedoch unter Bedachtnahme auf die sich beim ordentlichen Gebrauch ergebende Abnützung, an die Verpächterin oder an die Hauseigentümerin zu übergeben, wobei Veränderungen, denen die Verpächterin und die Hauseigentümerin ausdrücklich zustimmen oder zugestimmt haben, nicht in den vorherigen Zustand versetzt werden müssen;

c) allen, sich aus dem gastgewerblichen Betrieb ergebenden Verbindlichkeiten fristgerecht nachzukommen und die Verpächterin hinsichtlich jeglicher Verbindlichkeiten, für die auch sie in Anspruch genommen werden kann, jederzeit vollständig schad- und klaglos zu halten; [...]

e) den gastgewerblichen Betrieb abgesehen von üblichen Urlaubssperren und einem wöchentlichen Sperrtag das ganze Jahr hindurch geöffnet und in Betrieb zu halten (Betriebspflicht); [...]

Sechstens: […] Die Bestandnehmerin ist berechtigt, die von ihr eingebrachten Gegenstände nach Beendigung des Bestandverhältnisses wegzunehmen, soferne diese ohne Schädigung der Substanz entfernt werden können (zB Vitrinen udgl). In diesem Fall ist in den betroffenen Bereichen der Vorzustand wiederherzustellen (Ausbesserung der Mauer etc).

Siebentens: Dieses Bestandverhältnis beginnt am 7. Oktober 1985 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen; es kann von jedem Vertragsteil unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist zum 30. Juni oder 31. Dezember eines jeden Jahres mittels eingeschriebenen Briefes aufgekündigt werden. [...]

Alle Vertragsparteien verzichten auf die Aufkündigung dieses Bestandverhältnisses vor dem 31. Dezember 1995.

Die Verpächterin und die Hauseigentümerin räumen der Bestandnehmerin jedoch das Recht ein, durch einseitige bis 30. Juni 1995 abzugebende Erklärung, den allseitigen Verzicht der Vertragsparteien auf die Auflösung des Bestandverhältnisses bis 31. Dezember 2000 zu verlängern.

Achtens: Die Verpächterin und die Hauseigentümerin sind - unbeschadet des Punkt siebentens - berechtigt, das Bestandverhältnis mit sofortiger Wirkung aufzulösen, wenn

a) der Bestandnehmerin die Ausübung des Gewerbes rechtskräftig untersagt bzw die Gewerbeberechtigung rechtskräftig entzogen wurde; […]

Neuntens: Die Verpächterin und Hauseigentümer verpflichteten sich, ob den in Punkt 1 genannten Liegenschaften insbesondere im Rahmen des derzeitigen Hotelbetriebes kein Gastgewerbe zu betreiben. Die Verpächterin und Hauseigentümerin werden das Hotel ausschließlich als Frühstückspension führen. Die Bestandnehmerin verpflichtet sich ihrerseits zur gastronomischen Betreuung der Hotelgäste im Rahmen ihres Gewerbebetriebes. […]

Sechzehntens: Sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag gehen allseits auf die Gesamtrechtsnachfolger über. Die Verpächterin und die Hauseigentümerin verpflichten sich, sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Bestandvertrag auf ihre Einzelrechtsnachfolger zu überbinden.

Die Bestandnehmerin ist berechtigt, ihr Gewerbe, die gemieteten Räumlichkeiten und den verpachteten Betrieb innerhalb derzeit bestehender und künftig allenfalls noch zu gründender Konzernbetriebe weiter- bzw. unterzuverpachten.

Die Verpächterin und die Hauseigentümerin haften für die Erfüllung aller in diesem Vertrag übernommenen Verpflichtungen als Solidarschuldner zur ungeteilten Hand. [...]“

 

Die Beklagte hätte ohne Umbauten sofort eine Gastwirtschaft führen können, wollte aber die Gasträumlichkeiten umbauen. Die Kühlhäuser wurden im Wesentlichen durch die Beklagte weiterverwendet. Die genannte Inventarliste enthält nur eine Eiswürfelerzeugungsmaschine, obwohl ein voll eingerichtetes Restaurant übergeben wurde.

Am 19. Dezember 1986 übergab die Mutter ihrer Tochter einen Viertelanteil an der Liegenschaft, worauf am 21. Dezember 1998 Franziska und Gertrude B***** gemeinsam an den klagenden Verein die gegenständliche Liegenschaft verkauften. Der Hotelbetrieb wurde schon ab 1. November 1998 eingestellt. Im Kaufvertrag wurde auch festgehalten, dass die Käuferin den gegenständlichen Bestandvertrag kennt und in diesen vollinhaltlich eintritt.

Mit Schreiben vom 30. Mai 1995 übte die Beklagte ihre Option aus, sodass der Kündigungsverzicht bis 31. Dezember 2000 verlängert wurde. Am 12. Juni 2006 schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung „zum Pachtvertrag“ unter der Bezeichnung des Klägers als Verpächter und der Beklagten als Pächterin ab. Es wurde vereinbart, dass die Vertragsparteien bis zum 29. Juni 2008 ausdrücklich auf ihr ordentliches Kündigungsrecht verzichten. Die übrigen Bestimmungen „des Pachtvertrages“ vom 7. Oktober 1985 sollten aufrecht bleiben.

Mit Schreiben vom 25. Mai 2009, der Beklagten jedenfalls vor dem 30. Juni 2009 zugegangen, erklärte die Klägerin, die Kündigung des Bestandvertrags per 31. Dezember 2009 unter Einhaltung der Kündigungsfrist von sechs Monaten. Diese Aufkündigung wurde eingeschrieben an die Beklagte übermittelt. Die Beklagte hat das Bestandobjekt bis dato nicht zurückgestellt.

Der Kläger begehrt Räumung des Bestandobjekts unter Berufung auf die bereits zum 31. Dezember 2009 erfolgte Kündigung. Der Bestandvertrag sei als Pachtvertrag zu qualifizieren. Es sei die Betriebspflicht der Beklagten und die Beschränkung des Hotelbetriebs auf eine Frühstückspension vereinbart worden. Die vorgesehene Bezahlung von Mietzins an die Vermieterin Franziska B***** sei nur in den Vertrag aufgenommen worden, um eine Direktzahlung an diese zu ermöglichen. Ungeachtet des vereinbarten befristeten Kündigungsverzichts sollte kein Mieterschutz nach MRG eingeräumt werden. Die Beklagte sei ‑ wie zahlreichen schriftlichen Erklärungen zu entnehmen sei ‑ bis 2009 davon ausgegangen, ein Pachtverhältnis eingegangen zu sein.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Es sei von zwei getrennten Verträgen auszugehen, und zwar von einem unbefristeten Pachtvertrag zwischen Gertrude B***** und der Beklagten und einem unbefristeten, dem MRG unterliegenden Mietvertrag über die Geschäftsräumlichkeit mit deren Mutter als Hauseigentümerin. Nur das Pachtverhältnis sei vom Kläger als Rechtsnachfolger auf Bestandgeberseite aufgekündigt worden. Mangels Vorliegens von Kündigungsgründen sei eine Kündigung des Mietvertrags zum 31. Dezember 2009 auch gar nicht möglich und behauptet, sodass dieser nach wie vor aufrecht sei. Von einer titellosen Benützung des Bestandobjekts durch die Beklagte könne daher keine Rede sein. Von einer Unternehmenspacht sei deshalb nicht auszugehen, weil als Inventar nur eine Eiswürfelerzeugungsmaschine übergeben, keine Verpflichtung zur Rückgabe eines lebenden Unternehmens vereinbart und die gesamte Einrichtung von der Beklagten gestellt worden sei. Im von der Beklagten geführten Restaurant sei niemals das Frühstück für das Hotel zubereitet worden, es sei aber nicht nur Hotelgästen offen gestanden. Die beiden Betriebe seien von jeher getrennt gewesen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es ging im Wesentlichen von dem eingangs dargestellten Sachverhalt aus und beurteilte diesen rechtlich dahin, dass die wesentlichen Kriterien für einen Pachtvertrag erfüllt seien. Es habe ein lange durchgehend geführter, vollständig eingerichteter Gasthaus-/Restaurantbetrieb mit entsprechendem Kundenstock (somit ein lebendes Unternehmen) bestanden, das sofort weitergeführt hätte werden können und für das Betriebspflicht vereinbart gewesen sei. Die Beklagte habe eingebrachte Gegenstände bei Rückstellung zwar wegnehmen dürfen, jedoch den Vorzustand wieder herstellen müssen. Der Umstand, dass Gertrude B***** die Rückgabe eines lebenden Unternehmens nicht so wichtig gewesen sei, schade in Anbetracht der zuvor genannten Kriterien nicht. Es sei vertraglich sichergestellt worden, dass vielleicht nicht das gesamte Inventar, aber doch ein durchgehend geführtes Unternehmen, das auch ohne große Umbauarbeiten als solches weiterbetrieben werden könne, zurückgestellt werden müsse. Das gelte für beide Bestandgeberinnen. Abgesehen davon stehe die festgestellte Absicht hinter der Aufnahme der Franziska B***** in den Vertrag dem Zweck des Vertrags, nämlich die Weitergabe des Restaurants samt Betriebspflicht und damit dessen Qualifikation als einheitlicher Pachtvertrag nicht entgegen. Die Kündigung durch die Klägerin sei daher rechtswirksam erfolgt.

Der Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht Folge und änderte das Ersturteil in eine Klagsabweisung ab. Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.

Möge auch ursprünglich vorgesehen gewesen sein, dass nur die Tochter auf Bestandgeberseite allein als „Verpächterin“ abschließe, so sei mangels Behauptung und Feststellung, dass zwischen den Parteien abweichend von der schriftlichen Vertragsurkunde aufgrund eines übereinstimmenden Parteiwillens noch anders lautende oder zusätzliche mündliche Vereinbarungen getroffen worden wären, zur Beurteilung der vertraglichen Qualifikation der Inhalt des Bestandvertrags maßgebend. Danach habe die Beklagte aber unzweifelhaft gesondert einerseits von der Liegenschaftseigentümerin entgeltlich Räumlichkeiten und Freiflächen und andererseits von deren Tochter das von dieser „aufgrund des mit der Hauseigentümerin bestehenden Vertragsverhältnisses“ an diesem Standort bisher geführte Gast- und Schankgewerbeunternehmen entgeltlich in Bestand genommen. Die bloße Inbestandgabe von Räumlichkeiten und Freiflächen zum Betrieb eines Unternehmens sei aber rechtlich eindeutig als Geschäftsraummiete zu qualifizieren. Die Beklagte sei damit schon aufgrund des zwischen ihr und der Liegenschaftseigentümerin geschlossenen Vertrags (unabhängig von dem mit der Tochter abgeschlossenen Vertragsteil über das Gastgewerbeunternehmen) Hauptmieterin der zur Führung des Restaurants bestimmten Räumlichkeiten sowie des Gastgartens geworden. Gemäß § 1 Abs 1 MRG unterliege ein derartiger Mietvertrag den Bestimmungen des MRG und könne vom Vermieter nur unter den in den §§ 29 und 30 MRG genannten Gründen aufgelöst werden. Mangels einer den Bestimmungen des MRG entsprechenden wirksamen Aufkündigung des bestehenden Mietvertrags oder einer Vertragsauflösung nach § 1118 ABGB erweise sich die vorliegende Räumungsklage somit als unberechtigt.

Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil die Entscheidung wegen der speziellen Vertragsauslegung in ihrer Bedeutung über den konkreten Einzelfall nicht hinausgehe.

Dagegen erhob der Kläger eine außerordentliche Revision mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Stattgebung der Räumungsklage, hilfsweise Aufhebung. Es sei nach dem Willen der Parteien von einem einheitlichen Bestandvertrag auszugehen, der wegen Übergabe eines lebenden Unternehmens samt Kundenstock und der Weiterverwendung der Kühlhäuser sowie der vereinbarten Betriebspflicht als wesentlichstes Kriterium als Unternehmenspacht einzuordnen sei. Die Trennung auf der Bestandgeberseite sei nur aus für das Vertragsverhältnis irrelevanten persönlichen Gründen erfolgt. Jedenfalls sei ein einheitliches Bestandverhältnis auf die Klägerin übergegangen.

Die Beklagte trat dem in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung entgegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht wesentliche Feststellungen zur Parteienabsicht übergangen und so zu einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung gelangte; sie ist deshalb auch berechtigt.

1. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Zur Besonderheit der Aufnahme von zwei Bestandgeberinnen in den Vertrag und deren Unterscheidung in Vermieterin und Verpächterin hat das Erstgericht (S 13) vom Berufungsgericht (S 9) übernommene Feststellungen getroffen. Danach war ursprünglich zwischen der Tochter und der Beklagten geplant, nur zwischen diesen beiden einen Pachtvertrag abzuschließen. Da jedoch kurz vor Abschluss die Mutter Bedenken äußerte, dass ihre Tochter den gesamten Pachtschilling vereinnahmen, ihr jedoch nichts geben werde, entschloss man sich, auch die Liegenschaftseigentümerin zur Hälfte an diesem Pachtschilling zu beteiligen und sie in den Vertrag mitaufzunehmen. Damit steht aber fest, dass mit der Einbeziehung der Liegenschaftseigentümerin in den Vertragstext von den vertragsschließenden Parteien weder beabsichtigt war, den bereits in Aussicht genommenen Vertrag zwischen der Tochter und der Beklagten in seiner Rechtsnatur, also inhaltlich zu ändern. Es ist daher davon auszugehen, dass es ungeachtet der Textierung des letztlich von allen unterfertigten und gesplitteten Bestandvertrags Absicht auch der Beklagten war, einen einheitlichen Bestandvertrag, und zwar einen Pachtvertrag, abzuschließen. Dem entspricht nicht nur die Diktion des Vertragstextes in Ansehung der Tochter, sondern auch die folgende Bewertung des Vertragsinhalts:

3.1. Zur Abgrenzung von Geschäftsraummiete und Unternehmenspacht besteht eine umfangreiche ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach es dafür auf die Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls ankommt und sich keine festen, allgemein anwendbaren Regeln aufstellen lassen (RIS-Justiz RS0031183). Unternehmenspacht liegt im Allgemeinen vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrags ist. Neben den Räumen muss dem Bestandnehmer vom Bestandgeber auch das beigestellt werden, was wesentlich zum Betrieb des Unternehmens gehört: Betriebsmittel (Einrichtung und Warenlager), Kundenstock und Gewerbeberechtigung, wobei nicht alle Merkmale gegeben sein müssen. Trotz Fehlens einzelner für die Unternehmensüberlassung charakteristischer Merkmale liegt Pacht vor, wenn nur die übrigen Betriebsgrundlagen vom Bestandgeber beigestellt werden und das lebende Unternehmen als rechtliche und wirtschaftliche Einheit fortbesteht (3 Ob 145/08g mwN; RIS-Justiz RS0020398); es kommt dann bei der Abgrenzung darauf an, welchen Umständen die größere wirtschaftliche Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0020521).

Im Allgemeinen ist die Vereinbarung einer Betriebspflicht das wesentlichste Kriterium für die Qualifikation als Pachtvertrag, sofern das auf einem wirtschaftlichen Interesse des Bestandgebers an der Art des Betriebs und an seinem Bestehen (RIS-Justiz RS0020451 [T6]) sowie seiner Weiterführung beruht, nicht aber schon dann, wenn eine solche in den Vertrag als Leerformel ohne echtes Substrat aufgenommen wird (RIS-Justiz RS0020361). Die Vereinbarung einer Betriebspflicht im Rahmen einer Unternehmenspacht dient in erster Linie dazu, zu gewährleisten, dass dem Verpächter bei Beendigung des Pachtverhältnisses ein lebendes und ertragsfähiges Unternehmen zurückgestellt wird (RIS-Justiz RS0020361 [T4]; RS0020598 [T1]). Ihre Vereinbarung gibt in der Regel den Ausschlag (RIS-Justiz RS0020451 [T9]), darf aber auch nicht überbewertet werden und führt jedenfalls nicht automatisch zur Beurteilung des Vertrags als Pachtvertrag (RIS-Justiz RS0020451 [T12]).

3.2. Im vorliegenden Fall wurde der Beklagten zweifellos ein lebendes Unternehmen überlassen: Es handelte sich um einen seit vielen Jahrzehnten ununterbrochen geführten Gasthaus-/Restaurantbetrieb samt Kundenstock, der sich nicht nur aus den Gästen des im selben Haus befindlichen Hotels, sondern ebenso auch aus der allgemeinen Laufkundschaft zusammensetzte. Das Unternehmen war so ausgestattet, dass die Beklagte ohne Umbauten sofort eine Gastwirtschaft führen hätte können; daran vermag auch der bloße Umstand nichts zu ändern, dass die bei Vertragsabschluss aufgenommene Inventarliste nur eine Eiswürfelerzeugungsmaschine ausweist, zumal ja feststeht, dass von der Beklagten beide vorhandenen Kühlhäuser weiterverwendet wurden. Der Neugestaltung des Geschäftslokals durch die Beklagte kommt keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu, weil sich dadurch am Unternehmensgegenstand nichts geändert hat.

Richtig ist, dass die Beklagte keine Verpflichtung zur Rückstellung eines „lebenden“ Unternehmens eingegangen ist; vielmehr ist sie berechtigt, die von ihr eingebrachten Gegenstände (dh auch die Einrichtung) nach Beendigung des Bestandverhältnisses ohne Substanzschädigung zu entfernen. In diesem Zusammenhang steht aber auch fest, dass es der Tochter als Bestandgeberin nicht so wichtig war, ob die Beklagte ihr das Objekt im Anlassfall als lebendes Unternehmen zurückgeben werde oder nicht, weil sie langfristig beabsichtigte, die Liegenschaft zu verkaufen. In diesem Zusammenhang ist der vereinbarten Betriebspflicht für die Beklagte nicht jedes wirtschaftliche Interesse der Bestandgeberin abzusprechen. Als wirtschaftlicher Zweck der Betriebspflicht lässt sich nämlich nicht nur die „gastronomische Betreuung“ der Gäste des von der Bestandgeberin weiter betriebenen Hotels, zu der sich die Beklagte ausdrücklich verpflichtete, erkennen, sondern auch der aus dem Betrieb eines lebenden Unternehmens resultierende Mehrwert der Liegenschaft, deren Verkauf ja von Bestandgeberseite her angestrebt war (und später ja tatsächlich erfolgte).

Soweit die Beklagte als sekundären Feststellungsmangel geltend machte, allen Beteiligten sei klar gewesen, dass die Beklagte auch am vorhandenen Kundenstock des geschlossenen Gasthauses kein Interesse gehabt habe, sondern nur an den Gasthausräumlichkeiten, übersieht sie, dass dazu in erster Instanz kein Vorbringen von ihr erstattet wurde. Daher hatte das Erstgericht keine Feststellungen zu diesem Thema zu treffen. Es kann auch von der Offenkundigkeit dieser Behauptungen keine Rede sein, weil wohl auch ein „Restaurant der Systemgastronomie“ großes wirtschaftliches Interesse daran haben wird, ein eingeführtes und gut gehendes Unternehmen übernehmen zu können. Gegen mangelndes Interesse am bestehenden Restaurantbetrieb spricht schließlich auch das für die Bestandgeberseite in den Vertrag aufgenommene Konkurrenzverbot, das ihr untersagt, im Rahmen des verbleibenden Hotelbetriebs ein Gastgewerbe zu betreiben, womit der übernommene Kundenstock gesichert werden konnte.

Eine (gar nicht feststehende) nur vorübergehende Stilllegung des Unternehmens (allenfalls im Zusammenhang mit den Umbaumaßnahmen der Beklagten) hindert nicht die Annahme einer Unternehmenspacht, wenn ein zu aktivierender Kundenstock vorhanden ist und einer jederzeitigen Wiederaufnahme des Betriebs nichts im Wege steht (RIS‑Justiz RS0020528), was hier der Fall war.

3.3. Nach den feststehenden Umständen des vorliegenden Einzelfalls liegt der wirtschaftliche Schwerpunkt des strittigen Bestandvertrags und damit dessen von beiden Seiten angestrebter Zweck ‑ wie vor allem die nicht als bloße Leerformel vereinbarte Betriebspflicht zeigt ‑ in der Überlassung und Weiterführung eines bestehenden, lange eingeführten Betriebs durch die Beklagte. Der Bestandvertrag vom 7. Oktober 1985 ist somit als einheitlicher Unternehmenspachtvertrag zu qualifizieren, der nicht den mietrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen unterliegt. Die vom Kläger als Rechtsnachfolger vorgenommene Kündigung erweist sich deshalb als wirksam, weshalb das Ersturteil wiederherzustellen war.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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