Spruch:
Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien deren mit 1.367,53 EUR (darin 227,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei deren mit 1.367,53 EUR (darin 227,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Kläger erlitt einen Schiunfall, bei dem er mit dem Kopf gegen eine Beschneiungslanze prallte, welche die mit Wartungsarbeiten - als Mitarbeiter der erstbeklagten Liftbetreiberin - beschäftigten Zweit- und Drittbeklagten etwa 5 m waagrecht in den präparierten Pistenbereich hineinragen ließen.
Die Vorinstanzen gaben dem Schadenersatz- und Feststellungsbegehren des Klägers zur Hälfte statt. Sie gingen von einem gleichteiligen Verschulden aus. Den Zweit- und Drittbeklagten, für welche die Erstbeklagte aufgrund des zum Kläger bestandenen Vertragsverhältnisses nach § 1313a ABGB einzustehen habe, sei eine Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht vorzuwerfen, weil sie den Unfall verhindernde Sicherungsmaßnahmen unterlassen hätten. Allerdings hätte auch der Kläger bei aufmerksamer Fahrt den Unfall verhindern können. Sein grober Aufmerksamkeitsfehler falle ihm als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten zur Last.
Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil sich der Oberste Gerichtshof mit der Rechtsfrage, ob eine im Zuge von Wartungsarbeiten in die Schipiste hineinreichende Beschneiungslanze, welche gut erkennbar und umfahrbar sei, ein atypisches Hindernis darstelle, bislang noch nicht befasst habe.
Rechtliche Beurteilung
Die jeweils vom Kläger und den Beklagten erhobenen Revisionen sind ungeachtet des - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig.
Beide Revisionen bestreiten die jeweilige Haftung bzw Verantwortung dem Grunde nach. Der Kläger vermeint eine unvertretbare Fehlbeurteilung der zweiten Instanz dahingehend zu erkennen, als ihm ein Mitverschulden im Ausmaß von 50 % vorgeworfen wird. Er habe bei aufrechtem Schibetrieb nicht mit den Wartungsarbeiten rechnen müssen. Die Beklagten machen ihrerseits geltend, dass die herabgelassene Schneelanze im konkreten Bereich der Schipiste unter Berücksichtigung der Witterungs-, Sicht-, und Pistenverhältnisse keine atypische Gefahr bedeutet habe, weshalb ihre Verantwortlichkeit ausscheide.
Dazu ist wie folgt auszuführen:
1. Zur Revision der Beklagten:
1.1. Nach einhelliger Auffassung sind nur atypische Gefahren zu sichern, also solche Hindernisse, die der Schifahrer nicht ohne weiteres erkennen kann, und solche, die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann; atypisch ist eine Gefahr, die unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Schifahrer unerwartet oder schwer abwendbar ist (RIS-Justiz RS0023417). Ob es sich bei dem konkreten Hindernis um eines handelt, mit dem der Schifahrer ausgehend vom konkreten Charakter der Piste rechnen musste und es auch nicht erkennen konnte, ist eine Frage des Einzelfalls.
1.2. Das Berufungsgericht nahm an, dass die Zweit- und Drittbeklagten durch das Umlegen der Beschneiungslanze in einer Weise, dass sie mit einem Abstand von 1,3 bis 1,5 m über der Pistenoberfläche ca 5 m horizontal in die Piste hineinragte, eine atypische Gefahrenquelle für herannahende Pistenbenützer geschaffen hätten. Dies stellt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung dar, zumal Schifahrer auf eine sorgfältige, keine unvorhergesehenen Gefahren in sich bergende Anlage der Piste vertrauen dürfen (RIS-Justiz RS0023255 [T1]). Mit einer quer über die Piste ragenden Beschneiungslanze braucht ein Pistenfahrer - bei aufrechtem Pistenbetrieb - nicht zu rechnen.
1.3. Atypische Gefahren sind grundsätzlich abzusichern. Ob der Pistensicherungspflicht Genüge getan wurde, hängt von den besonderen Umständen jedes einzelnen Falls ab. Eine für alle Eventualitäten gültige Regel, ob eine bestimmte Absicherungsmaßnahme ausreichend ist, lässt sich nicht aufstellen (RIS-Justiz RS0109002).
1.4. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass ein 5-6 m oberhalb der Beschneiungslanze angebrachter roter Stock nicht zur Absicherung ausreichte und weitere Absicherungsmaßnahmen leicht möglich und auch zumutbar gewesen wären, wodurch der Unfall hätte verhindert werden können. Den Beklagten sei daher eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht anzulasten.
1.5. Auch diese Beurteilung ist vertretbar und stellt keine Überspannung der Verkehrssicherungspflicht dar, kann doch das Setzen bloß einer Randmarkierungsstange keinesfalls als effektive Absicherungsmaßnahme qualifiziert werden.
2. Zur Revision des Klägers:
2.1. Das Gebot des Fahrens auf Sicht gilt auch für den Schifahrer (RIS-Justiz RS0023345). Jeder Schifahrer muss kontrolliert fahren, das vor ihm liegende Gelände genau beobachten und seine Geschwindigkeit auf die Geländeverhältnisse einrichten (RIS-Justiz RS0023429). Die Verschuldensteilung bei einem Schiunfall ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0044262).
2.2. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der Kläger es an der erforderlichen Aufmerksamkeit habe mangeln lassen. Er hätte bei aufmerksamer Fahrt eine unfallvermeidende Reaktion setzen können. Für ihn wäre Zeit-Weg-mäßig eine hinreichende Möglichkeit vorhanden gewesen, die Gefahr zu erkennen und Abwehrhandlungen (Ausweichen vor dem Hindernis nach rechts) zu setzen. Sein Aufmerksamkeitsfehler stelle eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten dar. Bei der Sachlage sei eine Verschuldensteilung 1 : 1 gerechtfertigt.
2.3. Auch darin liegt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Wenn letztlich auch die abgesenkte Beschneiungslanze im konkreten Fall eine atypische Gefahr darstellte, so enthob dies den Kläger nicht vom Gebot des aufmerksamen und kontrollierten Fahrens. Die Beurteilung seines Fehlverhaltens im Rahmen der Verschuldensabwägung mit einer gleichteiligen Quote ist im Lichte der oben wiedergegebenen Rechtsprechung nicht zu beanstanden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Sowohl der Kläger als auch die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des jeweiligen gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)