Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Den Angeklagten Eren D***** und Mazlum E***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Freispruch des Angeklagten Mazlum E***** sowie rechtskräftige Schuld- und Freisprüche Mitangeklagter enthält und mit dessen Ausfertigung das Erstgericht - prozessual verfehlt (vgl Schroll in WK2 § 50 Rz 16; Danek, WK-StPO § 270 Rz 50) - die eines Beschlusses über die Anordnung von Bewährungshilfe verbunden hat, wurden Eren D***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (I./A./), zweier Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (I./C./ und D./), des Verbrechens des Diebstahls mit Waffen nach §§ 127, 129 Z 4 StGB (IV./), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (V./A./) und des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (V./B./) sowie Mazlum E***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall (I./A./), zweier Verbrechen des Raubes nach §§ 12 zweiter Fall, 142 Abs 1 StGB (III./A./ und B./), des Verbrechens des Diebstahls mit Waffen nach §§ 127, 129 Z 4 StGB (IV./) und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (VI./) schuldig erkannt.
Danach haben - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Relevanz -
I./ im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit Gewalt gegen ihre Person bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen bzw abgenötigt, und zwar
A./ Eren D*****, Mazlum E*****, Oruc G***** und Fatih B***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im Dezember 2009 in St. Pölten dem Christoph S***** 200 Gramm Cannabiskraut und 220 Euro Bargeld, indem sie die Wohnungstüre, die Christoph S***** zuzudrücken versuchte, aufdrückten, Eren D***** eine Schere gegen ihn richtete und sinngemäß äußerte, er solle ruhig sitzen bleiben, sonst würde ihm etwas passieren, Mazlum E***** einen Hammer ergriff und sich damit drohend neben dem Opfer aufbaute und Oruc G***** und Fatih B***** das Cannabiskraut und das Bargeld an sich nahmen, wobei Eren D***** und Mazlum E***** den Raub unter Verwendung von Waffen, nämlich der Schere und des Hammers verübten;
...
C./ Eren D***** und Oruc G***** am 22. Dezember 2009 in H***** Silvia St***** 90 Gramm Cannabiskraut, indem Eren D***** eine Softgun gegen sie richtete und Oruc G***** das Cannabiskraut an sich nahm;
D./ Eren D*****, Armend A***** und Kazim C***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Ende Dezember 2009 in Wien Martin T***** 20 Gramm Cannabiskraut und zumindest 600 Euro Bargeld, indem ihm Eren D***** eine Softgun an den Kopf und an den Hals hielt und ihn aufforderte „Geld und Gras“ herauszugeben und Armend A***** und Kazim C***** das Geld und das Cannabiskraut an sich nahmen;
II./ Fatih B***** und Yasam Er***** am 22. Dezember 2009 in H***** zu der zu Punkt I./C./ dargestellten strafbaren Handlung von Eren D***** und Oruc G***** dadurch, dass sie sie zum Tatort begleiteten, während der Tat vor der Wohnung des Opfers Aufpasserdienste leisteten und sich zur Flucht bereit hielten, beigetragen;
III./ Mazlum E***** Nachgenannte zu nachstehenden strafbaren Handlungen bestimmt, indem er ihnen die Idee lieferte und den Tatplan schmiedete, und zwar
A./ am 22. Dezember 2009 in Wien und H***** Eren D***** und Oruc G***** zu der zu Punkt I./C./ sowie Fatih B***** und Yasam Er***** zu der zu Punkt II./ angeführten strafbaren Handlung, wobei er Eren D***** und Oruc G***** darüber hinaus durch den Vorwand, Drogen von Silvia St***** erwerben zu wollen, Zutritt zu deren Wohnung verschaffte;
B./ zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Ende Dezember 2009 in Wien Eren D*****, Armend A***** und Kazim C***** zu der zu Punkt I./D./ dargestellten strafbaren Handlung, wobei er ihnen darüber hinaus durch den Vorwand, Drogen von Martin T***** erwerben zu wollen, Zutritt zu dessen Wohnung verschaffte;
IV./ Eren D*****, Mazlum E***** und Sahin Ad***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im November/Dezember 2009 in A***** Philipp An***** fremde bewegliche Sachen, nämlich 5 Gramm Cannabiskraut und 350 Euro Bargeld mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, wobei Eren D***** mit dem Wissen von Mazlum E***** und Sahin Ad***** eine Waffe, und zwar ein Messer, bei sich führte, um den Widerstand des Philipp An***** zu überwinden oder zu verhindern;
V./
...
B./ Eren D***** zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt im November/Dezember 2009 in A***** Philipp An***** dadurch, dass er äußerte, er solle sich nicht blöd spielen, da Sahin Ad***** eine Waffe im Auto habe, somit durch gefährliche Drohung, dazu genötigt, die Kennzeichentafeln des Sahin Ad***** zurückzugeben und von der Rückforderung der zu Punkt IV./ gestohlenen Gegenstände Abstand zu nehmen;
VI./ Mazlum E***** am 16. September 2009 im Zuge einer Auseinandersetzung durch einen Fußtritt gegen die Fahrertür des PKW des Emin Ag***** diesen beschädigt (Schadenshöhe 600 Euro).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Eren D***** aus den Gründen der Z 5a und e lit a und Mazlum E***** aus jenen der Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Eren D*****:
Ob Philipp An***** durch die zu V./B./ inkriminierte Äußerung tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde (US 35), ist für die Subsumtion unter den Tatbestand des § 105 Abs 1 StGB ohne rechtliche Relevanz (RIS-Justiz RS0092392; Kienapfel/Schroll StudB BT I2 § 105 Rz 43; Jerabek in WK2 § 74 Rz 33), sodass die auf Aussagen des Tatopfers gegründete Tatsachenrüge (Z 5a) keinen entscheidenden Umstand anspricht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 474).
Soweit die Beschwerde die Feststellung begehrt, die vom Angeklagten D***** getätigte Äußerung sei nicht geeignet gewesen, Philipp An***** in Furcht und Unruhe zu versetzen, und die Rückgabe der Kennzeichentafeln sei nicht abgenötigt worden, überschreitet sie den gesetzlichen Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes und übergeht, dass die Frage der Eignung einer Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, Gegenstand der rechtlichen Beurteilung ist (Jerabek in WK2 § 74 Rz 34; Kienapfel/Schroll StudB BT I2 § 105 Rz 42).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu V./B./ von einer Tatbegehung durch Gewalt ausgeht und darauf die Behauptung mangelnder Tatbestandsverwirklichung gründet, orientiert sie sich nicht an der Gesamtheit der Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte D***** durch die Äußerung gegenüber An*****, dieser solle „sich nicht blöd spielen, da Ad***** eine Waffe im Auto habe“, die Herausgabe der Kennzeichentafeln erreichen und die Rückgabe der vorher gestohlenen Beute verhindern wollte, und er ihm in der Folge die Kennzeichentafeln ohne weitere Gewaltanwendung aus den Händen riss (US 12, 34 f, 47). Damit verfehlt sie jedoch den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mazlum E*****:
Die Verfahrensrüge nach Z 3 - die ein Unterbleiben der Information nach § 250 Abs 2 StPO rügt - verabsäumt es, die vermissten Aussageinhalte deutlich und bestimmt zu bezeichnen, hinsichtlich derer sich das Unterbleiben der Mitteilung an den Beschwerdeführer nachteilig ausgewirkt hätte (RIS-Justiz RS0110266; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 249). Ferner übersieht sie, dass zur Beurkundung der Information im Protokoll ein (tatsächlich erfolgter, vgl S 23 in ON 90) kurzer Hinweis auf die erfolgte Unterrichtung des Angeklagten genügt (vgl Kirchbacher, WK-StPO § 250 Rz 9 f) und es der Verteidigung freigestanden wäre, auf eine ihr notwendig erscheinende ergänzende Information des Angeklagten hinzuwirken.
Auch mit dem Einwand, dem Protokoll über die Hauptverhandlung sei nicht zu entnehmen, was dem Angeklagten E***** von der Aussage des in seiner Abwesenheit vernommenen Erstangeklagten D***** tatsächlich mitgeteilt und ob ihm sein gesetzliches Recht auf Befragung des Erstangeklagten gemäß § 249 Abs 1 StPO eingeräumt worden sei, wird Nichtigkeit aus Z 3 (iVm § 271 StPO) nicht zur Darstellung gebracht, weil lediglich die gänzliche Unterlassung der Protokollführung unter einer solchen Sanktion steht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 262; RIS-Justiz RS0098665, RS0099003).
Die beweiswürdigenden Erwägungen zum Schuldspruch I./A./ erstrecken sich in Ansehung der inneren Tatseite auch des Beschwerdeführers ausdrücklich auf alle Raubtaten (US 40 f), sodass das Erstgericht - der Mängelrüge (Z 5) zuwider - auch zu III./A./ und B./ darauf verweisen durfte (US 44 f). Dass diese selbst offenbar unzureichend begründet seien, wird von der Rüge hingegen nicht behauptet.
Der gegen den Schuldspruch IV./ gerichtete Einwand mangelnder Begründung der Feststellung, der Angeklagte E***** habe gewusst, dass ein Messer mitgeführt worden sei, um einen allfälligen Widerstand zu überwinden oder zu verhindern (US 33), vernachlässigt die Gesamtheit der hiezu angestellten Erwägungen der Tatrichter (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394), die sich insbesondere auf die Geständnisse der Angeklagten D***** und A*****, die Angaben des Letzteren vor der Polizei (S 9 in [richtig:] ON 56) und darauf stützten, die Waffe sei auf der Fahrt zum Tatort dem „Mann fürs Grobe“, nämlich an D*****, übergeben worden (US 46). Die kritisierte Verwendung des Wortes „offenbar“ fand hingegen bloß im Zusammenhang mit dem hilfsweise in Anschlag gebrachten - unter dem Gesichtspunkt logisch und empirisch einwandfreier Begründung nicht erforderlichen - Argument Verwendung, E***** habe offenbar aus seinem Tatbeitrag beim schweren Raub zum Nachteil des Christoph S***** gelernt und seiner Verantwortung für die Begehung einer Straftat unter Verwendung einer Waffe entgehen wollen.
Z 5a des § 281 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur geradezu unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände, nicht aber im Urteil geschilderte Begleitumstände oder im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiswerterwägungen) verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb dieser Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS-Justiz RS0118780).
Mit dem zu I./A./ erhobenen Einwand, auf die Aussage des Angeklagten D***** könne eine verfahrensentscheidende Tatsache nicht gestützt werden, habe dieser doch versucht, dem Beschwerdeführer die Bedrohung S*****s mit der von ihm selbst verwendeten Schere in die Schuhe zu schieben, und der Behauptung, angesichts der Verantwortung des Angeklagten E***** hätte die Identifikation durch das Tatopfer im Zusammenhang mit der Verwendung eines Hammers einer „eingehenderen Ausführung bedurft“, gelingt es der Tatsachenrüge nicht, auf Aktenbasis erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit des Zeugen Christoph S***** aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang kann aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht releviert werden (RIS-Justiz RS0099649; vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 431, 491).
Soweit die Tatsachenrüge als Aufklärungsrüge die Unterlassung der Ausforschung eines weiteren Tatzeugen und damit die Verletzung der Pflicht zur amtswegig vorzunehmenden Wahrheitserforschung rügt, legt sie nicht dar, wodurch der Nichtigkeitswerber an der Ausübung seines Rechts gehindert war, die vermisste Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung sachgerecht zu beantragen (vgl RIS-Justiz RS0115823; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizierte) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)