OGH 1Ob190/07h

OGH1Ob190/07h22.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Alexandra S*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Mag. Viktoria S*****, vertreten durch Mag. Dr. Vera M. Weld, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Juni 2007, GZ 43 R 374/07d-S 69, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 13. März 2007, GZ 1 P 105/04p-S 55, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

2. Der Antrag, dem angefochtenen Beschluss bis zu dessen Rechtskraft gemäß § 44 Abs 1 AußStrG die vorläufige Vollstreckbarkeit abzuerkennen, wird zurückgewiesen.

Begründung

Text

Zu 1.: Die Ehe der Eltern ist geschieden. Anlässlich ihrer Scheidung vereinbarten sie die gemeinsame Obsorge über das Kind mit dem hauptsächlichen Aufenthalt bei der Mutter. Nunmehr streben beide Elternteile die Zuteilung der alleinigen bzw der vorläufigen Obsorge an.

Das Erstgericht hat der Mutter die Obsorge vorläufig entzogen und festgehalten, dass diese somit vorläufig nur dem Vater allein zustehe, dass dieser Beschluss sofort in Vollzug gesetzt werde und einem Rechtsmittel dagegen keine aufschiebende Wirkung zukomme. Die Mutter habe mehrmals gegen das Gewaltverbot des § 146a ABGB verstoßen, sodass eine Gefährdung des Kindeswohls vorliege. Überdies sei auch auf den Wunsch des Kindes Rücksicht zu nehmen, welches sich für einen Weiterverbleib beim Vater ausgesprochen habe. Unter Abwägung aller Umstände sei nicht auszuschließen, dass die Mutter erneut ihrer Tochter gegenüber gewalttätig werden werde. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Mutter macht in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nunmehr geltend, dass die Befragung des Kindes durch die Erstrichterin ohne Zuziehung eines jugendpsychologischen Sachverständigen sowie unmittelbar nachdem der Vater das Kind zur Einvernahme mitgenommen hatte, wobei er während der Einvernahme ganz in seiner Nähe hinter der Zimmertür gewesen und anschließend wieder ins Zimmer gerufen worden sei, gegen die im § 105 AußStrG normierten Grundsätze der Befragung Minderjähriger verstoßen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der behauptete erstinstanzliche Verfahrensmangel wurde allerdings im Rekurs nicht gerügt. Er kann daher nur dann einen Mangel des Rekursverfahrens bilden, wenn das Rekursgericht diesen Mangel von Amts wegen hätte aufgreifen müssen (Klicka in Rechberger, AußStrG § 66 Rz 2). Dies ist allerdings hier nicht der Fall, zumal kein nach § 55 Abs 3 AußStrG von Amts wegen wahrzunehmender Mangel vorliegt. Im Übrigen ist nach § 105 Abs 1 AußStrG die Einvernahme grundsätzlich durch das Gericht persönlich vorzunehmen. Nur in besonderen Fällen kann diese in anderer Weise erfolgen. Dass ein derartiger besonderer Fall hier gegeben sei, konnte die Revisionsrekurswerberin nicht nachvollziehbar begründen. Warum nämlich ein Familienrichter nicht ausreichend in der Lage sein sollte, die ernsthafte und unbeeinflusste Meinung eines elfjährigen Kindes zu erfragen, bleibt im Dunkeln.

Soweit die Revisionsrekurswerberin die Unterlassung ergänzender Erhebungen für eine Zukunftsprognose bemängelt, ist sie darauf zu verweisen, dass es sich hier nur um eine vorläufige Maßnahme handelt und im fortgesetzten Verfahren ohnehin weitere Erhebungen zu pflegen sein werden.

Schließlich ist den im Bereich der Tatsachenebene angesiedelten Argumenten im außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter entgegenzuhalten, dass die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, Eigenschaften und Lebensumstände die (vorläufige) Obsorge für das Kind übertragen werden soll, immer eine solche des Einzelfalls ist, der keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zuerkannt werden kann (RIS-Justiz RS0007101), sofern auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde (RIS-Justiz RS0115719). Dies war hier der Fall.

Die Antragstellerin zeigt insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

Zu 2.: Gemäß § 44 Abs 2 AußStrG ist gegen Entscheidungen über die vorläufige Verbindlichkeit oder Vollstreckbarkeit ein Rechtsmittel nicht zulässig. Der Rechtsmittelwerber kann in seinem Rechtsmittel gegen den vorläufig wirksamen Beschluss die Abänderung dieser vorläufigen Wirksamkeit nur anregen (Rechberger in Rechberger aaO, § 44 Rz 5). Der Antrag ist daher zurückzuweisen. Zu einer amtswegigen Aberkennung der vorläufigen Vollstreckbarkeit sieht sich der Senat nicht veranlasst.

Stichworte