OGH 3Ob26/06d

OGH3Ob26/06d29.3.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei A***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Graf, Maxl & Pitkowitz Rechtsanwälte Gesellschaft mbH in Wien, wider die verpflichtete Partei S***** Betriebsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Klemens Dallinger, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter in deren Konkurs, wegen insgesamt 24.347,28 EUR sA, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 29. November 2005, GZ 46 R 888/05m-8, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom 13. September 2005, GZ 16 E 3015/05x-2, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er die betriebene vollstreckbare Kostenforderung von 3.795 EUR sA betrifft, zurückgewiesen. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs, soweit er daher die weitere betriebene vollstreckbare Kostenforderung von 20.552,28 EUR sA betrifft, Folge gegeben und die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts in diesem Umfang wiederhergestellt.

Die Exekutionskosten der betreibenden Partei in allen Instanzen werden - zum Teil in Abänderung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen - mit insgesamt 1.413,90 EUR (darin 216,65 EUR Umsatzsteuer und 114 EUR Barauslagen) bestimmt.

Text

Begründung

Die betreibende Partei brachte in ihrem Antrag auf Bewilligung der Forderungsexekution im Wesentlichen vor, über das Vermögen der verpflichteten Partei sei mit Beschluss vom 15. Juli 2002 der Konkurs eröffnet worden. Am 4. Juni 2003 habe der Masseverwalter dem Konkursgericht angezeigt, dass die Masse zur Erfüllung der Masseforderungen nicht ausreiche. Am 11. Juli 2003 habe er beim Handelsgericht Wien eine Anfechtungsklage über 432.908,99 EUR gegen die betreibende Partei eingebracht. Dieses Gericht habe das Klagebegehren mit Urteil vom 28. Mai 2004 abgewiesen und die verpflichtete Partei zum Ersatz der Prozesskosten der betreibenden Partei von 20.552,28 EUR sA verurteilt. Das Oberlandesgericht Wien habe der Berufung des Masseverwalters mit Urteil vom 30. März 2005 nicht Folge gegeben und der betreibenden Partei 3.795 EUR an Kosten des Berufungsverfahrens zuerkannt. Das Handelsgericht Wien habe am 25. Mai 2005 beide Entscheidungen für rechtskräftig und vollstreckbar erklärt. Wenn der Masseverwalter nach Anzeige der Masseinsuffizienz noch Anfechtungsprozesse führen dürfe, so seien die aus seiner „Prozessführung ... entstandenen Kosten unverzüglich zu befriedigen, sobald diese feststehen und fällig sind". Die betriebenen Kosten seien somit privilegierte Masseforderungen, die „unabhängig von der Reihenfolge des § 47 Abs 2 KO unverzüglich zu befriedigen" seien. Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei auf Grund der vollstreckbaren Urteile des Oberlandesgerichts Wien vom 30. März 2005 und des Handelsgerichts Wien vom 28. Mai 2004 die Forderungsexekution wider die verpflichtete Partei zur Hereinbringung der titulierten vollstreckbaren Kostenforderungen von 3.795 EUR und 20.552,28 EUR. Das Rekursgericht wies die Rekursbeantwortung der betreibenden Partei zurück und deren Exekutionsantrag ab. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es zu. Es stellte fest, dass der Konkurs über das Vermögen der verpflichteten Partei am 15. Juli 2002 eröffnet und das Handelsgericht Wien die Anzeige des Masseverwalters über die „Masseunzulänglichkeit" am 4. Juni 2003 in der Insolvenzdatei öffentlich bekannt machte. In rechtlicher Hinsicht sei maßgebend, dass Masseforderungen von der Exekutionssperre nach § 10 EO an sich nicht betroffen seien. Reiche jedoch die Konkursmasse nach Ansicht des Masseverwalters nicht einmal zur Tilgung der Masseforderungen aus, so sei gemäß § 124a Abs 1 und 2 KO vorzugehen. Nach öffentlicher Bekanntmachung der Masseinsuffizienz könne nur mehr für Masseforderungen aus Rechtshandlungen, die zur Verwaltung und zur Verwertung der Konkursmasse geboten seien, ein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden. Die betreibende Partei müsse bereits im Exekutionsantrag die Rechtsnatur der betriebenen Forderung als solche Masseforderung behaupten und dieses Vorbringen auch beweisen. Die betriebenen Kostenforderungen auf Grund der in einem Anfechtungsprozess ergangenen Urteile seien indes nicht Masseforderungen, die aus - zur Verwaltung und zur Verwertung der Konkursmasse gebotenen - Rechtshandlungen entstanden seien. Nur Masseforderungen aus Rechtshandlungen, die „unmittelbar der Substanzerhaltung oder (der) Veräußerung von zur Konkursmasse gehörenden Gegenständen" dienten, seien von der Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 zweiter Satz KO nicht erfasst. Die Entscheidung hänge von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ab, weil es im erörterten Punkt an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs mangle.

Der Revisionsrekurs ist unzulässig, soweit er die betriebene Forderung von 3.795 EUR sA betrifft, im Übrigen ist er zulässig und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Es entspricht der stRsp des Obersten Gerichtshofs, dass betriebene Ansprüche aus mehreren Exekutionstiteln keine Einheit bilden und daher für die Beurteilung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht zusammenzurechnen sind (Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 528 ZPO Rz 67 mN aus der Rsp). Den hier betriebenen vollstreckbaren Kostenforderungen liegen unterschiedliche Exekutionstitel zugrunde. Eine dieser Forderungen übersteigt nicht 4.000 EUR. Der Revisionsrekurs ist daher gemäß § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 1 ZPO absolut unzulässig, soweit er die betriebene vollstreckbare Kostenforderung von 3.795 EUR zum Gegenstand hat. Insofern ist der Ausspruch des Rekursgerichts über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses unbeachtlich, kann doch der erörterte gesetzliche Rechtsmittelausschluss durch einen solchen Ausspruch nicht umgangen werden. Das Rechtsmittel der betreibenden Partei ist daher in Ansehung der betriebenen vollstreckbaren Kostenforderung von 3.795 EUR zurückzuweisen.

2. Die verpflichtete Partei wendet in der Revisionsrekursbeantwortung unzutreffend ein, das Rechtsmittel der betreibenden Partei sei bereits deshalb unzulässig, weil Letztere im Exekutionsantrag - entgegen einer aus der Entscheidung 3 Ob 38/04s ablesbaren Leitlinie - nicht behauptet und bewiesen habe, dass die Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 zweiter Satz KO die betriebenen vollstreckbaren Kostenforderungen deshalb nicht erfasse, weil sie aus zur Verwaltung und zur Verwertung der Masse gebotenen Rechtshandlungen entstanden seien. Diese Argumentation übergeht den Akteninhalt, enthält doch der Exekutionsantrag gerade jenes Vorbringen, das die verpflichtete Partei vermisst. Insofern ist auch maßgebend, dass die Entscheidung nicht von der Klärung strittiger Tatsachen, sondern bloß von der Lösung der Rechtsfrage abhängt, ob Verfahrenskosten, die dem Prozessgegner des Masseverwalters in einem nach Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO eingeleiteten Anfechtungsprozess zuerkannt wurden, unter die Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 zweiter Satz KO fallen.

3. Konecny (Masseunzulänglichkeit und ihre Folgen, in Insolvenz-Forum 2002 [2003] 61, 85) hält zur Verwertung des Massevermögens nach Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO fest, deren Ziel sei „eine bessere Befriedigung möglichst vieler Massegläubiger". Deshalb solle der Masseverwalter danach trachten „die spärlich vorhandenen Mittel" zu vermehren und „die Masseforderungen möglichst gering" zu halten. Ein Anfechtungsanspruch, den der Masseverwalter - wie hier - nach Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO klageweise geltend macht, hat iS der Erwägungen Konecnys den Zweck, die Massemittel zu vermehren, um so die gänzliche oder wenigstens eine höhere Befriedigung der Altmassegläubiger zu ermöglichen. Im Schrifttum wird überdies zutreffend betont, dass auch Prozesshandlungen Rechtshandlungen iSd § 124a Abs 1 zweiter Satz KO sind (Nathschläger, Ersatz der Prozesskosten bei Masseunzulänglichkeit, ZIK 2005, 47 ff, 48). Daran kann jedenfalls für Prozesshandlungen, die erst nach Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO gesetzt wurden, kein Zweifel bestehen. Die Betreibung offener Forderungen des Gemeinschuldners zur Vermehrung der Massemittel - etwa auch im Prozessweg - ist eine zentrale Aufgabe des Masseverwalters (Nathschläger aaO 48). Zu dessen Kernaufgaben gehört ferner die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen gemäß §§ 27 ff KO, damit der Masse jene Mittel verschafft werden, um die das Vermögen des Gemeinschuldners durch anfechtbare Rechtshandlungen verkürzt wurde. Auch solche Prozesshandlungen sind iSd § 124a Abs 1 zweiter Satz KO dann „zur Verwertung geboten", wenn sie der Masseverwalter auf Grund einer bereits durch die Klageeinbringung dokumentierten Ex-ante-Beurteilung für geeignet hält, das Massevermögen zu vermehren, um so den Verwertungserfolg zu erhöhen. Nichts anderes gilt für die Weiterführung von bereits vor der Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO eingeleiteten Anfechtungsprozessen (Mohr, Insolvenzrecht 2002 - ecolex SPEZIAL 84; vgl zum gleichen Ergebnis nach deutscher Rechtslage Pape, Zulässigkeit der Insolvenzanfechtung nach Anzeige der Masseinsuffizienz, ZIP 2001, 901 ff, 903). Damit ist aber der dem Anfechtungsgegner nach (gänzlichem oder teilweisem) Scheitern der nach Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO im Fall deren späteren öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 124a Abs 2 erster Satz KO eingebrachten oder ab jenem Zeitpunkt weiterverfolgten Anfechtungsklage zuerkannte Anspruch auf Ersatz der Prozesskosten als gemäß § 124a Abs 1 letzter Satz KO privilegierte Masseforderung, für die die Exekutionssperre nach § 124a Abs 2 zweiter Satz KO nicht gilt, zu qualifizieren (nicht spezifisch zu Anfechtungsansprüchen, sondern allgemein idS zu klageweise geltend gemachten Forderungen Nathschläger aaO 48). Bei Weiterführung eines anhängigen Anfechtungsprozesses nach Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO gilt das für diejenigen Kosten, die auf den Zeitraum nach der erörterten Anzeige im Fall deren öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 124a Abs 2 erster Satz KO entfallen. Diese Ausführungen sind wie folgt zusammenzufassen:

Nach Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO beruht im Fall deren späteren öffentlichen Bekanntmachung gemäß § 124a Abs 2 erster Satz KO die klageweise Geltendmachung eines Anfechtungsanspruchs gemäß §§ 27 ff KO oder die Weiterführung eines in jenem Zeitpunkt bereits anhängigen Anfechtungsprozesses - ungeachtet des Prozessausgangs - auf zur Verwertung der Konkursmasse gebotenen Rechtshandlungen iSd § 124a Abs 1 zweiter Satz KO. Daher sind dem Anfechtungsgegner zuerkannte Prozesskosten privilegierte Masseforderungen gemäß § 124a Abs 1 letzter Satz KO, die von der Exekutionssperre nach § 124a Abs 2 zweiter Satz KO nicht erfasst werden. Bei Weiterführung eines bereits vor Anzeige der Masseinsuffizienz gemäß § 124a Abs 1 erster Satz KO anhängigen Anfechtungsprozesses gilt das für diejenigen Kosten, die auf den Zeitraum nach der erörterten Anzeige im Fall deren öffentlichen Bekanntmachung entfallen.

3. 1. Die verpflichtete Partei führt gegen die zuvor zusammengefasste Rechtslage Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zur Insolvenzrechts-Novelle 2002 BGBl I 2002/75 ins Treffen, die § 124a Abs 1 KO und die Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 zweiter Satz KO zum Gegenstand haben (RV 988 BlgNR 21. GP 34 - zweiter Absatz und erster Satz des dritten Absatzes). Hier ist indes zu klären, ob die unter 3. erörterte Ausnahme von der Exekutionssperre gemäß § 124a Abs 2 zweiter Satz KO eingreift.

Im Übrigen meint die verpflichtete Partei, den weiteren Erwägungen in den Gesetzesmaterialien (RV 988 BlgNR 21. GP 34 - dritter Absatz) sei zu entnehmen, dass Rechtshandlungen iSd § 124a Abs 1 zweiter Satz KO „vor allem ... Rechtsgeschäfte" seien. Damit wird selbst in der Revisionsrekursbeantwortung zugestanden, dass der Begriff Rechtshandlungen nicht bloß Rechtsgeschäfte umfasst. Diese Sicht der Rechtslage trägt bereits die Entscheidung 3 Ob 225/05t. Der in der Revisionsrekursbeantwortung verfochtenen Ansicht, „das Führen eines Anfechtungsprozesses" gehöre nicht zu den erörterten Rechtshandlungen, weshalb allfällige Kostenersatzansprüche der Prozessgegner in Anfechtungsprozessen als Masseforderungen nicht privilegiert seien, ist im Licht der Gründe unter 3. nicht beizutreten. Nicht überzeugend ist auch das Argument, „der Prozessgegner einer mittellosen und nur durch Gewährung der Verfahrenshilfe prozessierenden Partei" sei in der „Einbringlichkeit" einer Kostenersatzforderung ebenso nicht geschützt. Dem Verfahrenshilferecht ist eine Kostenprivilegierung bestimmter Gegner mittelloser Parteien fremd, während § 124a Abs 1 KO die Privilegierung bestimmter Masseforderungen ausdrücklich anordnet. Die von der verpflichteten Partei bevorzugte Auslegung, die erörterte Privilegierung gelte nur für „(vergleichsweise geringfügige) Kosten für die Ermöglichung einer Verwertung", entbehrt einer Stütze im Gesetz. Die Beispiele in den Gesetzesmaterialien (Inseratenkosten, Versicherungsprämien) haben, wie in Wahrheit auch der Masseverwalter erkennt, bloß exemplarische Bedeutung (RV 988 BlgNR 21. GP 34). Die Exekutionsbewilligung des Erstgerichts ist somit in dem aus dem Spruch dieser Entscheidung folgenden Umfang wiederherzustellen.

4. Der Ausspruch über die Exekutionskosten der betreibenden Partei gründet sich auf § 74 EO. Da der Exekutionsantrag auf Hereinbringung der vollstreckbaren Kostenforderung von 3.795 EUR rechtskräftig abgewiesen wurde, ist dieser Antrag ausgehend von 20.552,28 EUR als Bemessungsgrundlage zu honorieren (Normalkosten insgesamt 620,40 EUR). Dagegen obsiegte die verpflichtete Partei im Rekursverfahren, das zufolge Zurückweisung der Rekursbeantwortung der betreibenden Partei einseitig war, mit 3.795 EUR. Auf dieser Basis sind die Rekurskosten zu bemessen (insgesamt 333,12 EUR). In dritter Instanz hat die betreibende Partei Anspruch auf Kostenersatz von 20.552,28 EUR als Bemessungsgrundlage (insgesamt 1.126,62 EUR). Insofern ist anzumerken, dass der verpflichteten Partei die Revisionsrekursbeantwortung nur in Hinsicht auf die vollstreckbare Kostenforderung von 20.552,28 EUR freigestellt wurde. Die Saldierung der wechselseitigen Kostenersatzansprüche ergibt die im Spruch dieser Entscheidung ausgeworfene Differenz an Exekutionskosten der betreibenden Partei.

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