Spruch:
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Die erst- bis viert- und die sechstbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.225,91 EUR (darin enthalten 204,32 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Die fünftbeklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 999,29 EUR (darin enthalten 166,55 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Kläger begehrten Rechnungslegung und Zahlung von 14.389,22 EUR. Die Beklagten fischten seit mehr als einem Jahrzehnt in dem (näher bezeichneten) Fischwasser der Kläger und hätten Fischereilizenzen erteilt. Im Fischereibuch eingetragener Eigentümer des Fischereirechts seien aber die Kläger.
Die Beklagten beriefen sich insbesondere darauf, selbst Eigentümer des Fischereirechts zu sein.
Das Berufungsgericht gab mit seinem Teil- und Zwischenurteil vom 22. 12. 2004 (ON 44) dem Rechnungslegungsbegehren statt und erkannte das Zahlungsbegehren (Herausgabe aller aus der Nutzung erzielter Vorteile bzw angemessenes Benutzungsentgelt für den Zeitraum von 1. 1. 1990 bis 31. 12. 2000) dem Grunde nach als zu Recht bestehend.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung am 31. 1. 2006 (1 Ob 82/05y). Er ging davon aus, dass das publizianische Fischereirecht der Kläger ihre Ansprüche gegen die Beklagten, deren Fischereirecht - gleich viel, ob als Vollrecht oder als Recht auf bloß publizianischer Grundlage - nicht bestehe, rechtfertige.
Im Verfahren 15 Cg 139/06v des Landesgerichts Linz (Folgeprozess) wurde mit (seit 23. 11. 2009 rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Linz gegenüber der Republik Österreich festgestellt, dass dem Rechtsvorgänger der erstbeklagten Partei und der dritt- bis sechstbeklagten Partei das alleinige Fischereirecht zukommt. Die Republik Österreich wurde verpflichtet, in die Einverleibung des Fischereirechts einzuwilligen. Die beiden Kläger waren in diesem Verfahren als Nebenintervenienten auf Seiten der Republik Österreich beteiligt. Das Fischereirecht der Berechtigten, das nach dem Ergebnis des Folgeprozesses „seit jeher“ bestand, wurde im Grundbuch eingetragen.
Nunmehr ist die Wirkung dieses rechtskräftigen Urteils auf das Zwischenurteil strittig.
Das Erstgericht wies das Zahlungsbegehren ab. Das Ergebnis des Vorprozesses, wonach die wahren Fischereiberechtigten die Beklagten seien, könne als nachträgliche rechtsbegründete Tatsache geltend gemacht werden. Demnach scheitere die publizianische Klage.
Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu. Einwendungen gegen den Anspruchsgrund seien nur dann zulässig, wenn sie nach Schluss der mündlichen Verhandlung über das Zwischenurteil entstanden seien oder einen Wiederaufnahmegrund darstellten. Die auf das Urteil des Folgeprozesses gestützte Klage auf Wiederaufnahme des mit rechtskräftigem Teil- und Zwischenurteil beendeten Verfahrens sei rechtskräftig zurückgewiesen worden. Dass das Landesgericht Linz in dem von (der Rechtsvorgängerin) der erstbeklagten Partei sowie der dritt- bis sechstbeklagten Partei und zwei weiteren (hier nicht beteiligten) Personen gegen die Republik Österreich als Eigentümerin des dienenden öffentlichen Wasserguts eingeleiteten Folgeprozesses das alleinige Fischereirecht der dortigen Kläger festgestellt habe, sei keine nachträglich eingetretene rechtsvernichtende Tatsache, die im Verfahren über die Höhe des Anspruchs auf Zahlung eines Benutzungsentgelts berücksichtigt werden könne. Damit lägen lediglich zwei unterschiedliche gerichtliche Entscheidungen zu der Frage vor, ob den Beklagten ein Fischereirecht zustehe. Der Hinweis auf eine angebliche Gestaltungs- und Tatbestandswirkung des im Folgeprozess ergangenen Urteils gehe fehl, weil das Begehren der Servitutenklage auf die Feststellung des Bestehens einer Servitut und die Einverleibung der Dienstbarkeit gerichtet sei und nicht wie bei Rechtsgestaltungsklagen auf die Begründung, Abänderung oder Auflösung eines Rechtsverhältnisses.
Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Berufungsgericht mit fehlender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Vorliegen allfälliger Wiederaufnahmsgründe auch ohne erfolgreich erhobene Wiederaufnahmsklage die innerprozessuale Bindungs- und Präklusionswirkung eines rechtskräftigen Grundurteils durchbrechen könne.
Rechtliche Beurteilung
Die Rekurse der beklagten Parteien sind nicht berechtigt.
1. Die Beklagten machen als Nichtigkeit geltend, dass jener Richter, der das (im ersten Rechtsgang ergangene, die Klage abweisende) erstinstanzliche Urteil vom 5. 6. 2002 gefasst habe, Mitglied des nunmehr erkennenden Berufungssenats gewesen sei. Wie sich aus dem Original des genannten Urteils iVm den Erhebungen des Berufungsgerichts ergibt, trifft dies nicht zu. Damit kann dahingestellt bleiben, ob der geltend gemachte Umstand überhaupt einen Ausschließungsgrund nach § 20 Z 5 JN begründen könnte.
2. Ein Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs (Grundurteil) entfaltet innerhalb des Rechtsstreits insoweit (innerprozessuale) Bindungswirkung, als die Frage des Anspruchsgrundes nicht neuerlich aufgerollt werden darf. Es hat ferner insoweit Präklusionswirkung, als die Parteien keine weiteren Tatsachen vorbringen können, die den Grund des Anspruchs betreffen (2 Ob 4/08i mwN; RIS-Justiz RS0040736; RS0040864). Judikatur und Lehre lassen aber im Verfahren über die Anspruchshöhe die Einwendung zu, dass nachträglich rechtsbegründende Tatsachen weggefallen oder rechtsvernichtende eingetreten sind (RIS-Justiz RS0040756; vgl RS0040754; vgl Deixler/Hübner in Fasching/Konecny 2 § 393 ZPO Rz 22 mwN; vgl Rechberger in Rechberger 3 § 393 Rz 9 mwN). Diese beiden Autoren halten außerdem Einwendungen, die einen Wiederaufnahmsgrund bildeten, für zulässig. Auch nach Meinung Faschings (Lehrbuch² Rz 1431) können Tatsachen und Beweismittel, die schon vor Schluss der mündlichen Verhandlung bestanden, aber erst ohne Verschulden der Partei aufgefunden oder benützbar werden und eine Wiederaufnahmsklage nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO ermöglichen würden, ebenfalls noch im Verfahren über die Anspruchshöhe berücksichtigt werden, dies unter der Voraussetzung, dass sie eine Wiederaufnahmsklage rechtfertigen würden. Rechberger und Fasching (aaO) sehen die Zulässigkeit solcher Einwendungen im Vergleich zur Wiederaufnahmsklage als den prozessökonomischeren Weg. Sollen die im Verfahren über die Anspruchshöhe zu prüfenden Einwendungen die Wiederaufnahmsklage aber ersetzen, müssen die gesetzlich geforderten Voraussetzungen für eine (erfolgreiche) Wiederaufnahmsklage verwirklicht sein. Dazu zählen nicht nur das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes sondern auch die Einhaltung der in § 534 ZPO geregelten Fristen sowie im Fall der Wiederaufnahmsgründe des § 530 Abs 1 Z 6 und 7 ZPO das fehlende Verschulden der Partei iSd § 534 Abs 2 ZPO.
4. Der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 5 ZPO setzt voraus, dass eine rechtskräftige präjudizielle Vorentscheidung, auf die sich die angefochtene Entscheidung stützt, durch eine andere rechtskräftige Entscheidung aufgehoben worden ist. Der Wiederaufnahmegrund liegt aber nicht vor, wenn nur eine präjudizielle Rechtsmeinung des Gerichts, auf die sich seine Entscheidung stützt, in der Folge in einer anderen Entscheidung nicht geteilt wird (RIS-Justiz RS0108294). In der Entscheidung 1 Ob 35/10v = JBl 2010, 463 = EvBl 2010/105, 722 (zust: Schmögl) lehnte der Oberste Gerichtshof die Meinung Jelineks (in Fasching/Konecny 2 § 530 ZPO Rz 97, 119, 122), eine nachträglich ergangene anderslautende Entscheidung eines zuständigen Gerichts, das die im Vorprozess beurteilte Vorfrage nunmehr als Hauptfrage anders beurteile, könne analog § 530 Abs 1 Z 5 ZPO einen Wiederaufnahmsgrund darstellen, ausdrücklich ab. Er verwies dabei auf die eher restriktive Fassung der Wiederaufnahmsgründe durch den österreichischen Zivilprozessgesetzgeber. Komme ein anderes Gericht in einem späteren Verfahren, in dem dieselbe Frage als Hauptfrage zu beurteilen sei, zu einem anderen Ergebnis, spreche dies nicht ohne weiteres dafür, dass die frühere Entscheidung vermutlich unrichtig gewesen sei bzw gar ihre bisherige Grundlage verloren hätte. Im Verfahren zu 1 Ob 35/10v hatten die Rechtsvorgänger der erstbeklagten Partei und die zweit- bis sechstbeklagten Parteien (neben zwei weiteren Personen) die Wiederaufnahme eines Verfahrens gegen die beiden nunmehrigen Kläger begehrt. Als Wiederaufnahmegrund wurde das im Folgeprozess ergangene Urteil herangezogen.
5. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, von der in 1 Ob 35/10v ausführlich darlegten Rechtsansicht abzugehen. Das im Folgeprozess ergangene rechtskräftige Urteil stellt somit keinen tauglichen Wiederaufnahmsgrund dar. Daran ändert das Argument der erst- bis viert- und sechstbeklagten Parteien, das rechtskräftige Zwischenurteil gehe nur von einem publizianischen Fischereirecht aus, während das rechtskräftige Urteil im Folgeprozess den Beklagten das Vollrecht zuspreche, nichts. In beiden Verfahren wurde dieselbe Frage beurteilt: Steht den (hier) Beklagten ein Fischereirecht zu? Dies wurde in diesem Verfahren (als Vorfrage) verneint, im Folgeprozess hingegen bejaht. Damit liegt jene Konstellation vor, mit der sich der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 1 Ob 35/10v befasste. Zudem wurde schon der Schriftsatz, mit dem sich der Fünftbeklagte erstmals auf das gegen die Republik Österreich ergangene Urteil berief, erst am 11. 3. 2010, also lange nach Ablauf der Frist des § 534 Abs 2 Z 3 ZPO eingebracht.
6. Der Fünftbeklagte verweist noch auf ein anderes über die strittigen Fischereirechte geführtes Wiederaufnahmeverfahren, mit dem der Oberste Gerichtshof zwei Mal (1 Ob 215/08m und 1 Ob 197/09s) befasst war. Wie der Fünftbeklagte selbst zugesteht, wurde die Klage in diesem Wiederaufnahmeverfahren, an dem die hier Beklagten (neben zwei weiteren Personen) als Kläger und die nunmehrigen Kläger als Beklagte beteiligt waren, rechtskräftig abgewiesen. Grund war die Würdigung der neuen Beweismittel durch die Vorinstanzen mit dem Ergebnis, dass diese keinen für die Kläger günstigen Einfluss auf die Beweiswürdigung haben könnten. Der Oberste Gerichtshof wies letztlich die außerordentliche Revision der dortigen Kläger zurück (1 Ob 197/09s). Damit steht an sich bereits fest, dass die in diesem Wiederaufnahmeverfahren beurteilten neuen Beweismittel (§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO) eine Wiederaufnahme zu Gunsten der hier Beklagten nicht rechtfertigen. Jedenfalls steht aber der im Rekurs gewünschten Geltendmachung der neuen Tatsachen und Beweismittel im Verfahren über die Anspruchshöhe entgegen, dass die vierwöchige Frist des § 534 Abs 1 iVm Abs 2 Z 4 ZPO bereits abgelaufen war, als im erstinstanzlichen Verfahren dieses Wiederaufnahmeverfahren, mit dem die Wiederaufnahme eines 2007 eingeleiteten Berufungsverfahrens begehrt worden war, erstmals zum Thema gemacht wurde (Schriftsatz des Fünftbeklagten vom 6. 3. 2009, ON 119/III).
7. Das Urteil des Folgeprozesses ist - wie das Berufungsgericht zutreffend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO) erkannte -, keine nachträglich aufgetretene rechtsbegründende oder rechtsvernichtende Tatsache, die im fortgesetzten Verfahren über die Anspruchshöhe berücksichtigt werden kann. Den Beklagten (ausgenommen die am Folgeprozess nicht beteiligte Zweitbeklagte) steht die Dienstbarkeit des Fischereirechts an den strittigen Gewässern zu. Sevitutsbelastete ist die Republik Österreich. Es geht hier nicht um die Tatbestands- oder Reflexwirkung des im Vorprozess gefällten Urteils über das Bestehen einer Servitut auf die Berechtigung von Ansprüchen, die in künftigen Prozessen zu beurteilen sind (vgl RIS-Justiz RS0041431 [T2]; vgl RS0041401; vgl Rechberger aaO Vor § 390 Rz 37), sondern ausschließlich um die Wirkung des nachträglichen Urteils auf das zu einem früheren Zeitpunkt gefällte Zwischenurteil, das die Ansprüche der Kläger auf Zahlung eines Entgelts für die Nutzung der Gewässer durch die Beklagten im Zeitraum vom 1. 1. 1990 bis 31. 12. 2000 dem Grunde nach bejahte. Ob die Wirkungen des Urteils des Folgeprozesses auch die Kläger als damalige Nebenintervenienten erfassen, muss demnach nicht erörtert werden.
8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Den Klägern steht aber für die Beantwortung des Rekurses des Fünftbeklagten anstelle des verzeichneten 35%igen nur ein 10%iger Streitgenossenzuschlag zu, weil ihnen insoweit nur eine Partei gegenübersteht (vgl Obermaier, Kostenhandbuch2 [2010] Rz 640).
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