OGH 14Os48/11g

OGH14Os48/11g30.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Steinbichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann H***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall, § 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 22. Dezember 2010, GZ 35 Hv 50/10t-165, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, im Umfang der Aufhebung eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann H***** (richtig:) des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter und dritter Fall, § 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er an nicht mehr feststellbaren Orten in Belgien, Holland, Spanien und Österreich

(I) einige Wochen vor dem 12. Juli 2006 den abgesondert verfolgten Andreas G***** durch Anwerben als LKW-Lenker und Mitorganisation des Suchtmitteltransports dazu bestimmt, dass dieser vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von 192 kg Cannabiskraut brutto (Reinsubstanz von 9,6 kg THC) und 599 kg Cannabisharz brutto (Reinsubstanz von 11,98 kg THC) als heimliche und undeklarierte Beifracht zu den in den Fracht- und Zollpapieren als Gesamtladung ausgewiesenen Tarnladungen des von ihm durchgeführten LKW-Transports aus Belgien aus- und nach England einzuführen versuchte, wobei das geschmuggelte Suchtgift von den englischen Zollbehörden sichergestellt wurde, und

(II) von Winter 2006/2007 bis Mitte März 2007 durch Absprache der Beladung des als Transportfahrzeug verwendeten Lastzugs mit Suchtgift in Holland und dessen Weitertransport mit nicht ausforschbaren Hintermännern und Andreas G***** dazu beigetragen, dass der abgesondert verfolgte - vom hiefür bereits rechtskräftig verurteilten Andreas G***** dazu bestimmte - Walter A***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von 104,4 kg Cannabiskraut brutto (Reinsubstanz von 5,22 kg THC) und 293,5 kg Cannabisharz brutto (Reinsubstanz von 5,87 kg THC) als heimliche und undeklarierte Beifracht von Holland nach Belgien einführte und in weiterer Folge über die Fährverbindung Zeebrugge-Hul von Belgien aus- und nach England einzuführen versuchte, wobei das geschmuggelte Suchtgift von den englischen Zollbehörden aufgegriffen wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt in Bezug auf den Schuldspruch I aus dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund Berechtigung zu.

Zur Klarstellung ist zunächst vorauszuschicken, dass § 28a Abs 1 SMG in Ansehung dessen zweiten und dritten Falles als alternatives Mischdelikt angelegt ist (RIS-Justiz RS0115527) und § 28a Abs 4 Z 3 SMG zudem eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für jeweils große Mengen darstellt, sodass die Ein- und Ausfuhr, begangen in Bezug auf Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge stets nur ein Verbrechen nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG begründet (RIS-Justiz RS0117464). Die rechtliche Beurteilung der den Schuldsprüchen I und II zugrunde liegenden Taten als jeweils ein Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 (zu I: zweiter und zu II: dritter Fall), § 15 StGB durch das Erstgericht ist demnach verfehlt (wie die Sanktionsrüge zutreffend aufzeigt übrigens ebenso die Annahme des Erschwerungsgrundes des Zusammentreffens von „vier Verbrechen“, US 23). Weil die einzelnen Straftaten rechtlich selbständig bleiben und deren Strafbarkeitsvoraussetzungen demnach gesondert zu prüfen sind, kann ungeachtet der Subsumtionseinheit ein Freispruch von einzelnen der solcherart rechtlich zusammengefassten Taten erfolgen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 568; derselbe in WK² § 29 Rz 7; Lendl, WK-StPO § 259 Rz 8).

Ausgehend davon zeigt die Verfahrensrüge (Z 4), soweit sie den Schuldspruch I betrifft, zutreffend auf, dass durch die Abweisung des Antrags auf Einholung eines kriminaltechnisch/chemischen Sachverständigengutachtens hinsichtlich des beschlagnahmten angeblichen Suchtgifts zum Beweis dafür, dass „es sich nicht um Suchtgift im Sinne des Suchtmittelgesetzes handelte“ (ON 164 S 6 ff), Verteidigungsrechte des Angeklagten verletzt wurden.

Zwar enthielt der Antrag nichts, was die Erwartung plausibel gemacht hätte, dass die begehrte Beweisaufnahme die Richtigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers, es habe sich bei den ein- und ausgeführten Substanzen um nicht suchtgifthältigen Industriehanf gehandelt, bestätigen würde. Fallbezogen bedurfte es eines derartigen Vorbringens jedoch nicht, weil in der Hauptverhandlung Verfahrensergebnisse für die - insoweit zudem offenbar unzureichend begründeten (Z 5 vierter Fall, vgl dazu die bloß auf den Schuldspruch II betreffende Beweisergebnisse Bezug nehmenden Ausführungen US 16 - 18) - gegenteiligen Urteilsannahmen nicht vorkamen. Dazu liegt vielmehr ausschließlich die beglaubigte Übersetzung der Zeugenaussage eines Beamten des Finanz- und Zollamts in Großbritannien, Philipp C*****, vor, die zwar Angaben zur Bruttomenge des als „Cannabisharz und Cannabis in Kräuterform“ bezeichneten sichergestellten Schmuggelguts, jedoch keine Beschreibung enthält, die Rückschlüsse auf dessen Zusammensetzung, Wirkstoff oder Qualität zulassen würden, und klarstellt, dass nach Enthaftung des Andreas G***** mangels ausreichender Beweise in Großbritannien beschlossen worden war, „bei der Untersuchung nichts weiter zu unternehmen, … weil das bisher erhaltene Material der Gerichtsmedizin und aus dem Ausland an sich nicht genügend Beweise lieferten, um G***** anzuklagen ...“ (ON 44). Einem im Ermittlungsverfahren an die britischen Behörden übermittelten entsprechenden Rechtshilfeersuchen wurde in diesem Punkt mit der Begründung nicht entsprochen, dass sich die Akten im Tiefspeicher befänden und es daher nicht möglich wäre, „eine Kopie des forensischen Berichts“ rechtzeitig für den Gerichtstermin in Österreich zu erhalten (ON 131 S 1 ff). Solcherart war die Tauglichkeit (und Durchführbarkeit) der beantragten Beweisführung für das erkennende Gericht ohne weiteres erkennbar, womit der Antrag keinen Erkundungscharakter trug (vgl für viele: 13 Os 15/07s mwN).

Entgegen der Mängelrüge, die den Einwand undeutlicher Urteilsannahmen (Z 5 erster Fall) prozessordnungswidrig aus einer einzelnen (anderen) Passage der Entscheidung (US 7) ableitet (RIS-Justiz RS0119370), wurden die Beitragshandlungen des Beschwerdeführers unmissverständlich festgestellt (vgl US 9, wonach er die wesentlichen Veranlassungen dafür getroffen hat, dass der LKW-Lenker [Walter A*****] die Ladung mit dem zu schmuggelnden Suchtgift „in Holland übergeben erhielt und auf seinen Lastzug aufgeladen bekam“, indem er auf nicht mehr näher feststellbare Weise Kontakt zu den Hintermännern herstellte und diese dazu veranlasste, die Suchtmittel zu organisieren und für den Schmuggel bereit zu stellen). Indem die Rüge diese Konstatierungen auch bei ihrer in diesem Zusammenhang aufgestellten Behauptung insoweit fehlender Feststellungen (nominell ebenfalls Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) ignoriert, verfehlt sie den gesetzlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810).

Die in der Beschwerde - zudem ohne Angabe der Fundstelle in den umfangreichen Akten (vgl RIS-Justiz RS0124172) - angesprochene Aussage des Zeugen Walter A***** zu den Personen, zu denen er im Verlauf des Suchtgiftschmuggels Kontakt hatte, wurden einerseits ohnehin berücksichtigt und den Feststellungen zugrunde gelegt (US 7 f) und stehen - dem weiteren nicht näher begründeten Beschwerdevorbringen, wonach „kein Raum für einen Tatbeitrag des Johann H*****“ verbliebe - zudem keineswegs in erörterungsbedürftigem (Z 5 zweiter Fall) Widerspruch zu den kritisierten Konstatierungen. Weshalb „angesichts der Angaben des Zeugen Walter A*****“ die Aussagen des Andreas G***** zu deren Begründung „nicht ausreichen“ sollten (Z 5 vierter Fall), ist nicht nachvollziehbar.

Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen (und damit auch die Konstatierungen zu vorschriftswidriger Ein- und Ausfuhr des Suchtgifts ohne hiezu bestehender Berechtigung der Beteiligten und ohne Aufnahme in die Frachtpapiere) haben die Tatrichter - von der Rüge erneut übergangen - aus der ursprünglich geständigen Verantwortung des wegen der dem Schuldspruch II zugrunde liegenden Taten bereits rechtskräftig verurteilten Andreas G***** (ON 31 S 15 ff) und den damit übereinstimmenden Aussagen des - wie bereits dargelegt in England hiefür ebenso abgestraften - Walter A***** abgeleitet (ON 149 S 27 ff; US 11 ff), was unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keinen Bedenken begegnet.

Mit dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (erneut Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zum Reinheitsgehalt der ein- und ausgeführten Suchtgiftmenge nimmt die Beschwerde ein weiteres Mal prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe, indem sie bloß einzelne Elemente der Argumentationskette des Erstgerichts (vgl US 16 bis 19) isoliert herausgreift und als dem Begründungsgebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO nicht genügend darzustellen trachtet (vgl dazu RIS-Justiz RS0116504).

Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen ist auch die Ableitung der Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite vor allem aus dem äußeren Täterverhalten und weiteren - logisch und empirisch einwandfreien - Überlegungen (US 19 f) unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (vgl dazu auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).

Wie bereits in Beantwortung der Verfahrensrüge dargelegt, bezieht sich die sowohl in der Mängelrüge (Z 5), als auch in der Tatsachenrüge (Z 5a) thematisierte Frage, ob der Beschwerdeführer die ihm angelasteten Handlungen im In- oder Ausland setzte, nicht auf entscheidende Tatsachen, womit die Einwände gegen die Konstatierungen, wonach er „möglicherweise“ auch von Österreich aus gehandelt habe, ins Leere gehen.

Mit der Kritik an unterlassener amtswegiger Untersuchung der sichergestellten „angeblichen“ Suchtgiftmengen auf den THC-Gehalt und „ihre Suchtmitteleigenschaft“ verkennt die Beschwerde die unter dem Aspekt der Sachverhaltsermittlung bestehende Subsidiarität der Tatsachen- als Aufklärungsrüge (Z 5a) gegenüber der Verfahrensrüge (Z 4; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 479; RIS-Justiz RS0115823 [T6]).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Einwand fehlender inländischer Gerichtsbarkeit bloß auf die Behauptung stützt, dass der Tatort angeblich ausschließlich im Ausland gelegen war und österreichische Interessen nicht verletzt wurden, womit weder die Voraussetzungen des § 64 Abs 1 Z 4 StGB noch jene der §§ 62 iVm § 67 Abs 1 und Abs 2 StGB vorlägen, leitet sie nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb der Angeklagte trotz österreichischer Staatsbürgerschaft nicht der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen sollte (§ 65 Abs 1 Z 1 StGB) und verfehlt damit die Ausrichtung am Verfahrensrecht.

Im gegen den Schuldspruch II gerichteten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO).

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation des Strafausspruchs zu verweisen.

Bleibt anzumerken, dass die zum Schuldspruch II gebildete Subsumtionseinheit nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG fallbezogen durch die Kassation des Schuldspruchs I nicht berührt wird, weshalb insoweit eine Aufhebung nicht erforderlich war. Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht aber klarzustellen haben, dass sich die im Falle erneuten Schuldspruchs wegen des zweiten Suchtgifttransports zu bildende - gleichlautende - Subsumtionseinheit (nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG) auch auf die Taten bezieht, die dem nach dem eben Gesagten in Teilrechtskraft erwachsenen Schuldspruch II zugrunde liegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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