OGH 6Ob159/11t

OGH6Ob159/11t18.7.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Wels zu FN ***** eingetragenen Ing. R***** GmbH mit dem Sitz in *****, über die Revisionsrekurse der Gesellschaft und des Geschäftsführers Ing. R*****, beide vertreten durch Dr. Franz Hitzenberger und andere Rechtsanwälte in Mondsee, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. Mai 2011, GZ 6 R 65/11p-9, womit der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 12. April 2011, GZ 29 Fr 1328/11s-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Gegen die Zwangsstrafverfügungen wegen Nichteinreichung des Jahresabschlusses zum 31. 12. 2009 erhoben die Gesellschaft und der Geschäftsführer mit der Begründung Einspruch, dass aus ihnen unerklärlichen Gründen die Firmenbucheingabe vom 31. 5. 2010 von der EDV nicht an das Firmenbuch weitergeleitet worden sei.

Das Erstgericht verhängte im ordentlichen Verfahren Zwangsstrafen von je 1.400 EUR mit der Begründung, dass bei der Online-Einreichung des Jahresabschlusses auf wirksame Weise zu kontrollieren sei, ob die Übermittlung tatsächlich zustande gekommen sei. Daher habe der Geschfätsführer nicht alles in seiner Macht stehende getan, um seiner Offenlegungspflicht nachzukommen. Da der Geschäftsführer bereits frühere Jahresabschlüsse verspätet offengelegt habe, sei die Zwangsstrafe mit je 1.400 EUR festzusetzen.

Das Rekursgericht setzte die Zwangsstrafen auf je 700 EUR herab. Die bloße Erstellung des Jahresabschlusses ohne Einreichung zum Firmenbuchgericht reiche nicht zur Erfüllung der Offenlegungspflicht nach § 277 UGB hin. Dass der Jahresabschluss zur Zeit der Rekursentscheidung bereits übermittelt sei, ermögliche keine Aufhebung der Zwangsstrafe, weil in § 283 Abs 6 UGB ausdrücklich angeordnet sei, dass eine verhängte Zwangsstrafe auch dann zu vollstrecken sei, wenn die Bestraften ihrer Pflicht nachgekommen seien. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung des Zwangsstrafenverfahrens im § 283 UGB durch das BudgetbegleitG 2011 bestünden nicht.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zum neuen Zwangsstrafenverfahren noch keine oberstgerichtliche Judikatur vorliege.

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass uneingeschränkt darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 15 FBG).

2.1. Gemäß § 277 Abs 1 UGB haben die gesetzlichen Vertreter von Kapitalgesellschaften die in den §§ 277 bis 279 UGB angeführten Unterlagen spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht zur Offenlegung einzureichen.

2.2. Nach § 283 Abs 2 UGB idF Budgetbegleitgesetz 2011 ist, wenn die Offenlegung nicht bis zum letzten Tag der Offenlegungsfrist erfolgte, mit Strafverfügung eine Zwangsstrafe von je 700 EUR zu verhängen, und zwar über der Geschäftsführer (§ 283 Abs 1 UGB) sowie über die Gesellschaft selbst (§ 283 Abs 7 UGB).

2.3. Gegen die Strafverfügung steht der Einspruch offen; nach rechtzeitiger Erhebung eines Einspruchs hat das Firmenbuchgericht im ordentlichen Verfahren über die Verhängung einer Zwangsstrafe zu entscheiden.

3. Soweit die Revisionsrekurswerber die Nichteinhaltung der verfahrensrechtlichen Garantien des Art 6 MRK rügen, ist ihnen entgegenzuhalten, dass die Verweisung des Zwangsstrafenverfahrens in das Außerstreitverfahren sicherstellt, dass den Anforderungen des Art 6 MRK entsprochen wird. Nach § 15 FBG sind nämlich im Firmenbuchverfahren - und damit auch in Zwangsstrafenverfahren - die Bestimmungen des Außerstreitgesetzes anzuwenden (6 Ob 41/08k uva). Dessen § 18 sieht aber - jedenfalls fakultativ - die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor, wenn das Gericht dies zur Beschleunigung des Verfahrens, Erhebung des Sachverhalts oder Erörterung von Rechtsfragen für zweckmäßig erachtet (6 Ob 41/08k uva). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist aber keineswegs zwingend (6 Ob 109/07h uva). Insbesondere bei eher technischen Fragestellungen hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Durchführung einer Verhandlung nicht in jedem Fall für erforderlich (vgl zu Grabenwarter, EMRK4 § 24 Rz 89 mwN). Weshalb im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung unter den Prämissen des § 18 AußStrG vom Erstgericht durchgeführt werden hätte müssen (vgl dazu G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 22), legen die Revisionsrekurswerber nicht dar (6 Ob 41/08k uva). Im Übrigen haben die Revisionsrekurswerber weder in erster noch in zweiter Instanz die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt (vgl 6 Ob 109/07h uva).

4.1. Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Auffassung waren die Vorinstanzen auch nicht zur amtswegigen Durchführung weiterer Ermittlungsschritte gehalten. Zwar hat nach § 16 Abs 1 AußStrG das Gericht von Amts wegen dafür zu sorgen, dass alle für seine Entscheidung maßgebenden Tatsachen aufgeklärt werden. Andererseits haben die Parteien vollständig und wahrheitsgemäß alle ihnen bekannten, für die Entscheidung des Gerichts maßgebenden Tatsachen und Beweise vorzubringen bzw anzubieten (§ 16 Abs 2 AußStrG).

4.2. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht nicht gehalten, jeden denkbaren, aber überhaupt nicht behaupteten Sachverhalt zu erforschen (RIS-Justiz RS0043368; Fucik/Kloiber, AußStrG § 16 Rz 1). Im vorliegenden Fall haben die Revisionsrekurswerber im Verfahren vor den Vorinstanzen trotz Hinweises auf die bei fehlerhaften Eingaben erfolgende Rückmeldung kein weiteres Vorbringen erstattet. Zutreffend hat bereits das Rekursgericht darauf verwiesen, dass die Eingaben der Revisionsrekurswerber offen lassen, wer zu welchem Zeitpunkt überhaupt einen Übermittlungsversuch vorgenommen haben soll. Vielmehr beschränkte sich das Vorbringen der Revisionsrekurswerber im Wesentlichen darauf, die Bilanz rechtzeitig erstellt zu haben; diese sei „von der EDV nicht entsprechend an das Firmenbuch weitergeleitet worden“.

4.3. Es ist Sache der Geschäftsführer, durch zweckentsprechende Organisationsmaßnahmen in ihrem Geschäftsbereich für eine rechtzeitige Erfüllung ihrer gesellschaftsrechtlichen Offenlegungspflichten zu sorgen (6 Ob 33/09k). Daraus ergibt sich aber, dass bei der Online-Einreichung des Jahresabschlusses auf wirksame Weise zu kontrollieren ist, ob die Übermittlung auch tatsächlich zustandegekommen ist. Dies setzt als Mindesterfordernis die Einsichtnahme in ein entsprechendes Übermittlungsprotokoll voraus. Dass dies erfolgt sei, haben die Revisionsrekurswerber trotz Hinweises durch das Erstgericht auch in ihrem Rekurs nicht vorgebracht. Zudem hätten sich die Revisionsrekurswerber nach der behaupteten Online-Übermittlung noch vergewissern können, dass die Einreichung im Firmenbuch durch Eintragung im Firmenbuch vollzogen wurde. Völlig zutreffend gingen daher die Vorinstanzen vom Vorliegen eines Verschuldens des Geschäftsführers aus.

5.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehen gegen die Verfassungsmäßigkeit des Zwangsstrafenverfahrens nach § 283 UGB keine Bedenken (6 Ob 41/08k; 6 Ob 64/08t; RIS-Justiz RS0113284, RS0113285, RS0113286, RS0113089).

5.2. Daran hat auch die Einführung einer Mindeststrafe von 700 EUR (§ 283 Abs 1 UGB) unter Verhängung von Strafen gegen die Gesellschaft und den Geschäftsführer (§ 283 Abs 7 UGB) durch das Budgetbegleitgesetz 2011 nichts geändert.

5.3. Die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs, in denen dieser Mindestgeldstrafen in einfachen Gesetzen als verfassungswidrig qualifiziert hat, betrafen wesentlich anders gelagerte Fälle, nämlich unklare und unbestimmte Verwaltungsstrafbestände im Abfallwirtschaftsgesetz (VfGH vom 16. 3. 2000, G 312/97), und eine überschießende und sachlich nicht zu rechtfertigende Mindestgeldstrafe für Lenkerdelikte im Güterbeförderungsgesetz (VfGH vom 14. 12. 2001 G 181/01). Mit diesen Fällen ist die Bestimmung des § 283 UGB aber nicht vergleichbar.

5.4. Die Mindeststrafe orientiert sich an der bisherigen Spruchpraxis, die vielfach auch bei Erstverstößen Strafen von 700 EUR verhängten (vgl die Nachweise bei G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 51). Im Übrigen ist dem Revisionsrekurs auch nicht ansatzweise zu entnehmen, weshalb die Verhängung einer Strafe von ohnedies bloß 700 EUR den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Revisionsrekurswerber nicht Rechnung trägt.

6. Im Übrigen hatte schon nach bisheriger Rechtsprechung die Strafverhängung typischerweise eher schematisch und aufgrund objektiver Kriterien zu erfolgen ohne dass es einer näheren Feststellung über die Vermögenslage der Geschäftsführer bedurfte (6 Ob 182/07v; 6 Ob 89/08v ua).

7.1. Dass Strafen sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen die Geschäftsführer verhängt werden können, stellt gleichfalls keine unzulässige Doppelbestrafung dar. Vielmehr soll die Bestrafung des Geschäftsführers selbst diesen veranlassen, seine gesetzliche Verpflichtung umgehend zu erfüllen. Weil bei Bestehen mehrerer Geschäftsführer die Vorlagepflicht jeden einzelnen trifft, ist auch nicht zu beanstanden, dass bei Verstoß gegen die Offenlegungsverpflichtung gegen jeden einzelnen Geschäftsführer eine entsprechende Zwangsstrafe verhängt wird.

7.2. Entgegen der von den Revisionsrekurswerbern vertretenen Auffassung trifft die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur Offenlegung der Bilanz grundsätzlich die Gesellschaft selbst (4 Ob 229/08t), auch wenn im Hinblick auf die ursprünglich nur gegenüber den Geschäftsführern vorgesehene Möglichkeit der Verhängung von Zwangsstrafen (§ 277 UGB) die diesbezügliche Handlungspflicht den Geschäftsführern obliegt.

7.3. Die mehrfache Verhängung von Geldstrafen ist in diesem Fall bloß Folge des Umstands, dass mehrere handlungspflichtige Rechtssubjekte den sie nach dem Gesetz treffenden Pflichten nicht nachkamen. Die im Revisionsrekurs behauptete unsachliche Differenzierung zwischen Gesellschaft mit einem und mit mehreren Geschäftsführern ist daher nicht zu erkennen.

8. Damit erweist sich der angefochtene Beschluss aber als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte