Spruch:
1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von A***** B***** AG auf A***** AG berichtigt.
2. Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 768,24 EUR (darin enthalten 128,04 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Zu 1.: Die Änderung der Firma der Beklagten ergibt sich aus dem Firmenbuch (FN ***** Handelsgericht Wien), weshalb die Parteibezeichnung auf Antrag der Beklagten gemäß § 235 Abs 5 ZPO richtigzustellen ist.
Zu 2.: Im Auftrag der Klägerin erwarb die Rechtsvorgängerin der Beklagten Anfang März 2008 10.000 Stück des Wertpapiers „Real Estate Revival Garant“ um 10.350 EUR. Das Wertpapier war eine Unternehmensanleihe der „L*****-Gruppe“ (damals eine der fünf weltgrößten Bankgruppen) und verbriefte einen Anspruch auf Rückzahlung eines Geldbetrags, dessen Höhe von den Schwankungen eines „Aktienkorbes“ von acht europäischen Immobilienunternehmen abhängig gemacht war. Der Klägerin, die keinerlei Erfahrung mit Wertpapieren hatte, war von einem Bekannten, der als Vermögensberater für das konzessionierte Wertpapierdienstleistungsunternehmen C***** GmbH (im Folgenden C*****) tätig war, der Kauf des Wertpapiers empfohlen und ein Werbeprospekt der Beklagten übergeben worden. In diesem Werbeprospekt wurde dem Wertpapier „100 Prozent Kapitalgarantie zum Laufzeitende“ bescheinigt, wodurch es „kein Verlustrisiko“ gebe. Die in der Werbebroschüre auch als Garantin bezeichnete Emittentin der Anleihe gehörte dem Konzern der tatsächlichen Garantiegeberin, der US-amerikanischen Investmentbank L***** Inc an. Ende September 2008 wurde diese Investmentbank samt den mit ihr verbundenen Unternehmen auch für Fachkreise überraschend insolvent. Die von der Klägerin erworbenen Wertpapiere wurden dadurch praktisch wertlos.
Die Klägerin begehrt die Erstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübertragung der von ihr erworbenen Wertpapiere, in eventu a) die Zahlung der sich am 12. 3. 2013 ergebenden Differenz zum Verkaufserlös, b) den Ersatz des Schadens aus einem am 12. 3. 2013 unter dem Ankaufspreis liegenden Erlös und c) die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden, die ihr aus dem Ankauf der Wertpapiere entstünden. Die Klägerin habe aufgrund des Werbeprospekts der Beklagten glauben müssen und auch geglaubt, dass das Wertpapier von dieser begeben werde. Die Beklagte hafte der Klägerin für den Vertrauensschaden, der ihr durch die unrichtigen Angaben im Werbeprospekt entstanden sei. Der Vertrag werde wegen Irrtums angefochten, weil entgegen der Darstellung im Werbeprospekt der Klägerin ein Verlustrisiko bestanden habe. C***** sei der Beklagten als Erfüllungsgehilfin zuzurechnen. Die Beklagte habe gegen mehrere Schutzgesetze verstoßen; die Klägerin begehre daher als Schadenersatz Naturalrestitution. Obwohl das Wertpapier prospektpflichtig gewesen sei, habe es keinen entsprechenden Prospekt gegeben; jedenfalls sei ein solcher aber nicht ordnungsgemäß veröffentlicht worden. Weder der Basisprospekt noch die endgültigen Bedingungen seien bei der OeKB hinterlegt worden. Die Klägerin trete daher nach § 5 Abs 1 KMG vom Vertrag zurück.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Werbeprospekt mit der Betonung einer 100%igen Kapitalgarantie und der Behauptung, dass kein Verlustrisiko bestehe, sei irreführend gewesen. Aufgrund des von der Beklagten veranlassten wesentlichen Geschäftsirrtums sei das auf Aufhebung des Vertrags ex tunc gerichtete Klagehauptbegehren berechtigt.
Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es das Haupt- und die Eventualbegehren abwies. Der Werbeprospekt der Beklagten sei nicht irreführend gewesen, weil ihm nicht zu entnehmen sei, dass die Beklagte für den Fall der Insolvenz der Wertpapieremittentin eine Kapitalgarantie übernehme. Auf ein bloß theoretisches, selbstverständliches Insolvenzrisiko habe die Beklagte die Klägerin nicht hinweisen müssen. Mit C***** habe die Beklagte bloß eine Vertriebsvereinbarung abgeschlossen gehabt. Sie habe vom Interesse der Klägerin am Wert der Wertpapiere erst durch deren Antrag zur Depoteröffnung erfahren. Sie habe sich daher nicht des Vermögensberaters der C***** zur Erfüllung eigener vertraglichen Pflichten bedient und habe daher für dessen allfällige Falschberatung nicht einzustehen. Schließlich lägen die Voraussetzungen eines Rücktritts der Klägerin nach § 5 Abs 1 KMG nicht vor. Für eine Veröffentlichung des prospektpflichtigen Angebots der Beklagten reiche es im Sinn des § 10 Abs 3 KMG schon aus, wenn der Prospekt in elektronischer Form auf der Internetseite des geregelten Markts, für den die Zulassung zum Handel beantragt wurde, veröffentlicht worden sei. Der Basisprospekt sei bei der OeKB hinterlegt worden, die FMA habe der OeKB eine Bestätigung der Nostrifizierung übermittelt. Damit habe der Prospekt gemäß § 8b Abs 1 KMG als gebilligt gegolten. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückabwicklung des Kaufvertrags.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Frage, ob die Wertpapiere verkaufende Bank auch dann zu einer umfassenden Beratung des Kunden verpflichtet sei, wenn dieser bereits einen Vermögensberater beigezogen habe und die Bank vom Kunden erstmals mit dessen Kaufanbot kontaktiert werde und ob das Bankunternehmen für Versäumnisse des Vermögensberaters einzustehen habe, sei eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden, Ausspruch des Berufungsgerichts ist die von der Klägerin erhobene Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgebend (RIS-Justiz RS0112921; RS0112769). Inzwischen wurden alle in der Revision aufgeworfenen, von der Klägerin für erheblich erachteten Rechtsfragen vom Obersten Gerichtshof in ganz vergleichbaren, von geschädigten Anlegern jeweils gegen die Beklagte angestrengten Verfahren bereits beantwortet. Diesen „Parallelverfahren“ lag zwar jeweils der Kauf eines anderen, von derselben Emittentin ausgegebenen Wertpapiers, nämlich des „D*****“ zugrunde. Der vorliegende Fall ist aber völlig gleich gelagert wie die bereits entschiedenen Verfahren. Dies wird insbesondere auch dadurch deutlich, dass die Klägerin im Wesentlichen die gleichen Einwendungen erhebt, wie die geschädigten Anleger in den anderen Verfahren. Soweit diese durch dieselben Anwälte vertreten wurden, wie nun die Klägerin, sind die Revisionsausführungen passagenweise sogar wortgleich. Auch die beiden Werbeprospekte der Beklagten sind ganz gleich gestaltet. Die hinsichtlich der Werbebroschüre für das Wertpapier „D*****“ angestellten Erwägungen gelten in gleicher Weise für den der Klägerin übergebenen Werbeprospekt. Die Verneinung einer Irreführung der Klägerin durch die Werbebroschüre der Beklagten steht daher im Einklang mit oberstgerichtlicher Judikatur:
Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 4 Ob 20/11m insbesondere zu dieser Frage Stellung genommen und unter Darlegung der von der Rechtsprechung zur konkreten Ausgestaltung und zum Umfang der Beratungspflichten im Vorfeld von Effektengeschäften entwickelten Grundsätze und Literaturmeinungen ausgeführt, die Beklagte habe im Hinblick auf die Einschätzung der Finanzkraft der L***** Gruppe durch die Fachkreise davon ausgehen dürfen, dass das Bonitätsrisiko (Insolvenzrisiko) bloß theoretischer, vernachlässigbarer Natur sei (so auch schon der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 4 Ob 176/10a ÖBA 2011/1705, 265 = ZfR 2011/42, 89 betreffend dasselbe Zertifikat). Im Hinblick auf das exzellente Rating sei die in der Werbebroschüre in Form des Ratings enthaltene Information über die Bonität der Emittentin/Garantin ausreichend gewesen und es habe keiner darüber hinausgehenden Aufklärung der Kläger über das allgemeine Bonitätsrisiko bedurft. Aufklärungspflichten seien daher von der Beklagten nicht verletzt worden, weshalb das auf Irrtum und Schadenersatz gestützte Begehren unberechtigt sei. Auf die Frage der Zurechnung des Verhaltens des das Geschäft vermittelnden konzessionierten Wertpapierdienstleistungsunternehmens (dort A***** GmbH) zur Beklagten komme es daher nicht weiter an.
Entsprechendes muss auch im vorliegenden, wie bereits gesagt, völlig gleichgelagerten Fall gelten. Die vom Berufungsgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage stellt sich demnach gar nicht. Dass ihr von ihrem bei C***** beschäftigten Vermögensberater von der Werbebroschüre der Beklagten abweichende Zusagen gemacht worden wären, hat die Klägerin nicht behauptet. War die Beklagte unter den gegebenen Umständen nicht verpflichtet, die Klägerin über das Risiko der Insolvenz der Emittentin und der Garantin aufzuklären, kann auch in der Nichterwähnung des Insolvenzrisikos durch den Vermögensberater kein Fehlverhalten erblickt werden, für das die Beklagte einstehen müsste.
Wie in den anderen Verfahren hat sich auch im vorliegenden Fall das Insolvenzrisiko verwirklicht. Darüber hatte die Beklagte die Klägerin, wie bereits erwähnt, nach nunmehriger gesicherter Rechtsprechung nicht aufzuklären (vgl RIS-Justiz RS0124492). Soweit sich die Klägerin darüber hinaus auf eine Verletzung von Aufklärungspflichten (insbesondere nach § 4 KMG und §§ 11 ff WAG alt) beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass diese behaupteten Unterlassungen und daraus allenfalls resultierende Fehlvorstellungen ohnehin nicht schlagend wurden (vgl 1 Ob 108/11f).
Daraus, dass die Emittentin in der Werbebroschüre auch als Garantin bezeichnet wurde, ist für die Klägerin im Hinblick auf die, wie die Revisionswerberin selbst betont, wesentlich größere wirtschaftliche Potenz der wahren Garantin (die „Konzerngroßmutter“) nichts zu gewinnen. Warum wegen einer von der Revisionswerberin behaupteten wirtschaftlichen Abhängigkeit der Emittentin von der Garantin „gar keine Garantie“ vorgelegen haben soll, ist nicht zu erkennen.
Im Übrigen hat die Klägerin behauptet, angenommen zu haben, dass die Beklagte selbst Garantin sei. Betreffend diesen Einwand gelangte der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 4 Ob 176/10a und nachfolgend in den Entscheidungen 4 Ob 20/11m und 1 Ob 108/11f zum Ergebnis, aus der Wertpapierbroschüre sei nicht zu schließen gewesen, dass die Beklagte selbst Garantin des beworbenen Produkts wäre. Da die der Klägerin übergebene Werbebroschüre ganz gleich gestaltet ist, muss dies auch im vorliegenden Fall gelten. Auch dass die im Werbeprospekt erwähnte 100%ige Kapitalgarantie nicht in dem von der Klägerin angestrebten Sinn Vertragsinhalt wurde und daher ein von der Klägerin auch noch in der Revision behaupteter Gewährleistungsanspruch nicht in Betracht kommt, hat der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits wiederholt ausgesprochen (4 Ob 20/11m; 5 Ob 56/11p; 1 Ob 108/11f).
Die Voraussetzungen des Rücktrittsrechts des Anlegers nach § 5 Abs 1 KMG hat der Oberste Gerichtshof schon in den Entscheidungen 8 Ob 38/11p, 5 Ob 56/11p und 1 Ob 108/11f dargestellt. Auf diese Ausführungen kann, wie bereits in der Entscheidung 7 Ob 79/11k, umso mehr verwiesen werden, als sowohl die Kläger als auch die Beklagte in diesen Parallelverfahren von denselben Anwälten vertreten wurden und weitestgehend gleich, passagenweise sogar wortgleich argumentierten wie hier. Im vorliegenden, auch betreffend die Veröffentlichungen des Basisprospekts und der Endgültigen Bedingungen völlig gleich gelagerten Fall genügt somit der Hinweis, dass die Frage eines Rücktrittsrechts des Anlegers nach § 5 KMG vom Obersten Gerichtshof bereits geprüft und auch dieser Einwand als unberechtigt erkannt wurde.
Die von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeit oder Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie eine Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 1, 3 und 4 ZPO) liegen, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Wie in den Verfahren 9 Ob 87/10z, 8 Ob 102/10y, 8 Ob 148/10p, 7 Ob 29/11g, 8 Ob 38/11p, 5 Ob 56/11p, 6 Ob 65/11v, 1 Ob 71/11i, 7 Ob 79/11k und 1 Ob 108/11f, in denen (ordentliche oder außerordentliche) Revisionen der Anleger (Kläger) mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen waren, ist daher auch im vorliegenden Fall die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 502 Abs 1 ZPO nicht gegeben. Die Revision der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihrer Prozessgegnerin hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)