OGH 10ObS176/10w

OGH10ObS176/10w1.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Irene Kienzl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei O*****, gegen die beklagte Partei Pensionsinstitut der Linz AG, Wiener Straße 151, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Höhe der Zuschusspension, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Oktober 2010, GZ 12 Rs 124/10g-7 (idF des Berichtigungsbeschlusses vom 8. November 2010, GZ 12 Rs 124/10g-10), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. Juni 2010, GZ 8 Cgs 75/10b-4 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Das beklagte Pensionsinstitut ist - als Träger der zusätzlichen Pensionsversicherung von nach dem ASVG pflichtversicherten Bediensteten der Linz AG - gemäß § 479 Abs 1 ASVG eine Zuschusskasse des öffentlichen Rechts (10 ObS 183/95 mwN = SSV-NF 9/89). Nach Abs 2 leg cit ist (bis zum Inkrafttreten einer besonderen bundesgesetzlichen Regelung) die zusätzliche Pensionsversicherung unter Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit der Versicherungsträger und auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Versicherten durch die Satzung der Versicherungsträger zu regeln. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (stRsp; RIS-Justiz RS0053880; 10 ObS 215/93 = SSV-NF 8/112; 10 ObS 68/89 = SSV-NF 3/53).

Mit Bescheid der Beklagten vom 24. 3. 2010 wurde die Zuschusspension des Klägers unter Berufung auf § 84 iVm § 64 ihrer Satzung ab 1. 1. 2009 um 17 % gekürzt.

Das Erstgericht gab der dagegen erhobenen Klage teilweise statt und verpflichtete die Beklagte, die Zuschusspension in ungekürzter Höhe von 605,04 EUR brutto monatlich ab 1. 1. 2009 bis 31. 3. 2009 weiter zu gewähren; das Mehrbegehren auf ungekürzte Pensionsgewährung ab dem 1. 4. 2009 wies es - unbekämpft und daher rechtskräftig - ab. Die Herabsetzung der Zuschusspensionen sei erst aufgrund der Beschlussfassung vom 30. 3. 2009 als vorläufige Maßnahme nach § 64 Abs 6a der Satzung mit 1. 4. 2009 wirksam geworden. Dazu traf es folgende Feststellungen:

Anlässlich einer Sitzung des Vorstands der Beklagten am 12. 11. 2008 (zwecks Festsetzung der Anpassungsfaktoren gemäß § 84 der Satzung für das Jahr 2009) wurde die Notwendigkeit erkannt, dass aufgrund der Finanzlage die rechnerische Anpassung für die Pensionen ab 1. 1. 2009 allenfalls zu Kürzungen der Zusatzpensionen führen würde. Es wurde aber dessen ungeachtet eine vorläufige Pensionskürzung nicht beschlossen, sondern vielmehr der Anpassungsfaktor für das Jahr 2009 noch mit 1,0 festgelegt. Bei einer weiteren Sitzung am 30. 3. 2009 mit folgenden Tagesordnungspunkten: „Beschluss über Zuweisung von Schwankungsrückstellungen gemäß § 64 Abs 6a der Satzung per 31. 12. 2008“ und „Beschluss über die Neu-Festsetzung der Anpassungsfaktoren gemäß § 84 der Satzung für das Kalenderjahr 2009 (Abänderung des Beschlusses vom 12. 11. 2008)“ wurde der Beschluss gefasst, dass gemäß § 64 Abs 6a der Satzung die Pensionen einheitlich um 17 % rückwirkend mit 31. 12. 2008, daher wirksam ab 1. 1. 2009 gekürzt werden. Gleichzeitig wurde der Anpassungsfaktor für das Jahr 2009 neu mit 0,83 festgelegt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es hielt den Text der §§ 64 und 84 der Satzung samt den darin enthaltenen Einfügungen durch die ebenfalls am 12. 11. 2008 beschlossene Satzungsänderung, die am 24. 12. 2008 wirksam wurde, fest und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Beklagte am 12. 11. 2008 den Anpassungsfaktor für das Jahr 2009 (der damals geltenden Satzungsbestimmung entsprechend) rechtswirksam mit 1,0 festgelegt habe; § 84 Abs 1 der Satzung in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung habe nämlich vorgesehen, dass der Vorstand „bis zum 30. November eines jeden Jahres“ über den Anpassungsfaktor des Folgejahres zu entscheiden habe.

Die gleichzeitig (am 12. 11. 2008) beschlossene Satzungsänderung, mit der § 64 Abs 6a eingefügt worden sei (der eine vorläufige Leistungskürzung bis zur Absehbarkeit des tatsächlich erforderlichen Kürzungsausmaßes aufgrund der versicherungstechnischen Bilanz ermöglichen sollte), sei erst am 24. 12. 2008 in Kraft getreten. Dementsprechend sei mit der ab diesem Zeitpunkt geltenden Satzungsänderung auch dem § 84 Abs 1 ein zweiter Satz angefügt worden, der eine solche vorläufige Festsetzung „auch nach dem 30. November“ erlaubt habe.

Daher sei eine Beschlussfassung über einen lediglich vorläufigen Anpassungsfaktor für das Folgejahr nach dem jeweils 30. November erst ab dem 24. 12. 2008 und damit nur für spätere Jahre möglich gewesen. § 64 Abs 6a der Satzung könne nicht als Grundlage für eine nachträgliche vorläufige Festsetzung des Anpassungsfaktors ab 1. 1. 2009 herangezogen werden, sei von der Beklagten aber dennoch als Basis dafür herangezogen worden, um den wirksam festgesetzten Anpassungsfaktor ab 1. 1. 2009 durch einen „erneuten“ Beschluss abzuändern. Der neue § 64 Abs 6a der Satzung hätte nur dann Gültigkeit bereits für 2009 gehabt, wenn er rechtzeitig vor dem 30. 11. 2008 und vor der Festlegung eines Anpassungsfaktors für 2009 in Kraft getreten wäre. Im noch nicht rechtskräftig erledigten Zeitraum 1. 1. 2009 bis 30. 3. 2009 stehe dem Kläger die Zuschusspension somit ungekürzt zu, ohne dass auf alle übrigen von der Beklagten aufgeworfenen Fragen einzugehen sei.

Die ordentliche Revision sei unzulässig, weil der Zeitpunkt des Inkrafttretens der neuen Satzungsbestimmungen ebenso eindeutig und unstrittig sei wie der Umstand, dass die Festsetzung des Anpassungsfaktors mit 1,0 für 2009 bereits am 12. 11. 2008 erfolgte.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zu den hier gemäß § 479 ASVG anwendbaren Bestimmungen der Satzung der Beklagten eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Zusammenhang mit der hier vorliegenden Fallkonstellation fehlt; sie ist aber nicht berechtigt.

Zunächst ist der Wortlaut der hier maßgebenden Satzungsbestimmungen (die am 12. 11. 2008 mit Wirksamkeit am 24. 12. 2008 geändert wurden) festzuhalten, wobei die Änderungen jeweils durch Kursivdruck gekennzeichnet sind:

§ 84 der Satzung betreffend die „Festsetzung des Anpassungsfaktors und die Anpassung der monatlichen Leistungen“ lautet auszugsweise wie folgt:

§ 84 (1) Der Vorstand hat bis zum 30. November eines jeden Jahres für das folgende Jahr einen Anpassungsfaktor festzusetzen. In den Fällen des § 64 Abs 6a kann die Festsetzung auch nach dem 30. November erfolgen.

(2) Der Anpassungsfaktor hat sich an der Steigerungsrate des „Indexes der Verbraucherpreise 1986“ oder … zu orientieren. …

(3) Die Erhöhung der Leistungen wird wie folgt festgelegt:

… [je nach Stichtag mit einer bestimmten Quote des VPI] …

(4) Wenn die Schwankungsrückstellung gemäß § 70 und die eingeschränkte Garantie der Gesellschaft gemäß § 72 zur Finanzierung der Erhöhung der Leistungen gemäß Abs 3 in einem Jahr nicht ausreichen, sind die Anpassungsfaktoren abweichend von Abs 3 so festzulegen, dass die Finanzierung gesichert ist. Die Anpassungsfaktoren können dabei auch kleiner als 1 (eins) sein, sodass sich durch deren Anwendung Leistungskürzungen im folgenden Ausmaß ergeben.

(7) Mit Wirksamkeit 1. Jänner eines jeden Jahres sind die Leistungen mit den vom Vorstand festgesetzten Anpassungsfaktoren zu vervielfachen. In den Fällen des § 64 Abs 6a kann auch ein abweichendes Wirksamkeitsdatum festgelegt werden. …

(8) Der Anpassung nach Abs 7 ist die für den Monat Dezember des vorangegangenen Jahres gebührende Leistung vor Anwendung allfälliger Kürzungs- und Ruhensbestimmungen zu Grunde zu legen. Wurde gemäß Abs 7 in den Fällen des § 64 Abs 6a ein anderes Wirksamkeitsdatum als der 1. Jänner festgelegt, tritt an die Stelle des Dezember das unmittelbar vor dem Wirksamkeitsdatum liegende Monat.

§ 64 betreffend die „Schwankungsrückstellung“ hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

§ 64 (1) Zum Ausgleich von Gewinnen und Verlusten aus der Veranlagung des Vermögens und aus dem versicherungstechnischen Ergebnis sind Schwankungsrückstellungen zu bilden. …

(3) Der Sollwert der Schwankungsrückstellung beträgt 10 % des bewerteten Vermögens zum jeweiligen Bilanzstichtag.

(6a) Der Vorstand kann, wenn sich aufgrund der finanziellen Situation im vierten Quartal eines Jahres eine Leistungskürzung für das folgende Jahr abzeichnet, eine vorläufige Zuweisung zur Schwankungsrückstellung aus der Deckungsrückstellung oder Gewinnrückstellung beschließen. Diese Zuweisung wird in Form von vorläufigen Leistungskürzungen wirksam. Aufgrund der versicherungstechnischen Bilanz (§ 61) sind die vorläufigen Kürzungen in weiterer Folge gegen das tatsächlich erforderliche Ausmaß aufzurechnen. Die sich daraus ergebende Differenz ist der Gewinnrückstellung zuzuführen. Zur Wirksamkeit solcher Beschlüsse sind eine Stellungnahme des Aktuars sowie die Zustimmung der Kontrollversammlung erforderlich.

In der außerordentlichen Revision macht die Beklagte geltend, es fehle (zwar) höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob ein Beschluss betreffend die Pensionsanpassung „bindend und unabänderbar“ sei, sofern die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung in Geltung stehende Rechtsgrundlage nicht ausdrücklich eine Abänderbarkeit vorsehe, sondern erst nach Beschlussfassung „eine solche Regelung beschlossen wird bzw in Kraft tritt“. Der österreichische Gesetzgeber gehe (aber) nicht davon aus, dass „Beschlüsse betreffend Pensionsanpassungen“ bindend und nicht mehr abänderbar seien, weil er etwa den Wirksamkeitsbeginn der Pensionsanpassung 2009 um zwei Monate (von 1. 1. 2009 auf 1. 11. 2008) vorverlegt habe und die hiefür erforderlichen Adaptierungen im SVÄG 2008 „nachträglich“ vorgenommen worden seien. Außerdem habe das Berufungsgericht die Auffassung, dass mit dem Beschluss vom 12. 11. 2008 der Anpassungsfaktor für 2009 „bereits bindend“ ab 1. 1. 2009 mit 1,0 festgesetzt worden sei, „nicht näher begründet“, was einen Nichtigkeitsgrund, zumindest aber einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle.

Dem ist zu erwidern, dass eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO nur dann gegeben ist, wenn ein Widerspruch im Spruch selbst und ein Mangel der Gründe überhaupt, nicht aber, wenn eine mangelhafte Begründung vorliegt (RIS-Justiz RS0042133; RS0042171; 3 Ob 92/10s). Da die Beklagte bloß Letzteres behauptet, weil sie selbst ausführt, dass das Berufungsgericht „zur Begründung“ seiner Entscheidung „nur wiedergegeben“ habe, wann welche Satzungsbestimmung „wirksam war“, kann von einer Nichtigkeit des angefochtenen Urteils jedenfalls keine Rede sein.

Es ist aber auch kein aus der Verletzung der Begründungspflicht abzuleitender Verfahrensmangel erkennbar; hat das Berufungsgericht doch dargelegt, weshalb es im konkreten Fall zum einen davon ausging, dass die Beklagte am 12. 11. 2008 den Anpassungsfaktor für das Jahr 2009 - der damals geltenden Satzungsbestimmung entsprechend - rechtswirksam mit 1,0 festgelegt habe, und zum anderen verneinte, dass § 64 Abs 6a der Satzung von der Beklagten als Grundlage für eine „nachträgliche vorläufige“ Festsetzung des Anpassungsfaktors ab 1. 1. 2009 herangezogen werden konnte.

Dass die dazu angestellten Überlegungen des Berufungsgerichts, die bereits wiedergegeben wurden, unrichtig wären, vermag die Revisionswerberin nicht darzulegen:

Wird doch insoweit lediglich auf die mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Vorverlegung der Pensionsanpassung 2009 durch das SVÄG 2008 verwiesen und der - unzutreffende - Vorwurf eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht erhoben; wobei die Revisionswerberin selbst ausdrücklich zugesteht, dass die - eine Festsetzung des Anpassungsfaktors „auch nach dem 30. November“ erstmals ermöglichende - Satzungsänderung (durch Einfügen eines diese Wortfolge enthaltenden zweiten Satzes in § 84 Abs 1 iVm § 64 Abs 6a der Satzung) erst am 24. 12. 2008 in Kraft trat (vgl insb die Ausführungen zu den zit Bestimmungen auf den Seiten 7 und 10 der ao Revision).

Davon ausgehend ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, dass die - rückwirkende - (Neu-)Festsetzung des (bereits am 12. 11. 2008) satzungsgemäß beschlossenen Anpassungsfaktors für das Jahr 2009 in der Sitzung der Beklagten vom 30. 3. 2009 (unter Bezugnahme auf die nicht rechtzeitig [bis zum Festsetzungstermin 30. 11. 2008] in Kraft getretene Satzungsänderung) jedenfalls für den noch zu beurteilenden Zeitraum (1. 1. bis 31. 3. 2009) ausgeschlossen war; weshalb sich die weiteren von der Revisionswerberin aufgeworfenen Fragen, die sich ausführlich mit der Auslegung der hier nicht anzuwendenden neuen Satzungsbestimmungen (bezüglich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und der Höhe einer rückwirkenden Kürzung der Zuschusspension) befassen, gar nicht stellen.

Der Revision kann daher insgesamt kein Erfolg beschieden sein.

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