Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die betreibende Partei stellte zur Hereinbringung der ihr mit (in zweiter Instanz bestätigtem) Urteil des Erstgerichts vom 13. 11. 2009, 3 Cg 17/09a, zuerkannten Forderung samt Zinsen und Kosten des Titelverfahrens und des Exekutionsantrags gemäß § 371 Z 1 EO die Exekution zur Sicherstellung durch Pfändung von Geldforderungen des Verpflichteten als Masseverwalter in dem am 12. 8. 2003 eröffneten Konkursverfahren.
Die Forderung der betreibenden Partei resultiere aus vom Masseverwalter während des Unternehmensfortbetriebs in Auftrag gegebenen Fertigstellungsarbeiten an einem Bauprojekt der Gemeinschuldnerin, deren Durchführung zur Verwertung der Masse notwendig gewesen sei. Die erst nach Fertigstellung der Arbeiten und Rechnungslegung über die Klagsforderung bekannt gegebene Masseunzulänglichkeit hindere die Exekutionsführung nicht, weil die Verpflichtete Neumassegläubigerin iSd § 124a Abs 1 KO sei.
Das Erstgericht bewilligte die beantragte Sicherungsexekution.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Masseverwalters Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss dahin ab, dass es den Sicherungsantrag zur Gänze abwies. Die betreibende Partei sei Altmassegläubigerin, weil sie ihre Leistungen bereits vor Bekanntgabe der Masseunzulänglichkeit zur Gänze erbracht habe. Ihre Forderung unterliege daher der Exekutionssperre nach § 124a Abs 2 KO. Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Anwendung dieser Bestimmung auf Forderungen aus Zielschuldverhältnissen sei jedoch der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
In Exekutionssachen ist das Revisionsrekursverfahren einseitig (RIS-Justiz RS0118686; RS0116198), die ausnahmsweise Freistellung einer Gegenschrift war nach den Umständen des Falls nicht geboten.
1. Reicht die Konkursmasse nicht aus, um die Masseforderungen zu erfüllen, so hat dies der Masseverwalter gemäß § 124a Abs 1 KO unverzüglich dem Konkursgericht anzuzeigen und mit der Befriedigung der Massegläubiger innezuhalten. Er darf jedoch solche Rechtshandlungen vornehmen, die zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse geboten sind. Daraus herrührende Masseforderungen sind unverzüglich zu befriedigen. Ab dem Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit durch das Konkursgericht kann an den zur Konkursmasse gehörenden Sachen nur mehr wegen Masseforderungen nach § 124a Abs 1 dritter Satz KO ein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden.
2. Ziel der Verwertung des Massevermögens nach einer Anzeige der Masseinsuffizienz ist die bessere Befriedigung möglichst vieler Massegläubiger. Der Masseverwalter hat daher weiterhin danach zu trachten, die vorhandenen Mittel zu vermehren und gleichzeitig die Masseforderungen möglichst gering zu halten (Konecny, Masseunzulänglichkeit und ihre Folgen, in Insolvenz-Forum 2002 [2003] 61, 85). Die Innehaltung mit der Befriedigung der bereits fälligen Masseforderungen und die Exekutionssperre dienen dazu, die in § 47 Abs 2 KO (IO) vorgesehene Rangordnung bei der Begleichung von Masseschulden durchzusetzen und eine gerechte Risikoverteilung innerhalb der Verlustgemeinschaft der Gläubiger herbeizuführen (8 Ob 116/10g; Kodek in Buchegger 4, InsR IV § 124a Rz 25 f; zu § 210 dInsO BGH ZIP 2003, 914 mwN).
3. Unter Rechtshandlungen des Masseverwalters, gemäß § 124a Abs 1 KO, die im Interesse der Verwaltung des Massevermögens geboten sind, sind nicht nur Rechtsgeschäfte zu verstehen, sondern allgemein Maßnahmen, die erforderlich sind, um Teile des Massevermögens vor dem Verderben zu retten (3 Ob 225/05t). Es soll verhindert werden, dass die Bekanntmachung der Massearmut sofort eine Kontrahierungssperre nach sich zieht, weil andernfalls kein Dritter mehr bereit wäre, sich auf geschäftliche Beziehungen mit dem Masseverwalter einzulassen oder solche aufrecht zu erhalten.
Nach der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit hat der Masseverwalter daher Forderungen aus einem bereits bestehenden Dauerschuldverhältnis insoweit weiterhin unverzüglich zu befriedigen, als er am Leistungsaustausch als Maßnahme im Interesse der Verwaltung und anschließenden Verwertung des Massevermögens festhielt. Nur in diesem Umfang - allerdings nicht auch für offene Forderungen aus demselben Dauerschuldverhältnis, die bereits vor Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit angefallen sind - kommt somit die Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 zweiter Satz KO nicht zum Tragen (3 Ob 225/05t).
Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass Forderungen aus bereits vor Bekanntgabe der Masseunzulänglichkeit beendeten Zielschuldverhältnissen nicht unter die Ausnahmebestimmung fallen, führt diese Rechtsprechung konsequent und richtig fort. Insbesondere ist ihr beizupflichten, dass Rechtshandlungen des Masseverwalters grundsätzlich immer der Verfolgung seiner Aufgabe zur bestmöglichen Verwaltung und Verwertung der Masse zu dienen haben. Der Befriedigungs- und Exekutionssperre nach § 124a KO wäre daher praktisch der Boden entzogen, wenn die Ausnahmeregelung allein auf den Zweck des zu Grunde liegenden Rechtsgeschäfts und nicht auf den Zeitpunkt des Entstehens der Masseforderung bezogen würde.
Der Umstand, dass die Werkleistung der betreibenden Partei bereits geraume Zeit vor Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit beendet und abgerechnet war, ist unstrittig. Die weitläufigen Ausführungen des Revisionsrekurses über Notwendigkeit und Nutzen dieser Arbeiten für die Verwertung der Masse können an der Beurteilung der Werklohnforderung als Altmasseforderung iSd § 124a KO nichts ändern.
Das Rekursgericht hat auch völlig zutreffend nicht zwischen der begehrten Sicherungsexekution und einer Befriedigungsexekution unterschieden. Die Exekutionssperre nach § 124a Abs 3 KO ist jener des § 10 Abs 1 KO (IO) nachgebildet, der nach herrschender Ansicht nicht nur die Befriedigungs-, sondern auch die Sicherungsexekution nach § 371 Z 1 KO erfasst (Deixler-Hübner in Konecny/Schubert, KO § 10 Rz 5 mwN; Kodek in Buchegger, InsR4, § 124a KO Rz 27). Die Sicherungsexekution geht durch den Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels von selbst in eine Exekution zur Befriedigung über. Dem betreibenden Gläubiger steht es dann frei, die Fortsetzung der Exekution durch Verwertung zu beantragen. Das ursprünglich bedingt erworbene Pfandrecht wird von selbst zu einem unbedingten (Angst/Jakusch/Mohr EO14 § 374 E 36 ff). Eine unterschiedliche Behandlung der Befriedigungs- und Sicherungsexekution wäre daher sachlich nicht zu rechtfertigen.
Soweit der Revisionsrekurs ins Treffen führt, die Exekutionssperre könne jedenfalls nicht für die im Titelprozess obsiegten Verfahrenskosten gelten, weil diese nach der Rechtsprechung (zB 3 Ob 26/06d) als Forderungen aus Rechtshandlungen iSd § 124a Abs 1 zweiter Satz KO gelten würden, ist ihm entgegenzuhalten, dass sich die zitierte Rechtsprechung auf einen anderen Sachverhalt, nämlich auf Kosten des Gläubigers aus einem vom Masseverwalter nach Bekanntgabe der Masseunzulänglichkeit angestrengten oder fortgesetzten Anfechtungsprozess, bezieht.
Ein Anfechtungsanspruch, den der Masseverwalter nach Anzeige der Masseinsuffizienz klageweise geltend macht, soll die Massemittel vermehren, um so die gänzliche oder wenigstens eine höhere Befriedigung der Altmassegläubiger zu ermöglichen. Die Anfechtungsklage stellt ungeachtet des Prozessausgangs eine zur Verwertung der Konkursmasse gebotene Rechtshandlungen iSd § 124a Abs 1 zweiter Satz KO dar. Daher sind dem Anfechtungsgegner zuerkannte Prozesskosten privilegierte Masseforderungen gemäß § 124a Abs 1 letzter Satz KO, soweit sie auf den Zeitraum nach der öffentlichen Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit entfallen (3 Ob 26/06d).
Das vorliegende Verfahren wurde aber nicht vom Masseverwalter eingeleitet, sondern die Revisionsrekurswerberin hat auf Zahlung einer Altmasseforderung geklagt, die der Masseverwalter - obwohl er sie dem Grunde und der Höhe nach anerkannt hatte - während der Dauer der Massearmut nicht bezahlen durfte. Die Kosten dieser Klage rühren daher nicht aus einer nach Bekanntmachung der Masseunzulänglichkeit gesetzten Verwaltungs- oder Verwertungshandlung des Masseverwalters her und sind nicht nach § 124a Abs 2 KO privilegiert.
Der Frage, ob allenfalls jener Teil der im Titelverfahren zuerkannten Kosten, der auf das ordentliche Verfahren nach dem Einspruch des Masseverwalters gegen den Zahlungsbefehl entfällt, nach § 124a Abs 2 KO (IO) privilegiert sein könnte, wenn die Bestreitung der Klagbarkeit der Forderung aus Sicht des Masseverwalters zur ungeteilten Erhaltung der Masse für alle Massegläubiger dienen sollte und insoweit eine Verwaltungsmaßnahme iSd § 124a KO (IO) vorliegen könnte, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen.
Im Verfahren erster Instanz besteht grundsätzlich nur eine eingeschränkte Prüfpflicht des Exekutionsgerichts. Das Sachverhaltsvorbringen des Betreibenden im Exekutionsantrag ist für wahr zu halten (RIS-Justiz RS0000029; Jakusch aaO § 3 Rz 19 mwN). Daher muss der Betreibende, wenn einer Exekution im Allgemeinen ein Hindernis entgegensteht, behaupten, dass im konkreten Fall dieses Hindernis nicht besteht. Es muss dargetan werden, aufgrund welchen Sachverhalts die Exekutionsbeschränkung nicht zur Anwendung gelangt (so schon SZ 11/242; Angst/Jakusch/Mohr EO14 § 54 E 79, 83). Die volle Behauptung- und Beweislast trifft denjenigen, der sich auf die Ausnahme beruft (2 Ob 149/06k).
Die Revisionsrekurswerberin hat weder die Exekution für einen ziffernmäßig bestimmten Teilbetrag der zuerkannten Kosten begehrt, noch gesonderte Gründe für eine ausnahmsweise Durchbrechung der Exekutionssperre zugunsten der Kosten des Titelverfahrens angeführt; ihre Darlegungen bezogen sich nur auf den betriebenen Hauptanspruch, den sie als Neumasseforderung qualifiziert haben wollte.
Mangels gesetzlicher Anordnung ist die Behauptung eines Ausnahmetatbestands kein „gesetzliches Vorbringen“ nach § 54 Abs 3 EO, dessen Fehlen zu einem Verbesserungsauftrag führen müsste. Der insoweit nicht begründete Exekutionsantrag ist vielmehr als unschlüssig abzuweisen (vgl 3 Ob 53/08b [Behauptung einer Ausnahme vom Anwendungsbereich des MRG]).
Dem Revisionsrekurs war daher keine Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 50, 40 ZPO.
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