OGH 3Ob1/11k

OGH3Ob1/11k23.2.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 8. Oktober 2010 verstorbenen Dr. Maria D*****, der Erstantragstellerin M*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, der Zweitantragstellerin Dr. M*****, Frankreich, und der Drittantragstellerin Mag. B*****, letztere beide vertreten durch Dr. Werner Heissig, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung des Erbrechts, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. November 2010, GZ 42 R 463/10i-76, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Meidling vom 30. Juli 2010, GZ 26 A 73/08p-69, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 20. Mai 1911 geborene Frau Dr. Maria D***** ist am 8. Oktober 2008 verstorben.

Gegenstand des nunmehrigen Verfahrens ist ein Erbrechtsstreit nach §§ 161 ff AußStrG. Die Erstantragstellerin hat aufgrund eines handschriftlichen Testaments vom 31. Jänner 2003 eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass abgegeben. Die Zweit- und die Drittantragstellerin haben aufgrund des Gesetzes unbedingte Erbantrittserklärungen je zur Hälfte des Nachlasses abgegeben. Sie bestreiten die Testierfähigkeit der Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung.

Das Erstgericht stellte unter anderem fest:

„Frau Dr. D***** war am 31. 1. 2003, als sie das Testament schrieb, der Vorgang der Testamentserrichtung sowie der Inhalt des Testamentes nicht bewusst und hatte zu diesem Zeitpunkt bei weitem nicht die kognitiven Fähigkeiten eines 14-Jährigen. Frau Dr. Maria D***** litt an einem ausgeprägten dementen Zustandsbild.“

Davon ausgehend beurteilten die Vorinstanzen die Erblasserin als testierunfähig.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Erstantragstellerin als erhebliche Rechtsfragen geltend, dass das Erstgericht dem Antrag der Erstantragstellerin auf Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Frage der Testierfähigkeit (trotz der zahlreichen für die Testierfähigkeit sprechenden Zeugenaussagen) nicht stattgegeben habe und dass die Verneinung der Testierfähigkeit in diesem Fall der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs widerspreche.

Rechtliche Beurteilung

1. Ein vom Rekursgericht verneinter (angeblicher) Mangel des Verfahrens erster Instanz kann nach ständiger Rechtsprechung auch im Außerstreitverfahren (wenn er nicht von Amts wegen aufzugreifen war) nicht erfolgreich im Revisionsrekursverfahren geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0043111 [T22]; RS0074223 [T3]). Ein Ausnahmefall, in dem das Rekursgericht den Mangel von Amts wegen aufzugreifen gehabt hätte (1 Ob 190/07h), liegt in einem Verfahren über die Feststellung des Erbrechts nach §§ 161 ff AußStrG nicht vor (siehe § 161 Abs 1 AußStrG: „im Rahmen des Vorbringen der Parteien und ihrer Beweisanbote“). Ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, ist eine Frage der Beweiswürdigung und kann daher nicht erfolgreich Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens sein (zum Streitverfahren, dem das Verfahren über die Feststellung des Erbrechts nachgebildet ist, RIS-Justiz RS0043320 [T22]; RS0043163). Im Übrigen hat der Sachverständige nicht über die Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0012408) der Testierfähigkeit abzusprechen (RIS-Justiz RS0012400 [T1]; RS0012408 [T3]).

2. Unter welchen Voraussetzungen von der Testierunfähigkeit eines Erblassers auszugehen ist, ist eine Frage des jeweiligen Einzelfalls, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen - die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht rechtfertigen kann (RIS-Justiz RS0012408 [T2]). Eine solche Fehlbeurteilung ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.

2.1. Auch wenn die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen nicht vor dem Obersten Gerichtshof angefochten werden kann, ist vorweg darauf hinzuweisen, dass das Erstgericht und das Berufungsgericht ausführlich dargestellt haben, aufgrund welcher Erwägungen sie zur Feststellung gelangt sind, dass bei der Erblasserin zum Zeitpunkt des Testiervorgangs die kognitiven Fähigkeiten einer 14jährigen Person fehlten.

2.2. Es entspricht sowohl der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0012427; siehe weiters die Nachweise bei Gruber/Sprohar-Heimlich/Scheuba in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge § 16 Rz 29 in Fn 72) als auch der herrschenden Lehre (zB Abraham, Der Begriff der Testierfähigkeit, NZ 1993, 25 [28]; Welser in Rummel 3 §§ 566 - 569 ABGB Rz 4; Knechtel in ABGB-ON § 566 Rz 2), dass die Testierfähigkeit (nur) dann zu bejahen ist, wenn zumindest die kognitiven und volitiven Fähigkeiten einer 14-jährigen Person vorliegen. Entgegen dem Vorbringen im Revisionsrekurs kommt das Wort „Blödsinn“ in § 566 ABGB idF des Art 7 des Bundesgesetzes zur Beseitigung behindertendiskriminierender Bestimmungen, BGBl I 1999/164, nicht (mehr) vor. Die Aufzählung der Erbunfähigkeitsgründe in § 566 ABGB ist nach herrschender Ansicht nach wie vor bloß demonstrativ (Welser in Rummel 3 §§ 566 - 569 ABGB Rz 5; Eccher in Schwimann ABGB3 § 566 Rz 2).

2.3. Letztlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanzen ihre Beurteilung der Testierunfähigkeit nicht auf das Alter der Erblasserin, sondern auf deren Demenzerkrankung stützten.

3. Da der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt, ist er als unzulässig zurückzuweisen.

Stichworte