OGH 10ObS183/95

OGH10ObS183/9517.10.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Robert Letz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmuth Prenner (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Horst K*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl und Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsinstitut für Verkehr und öffentliche Einrichtungen, 1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 37, vertreten durch Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ruhegenuß, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juni 1995, GZ 10 Rs 44/95-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 21. Dezember 1994, GZ 12 Cgs 196/94i-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Beide Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 22.12.1965 bis 20.4.1994 bei der "Compagnie Internationale des Wagon-Lits et du Tourisme S.A." als Kontrolleur beschäftigt und als solcher beim beklagten Pensionsinstitut pensionszusatzversichert.

Am 4.10.1993 stellte er bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension. Mit Bescheid dieser Anstalt vom 15.4.1994 wurde dem Kläger daraufhin die Berufsunfähigkeitspension ab 1.11.1993 zuerkannt; sie betrug zunächst S 15.000,-- und ab 1.1.1994 S 15.375,-- brutto. Der Kläger trat vorerst nicht an die beklagte Partei heran, weil er glaubte, ein Antrag an die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten auf Berufsunfähigkeitspension gelte auch als Antrag auf Gewährung eines Ruhegenusses durch das beklagte Pensionsinstitut. Auf Grund einer Nachfrage des Klägers am 5.5.1994 bei der beklagten Partei, ob er nun auf Grund des Pensionsbescheides der Pensionsver- sicherungsanstalt der Angestellten den Ruhegenuß von der beklagten Partei ab dem 1.11.1993 erhalte, wurde ihm mitgeteilt, daß dies ohne Stellung eines gesonderten Antrages nicht möglich sei. Der Kläger stellte daraufhin am 5.5.1994 einen entsprechenden Antrag, dem mit Bescheid der beklagten Partei vom 24.8.1994 dahin stattgegeben wurde, daß ihm ab 1.6.1994 gemäß § 42 Abs 1 der Satzung der Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit gewährt wurde. Da ein Anspruch auf eine entsprechende Pension aus der Pensionsversicherung bestand, gebührte als satzungsmäßige Leistung eine Zuschußleistung gemäß § 52 der Satzung von monatlich S 3.217,--.

Gegen den zuletzt genannten Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte Klage mit dem Begehren, dem Kläger den Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit auch für die Zeit vom 1.11.1993 (Stichtag der Berufsunfähigkeitspension) bis zum 30.5.1994 zu gewähren. Dazu brachte er vor, die beklagte Partei habe ihm den satzungsgemäßen Ruhegenuß (bzw. die Zuschußleistung) wegen Dienstunfähigkeit bereits ab 1.11.1993 zu gewähren. Habe ein Träger der gesetzlichen Pensionsversicherung rechtskräftig entschieden, daß eine Pension zustehe, dann gebühre der Ruhegenuß durch die beklagte Partei ohne weiteres Verfahren. Überdies hätte die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten seinen Antrag umgehend an die beklagte Partei weiterleiten müssen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie verwies auf § 86 ASVG, wonach Leistungen der beklagten Partei auch bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen nur gewährt werden könnten, wenn sie beantragt worden seien. Stichtag für die Zuschußleistung sei daher der auf die Antragstellung folgende Monatserste.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Zahlung eines Ruhegenusses für den Zeitraum vom 1.11.1993 bis 30.5.1994 ab. Es verwies auf § 21 der Satzung der beklagten Partei, der die Geltendmachung der Ansprüche regle und nach dem sowohl der Antrag auf die Zuschußleistung des Instituts als auch der Antrag auf die entsprechende ASVG-Pension beim Institut einzubringen seien. Die Rechtsauffassung des Klägers, daß der Ruhegenuß in Form der Zuschußleistung ohne weiteres Verfahren, also ohne Antragstellung auszuzahlen sei, widerspreche der hier anzuwendenden Bestimmung des § 86 ASVG. Da der Kläger bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten nur einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension nach dem ASVG gestellt habe, könne dieser Antrag auch nicht als Antrag auf die andersartige Zuschußleistung der beklagten Partei angesehen werden. Eine Weiterleitung dieses Antrages sei daher nicht in Frage gekommen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit der Maßgabe, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, über die mit Bescheid vom 24.8.1994 zuerkannten Leistungen auf Ruhegenuß ab 1.6.1994 hinaus dem Kläger auch einen Ruhegenuß für den Zeitraum vom 1.11.1993 bis 30.5.1995 (richtig: 1994) zu gewähren, abgewiesen wurde. In rechtlicher Hinsicht trat das Berufungsgericht den Argumenten des Erstgerichtes bei.

Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Er beantragt die Abänderung dahin, daß seinem Klagebegehren voll stattgegeben werde und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Nach § 479 Abs 1 ASVG handelt es sich bei dem beklagten Pensionsinstitut um eine Zuschußkasse des öffentlichen Rechtes, die der Aufsicht des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung untersteht. Nach § 479 Abs 2 ASVG ist die zusätzliche Pensionsversicherung (vorläufig) durch die Satzung des Versicherungsträgers zu regeln, wobei eine Reihe von Bestimmungen des ASVG entsprechend anzuwenden sind (vgl SSV-NF 8/112), darunter der § 86 und sämtliche Bestimmungen des 7. Teiles. Daß dem Kläger ein Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit nach § 42 der Satzung zusteht, ihm nach § 52 der Satzung allerdings nicht die volle Leistung, sondern nur eine Zuschußleistung gebührt, ist im vorliegenden Verfahren nicht strittig. Nachzugehen ist lediglich der Frage, ob der durch die Antragstellung bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten ausgelöste Stichtag für die Berufsunfähigkeitspension, nämlich der 1.11.1993, auch für die Zuschußleistung durch die beklagte Partei gilt, obwohl der Kläger den entsprechenden Antrag bei dieser erst am 5.5.1994 gestellt hatte. Die Geltendmachung der Ansprüche wird im § 21 der Satzung geregelt, der folgenden Wortlaut hat:

"1. Der Anspruch auf Versicherungsleistungen ist schriftlich geltend zu machen. Als Tag der Geltendmachung gilt der Tag, an dem der Antrag beim Institut einlangt.

2. Kann in der Pensionsversicherung ein Leistungsanspruch geltend gemacht werden, so ist der bezügliche Antrag unter Benützung der hiefür vorgesehenen Vordrucke im Wege des Institutes zu stellen.

3. Der Antragsteller (Anspruchswerber), der der Verpflichtung nach Abs 2 nicht nachkommt, ist vom Institut aufzufordern, den Leistungsanspruch auch in der Pensionsversicherung geltend zu machen.

4. Erfolgt die Antragstellung im Sinn des Abs 2 überhaupt nicht oder nicht im Wege des Institutes und kann sich daraus, aus welchem Grund auch immer, für das Institut ein Nachteil ergeben, hat das Institut seine künftigen Leistungen so zu bemessen, als ob dieser mögliche Nachteil nicht eingetreten wäre.

5. .........".

Weiters enthält die Satzung in ihrem § 30 eine Stichtagsregelung, die folgenden Wortlaut hat:

"Stichtag für die Feststellung, ob und in welchem Ausmaß eine Leistung gebührt, ist der Tag, an dem der Leistungsanspruch entsteht, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der diesem Tag folgende Monatserste. Wird der Anspruch auf eine Versicherungsleistung nach § 29 Z 1, 2, 3 oder 5 erst nach der Entstehung des Leistungsanspruches geltend gemacht, ist der Stichtag für diese Feststellung der Tag der Geltendmachung des Anspruches, wenn er auf einen Monatsersten fällt, sonst der diesem Tag folgende Monatserste".

Diese Stichtagsregelung gilt insbesondere auch für den Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit. Anspruch auf einen solchen Ruhegenuß haben die Versicherten, wenn die Wartezeit erfüllt ist, bei dauernder oder vorübergehender Dienstunfähigkeit, wenn entweder ein bescheidmäßig festgestellter Anspruch auf vorübergehende oder dauernde Invaliditäts-(Berufsunfähigkeits-)pension oder auf vorzeitige Alterspension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit aus der Pensionsversicherung nach dem ASVG besteht (§ 42 Abs 1 der Satzung) oder ein entsprechender Antrag nach dem ASVG bescheidmäßig rechtskräftig abgewiesen worden ist und das Dienstverhältnis wegen eingetretener Dienstunfähigkeit ... beendet worden ist (§ 42 Abs 2 der Satzung). Aus diesen bisher zitierten Bestimmungen läßt sich aber entgegen dem Rechtsstandpunkt des Klägers nicht ableiten, daß es nicht einer gesonderten Antragstellung auf Ruhegenuß bei der beklagten Partei bedürfte. Nach dem über § 479 Abs 2 Z 1 ASVG anzuwendenden § 86 Abs 3 Z 2 ASVG fällt auch der Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit mit Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen an, wenn sie auf einen Monatsersten fällt, sonst mit dem der Erfüllung der Voraussetzungen folgenden Monatsersten, sofern der Ruhegenuß binnen einem Monat nach Erfüllung der Voraussetzungen beantragt wird. Wird der Antrag auf Ruhegenuß erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so fällt er mit dem Stichtag an. Zu Unrecht folgert der Revisionswerber aus der Voraussetzung eines bescheidmäßig festgestellten Anspruchs auf Invaliditäts-(Berufungsähigkeits-)pension in § 42 Abs 1 der Satzung, daß die erst am 5.5.1994 bei der beklagten Partei erfolgte Antragstellung auf den Stichtag nach dem ASVG zurückwirke. Bei der Berufsunfähigkeitspension einerseits und dem Ruhegenuß wegen Dienstunfähigkeit andererseits handelt es sich um zwei völlig getrennte soziale Leistungen, die jede für sich dem Antragsprinzip unterliegt und daher nur über ausdrücklichen Antrag gewährt werden.

Richtig ist, daß die beklagte Partei auch den im 7. Teil des ASVG enthaltenen § 361 anzuwenden hat. Danach sind Anträge auf Leistungen bei dem örtlich und sachlich zuständigen Versicherungsträger einzubringen. Wird der Antrag bei einem anderen Versicherungsträger eingebracht, so ist er ohne unnötigen Aufschub an den zuständigen Versicherungsträger weiterzuleiten. Daraus folgert der Revisionswerber, die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten hätte seinen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension auch als einen solchen auf Gewährung des Ruhegenusses wegen Dienstunfähigkeit auffassen und an die beklagte Partei weiterleiten müssen; zumindest wäre die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten verpflichtet gewesen, die beklagte Partei von der erfolgten Antragstellung unverzüglich zu verständigen.

Auch dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wenngleich im Sinne sozialer Rechtsanwendung ein Antrag im Zweifel zugunsten des Versicherten auszulegen ist und ein Sozialversicherungsträger wegen der ihm obliegenden Betreuungspflicht verpflichtet ist, durch entsprechende Belehrung und Auskünfte auf eine Antragstellung hinzuwirken, die den rechtlichen Interessen von Anspruchswerbern weitgehend Rechnung trägt (vgl. SSV-NF 5/128), wird vom Revisionswerber übersehen, daß das Gesetz abgesehen von hier nicht vorliegenden Ausnahmen wie zB § 86 Abs 3 Z 1 ASVG kein Institut kennt, welches den Versicherten vor versicherungsrechtlichen Nachteilen bewahrt, wenn ihm selbst ohne sein Verschulden eine zeitgerechte Antragstellung nicht möglich war und auch eine wegen Unkenntnis des Gesetzes verspätete Antragstellung auf keinen früheren Zeitpunkt zurückwirkt (vgl. SSV-NF 4/21, 5/81). Entscheidend ist hier jedoch, daß die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten nicht verpflichtet war, den ausdrücklich auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension gerichteten Antrag an die beklagte Partei weiterzuleiten, weil sie allein zur Erledigung dieses Antrages zuständig war.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 1 und 2 lit b ASGG. Das Kostenersatzbegehren der beklagten Partei ist unberechtigt, weil der Versicherungsträger die ihm durch das Verfahren erwachsenen Kosten ohne Rücksicht auf dessen Ausgang selbst zu tragen hat. Im Rahmen des § 77 ASGG ist ein Kostenersatzanspruch eines Versicherungsträgers gegen einen Versicherten nur vorgesehen (Abs 3), wenn der Versicherte dem Versicherungträger durch Mutwillen, Verschleppung oder Irreführung Verfahrenskosten verursacht hat. Selbst eine unzulässige oder offenbar unbegründete Klage oder derartige Rechtsmittel sind nicht schon mutwillig. Hiefür wäre notwendig, daß der Versicherte erkennbar schlechtgläubig in dem Sinne ist, daß er die Unzulässigkeit oder den völligen Mangel jeder ernstzunehmenden Begründung erkannt und trotzdem die Klage eingebracht und das Verfahren ungeachtet einer ihm erteilten richterlichen Belehrung fortgesetzt oder das Rechtsmittel erhoben hat (SSV-NF 4/141; Kuderna ASGG 413 Erl 9 zu § 77). Hievon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, woraus sich ergibt, daß die beklagte Partei die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen hat. Es bestehen aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dem unterlegenen Kläger nach Billigkeit einen Kostenersatz zu gewähren.

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