OGH 2Ob166/10s

OGH2Ob166/10s27.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B*****, 2. E*****, beide vertreten durch Heinke Skribe + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 100.132,30 EUR sA, über die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. Juni 2010, GZ 2 R 72/10s-42, womit das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 13. Jänner 2010, GZ 27 Cg 177/09d-38, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Parteibezeichnung der klagenden Partei wird berichtigt in „W*****“.

2. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und es wird die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zu 1.: Aus dem Firmenbuch ergibt sich, dass die ursprünglich klagende Partei V***** (FN *****) im Wege der Spaltung zur Aufnahme ihren Versicherungsbetrieb auf die nunmehr so firmierende W***** (FN *****) übertragen hat, was jeweils am 3. 8. 2010 im Firmenbuch eingetragen wurde. Aus dem in der Urkundensammlung erliegenden Spaltungs- und Übernahmsvertrag ergibt sich die Zuordnung der streitgegenständlichen Forderung an die übernehmende Gesellschaft. Ein Fall der möglichen Berichtigung der Parteienbezeichnung infolge Gesamtrechtsnachfolge (§ 1 Abs 2 Z 2 SpaltG) gemäß § 235 Abs 5 ZPO liegt somit vor (vgl RIS-Justiz RS0039530; RS0079848 [T5] zu § 136 Abs 1 GBG).

Zu 2.: Die Klägerin war Kaskoversicherer eines von einem Dritten gehaltenen Motorflugzeugs (Klagsflugzeug). Die Zweitbeklagte war Haftpflichtversicherer eines von der (mittlerweile nach Konkursaufhebung wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch gelöschten) Erstbeklagten gehaltenen Motorflugzeugs der Type Cessna (Beklagtenflugzeug).

Am 26. 1. 2008 wurde das Beklagtenflugzeug nach einem Lokalflug am Flughafen Graz auf einer dafür vorgesehenen Parkposition im Freien abgestellt. In der Nähe war auf seiner vorgesehenen Parkposition das Klagsflugzeug geparkt.

Am 27. 1. 2008 wurde das geparkte Beklagtenflugzeug von einer Sturmböe erfasst, aus seiner Verankerung gerissen, durch die Luft gewirbelt und gegen das Klagsflugzeug geworfen, wodurch beide Flugzeuge beschädigt wurden.

Aus Anlass dieses Unfalls hatte die Klägerin als Kaskoversicherer des Klagsflugzeugs Aufwendungen von 100.132,30 EUR.

Mit ihrer Klage begehrte sie den Rückersatz ihrer Aufwendungen gemäß § 67 VersVG. Am 25. 1. 2008 seien für den 27. 1. 2008 Windgeschwindigkeiten bis 90 km/h prognostiziert und am Morgen des 27. 1. 2008 sei wegen prognostizierter Windspitzen bis 100 km/h Warnstufe rot ausgerufen worden. Am 27. 1. 2008 habe der Sturm die Befestigungsseile des Beklagtenflugzeugs stark beansprucht, sei unter die Tragflächen geraten, habe es aufgehoben und weggewirbelt. Dabei sei die Verankerungsöse am hinteren Rumpfteil ausgerissen und das Beklagtenflugzeug auf das abgestellte Klagsflugzeug geworfen worden. Der Pilot des Beklagtenflugzeugs habe die Knoten nur unzulänglich befestigt. Auch wenn etwa das Seil oder die Verankerung gerissen wären, wäre dies ein Mangel, der dem Betrieb des Luftfahrzeugs zuzurechnen sei. Von den mehreren dort abgestellten Flugzeugen sei nur das Beklagtenflugzeug herumgewirbelt worden. Die Erstbeklagte habe es unterlassen, nach Abstellen des Beklagtenflugzeugs im Hinblick auf den angekündigten Sturm die ausreichende Befestigung des Flugzeugs zu kontrollieren oder es anders, etwa in einer Halle, abzustellen. Ein Luftfahrzeug sei erst dann nicht mehr in Betrieb, wenn es derart abgestellt ist, dass keinerlei Gefährdung von ihm ausgehen, nicht aber, solange Wind auf das Luftfahrzeug einwirken könne. Ein vom Wind erfasstes Flugzeug wäre jedenfalls als Werk iSd § 1319 ABGB zu qualifizieren.

Die Zweitbeklagte wandte ein, die Halterhaftung nach §§ 146 ff LFG komme nicht zum Tragen, weil sich das Beklagtenflugzeug in seiner verzurrten und versicherten Parkposition nicht „im Betrieb“ befunden habe. Auch ein Verschulden des Piloten liege nicht vor, habe er doch das Beklagtenflugzeug nach dem Flug vorschriftsmäßig verzurrt und mit Seilen abgesichert.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte statt. Es traf die schon wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, das Beklagtenflugzeug sei während des Unfalls in Betrieb gewesen, weshalb die Zweitbeklagte gemäß § 148 Abs 1, § 166 LFG für den Schaden am Klagsflugzeug hafte.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Zweitbeklagten nicht Folge und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Bei der Beurteilung der Frage, ob sich der Unfall beim Betrieb eines Luftfahrzeugs ereignet habe, sei auch maßgebend, dass dessen Bauweise auf die Beeinflussung durch Luftströmung (Auftrieb) ausgerichtet sei. Zu § 1 EKHG werde judiziert, von einem in verkehrstechnischer Hinsicht ordnungsgemäß geparkten Kraftfahrzeug gehe grundsätzlich zwar keine Betriebsgefahr mehr aus, ein Kraftfahrzeug sei aber solange in Betrieb, als es sich im Verkehr befinde und andere Verkehrsteilnehmer gefährde. Diese ausdehnende Auslegung habe zur Folge, dass auch von Kraftfahrzeugen, die sich nicht in Bewegung befänden und deren Motor abgestellt sei, eine Betriebsgefahr ausgehen könne. Der Begriff „beim Betrieb“ gemäß § 1 EKHG sei dahin zu bestimmen, dass entweder ein innerer Zusammenhang mit einer dem Kraftfahrzeugbetrieb eigentümlichen Gefahr oder, wenn dies nicht der Fall sei, ein adäquat ursächlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs bestehen müsse. Der Schaden müsse auf eine adäquate Ursache zurückzuführen sein, die das Kraftfahrzeug zu einem Zeitpunkt gesetzt habe, als es sich in Betrieb befunden habe, und die mit den Betrieb des Kraftfahrzeugs zusammenhänge. Darauf, ob das Kraftfahrzeug auch noch beim Unfall in Betrieb gewesen sei, komme es nicht an. Das Abstellen eines Kraftfahrzeugs auf einer Straßenstelle, wohin es durch seine Maschinenkraft bewegt worden sei, für eine von vornherein begrenzte kurze Zeitspanne und die allenfalls dabei erforderliche Sicherung des Fahrzeugs gegen Abrollen gehöre etwa zum Betrieb des Fahrzeugs, der nicht schon durch das Abschalten des Motors beendet worden sei. Damit ein Unfall beim Betrieb eines Luftfahrzeugs zu bejahen sei, müsse ein plötzliches, von außen her einwirkendes Ereignis vorliegen, wozu auch ein zum Stillstand gekommenes Luftfahrzeug, das etwa durch eine Sturmböe bewegt werde, gehöre. Das Beklagtenflugzeug sei daher in Betrieb gewesen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision aufgrund der „Einzelfallproblematik“ nicht zu.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Zweitbeklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne des hilfsweisen gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

Die Revisionswerberin führt aus, es gebe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Begriff „beim Betrieb“ iSd § 148 Abs 1 LFG im vorliegenden Zusammenhang eines festgezurrten Luftfahrzeugs. Entgegen der Meinung der Vorinstanzen sei das Beklagtenflugzeug im Unfallzeitpunkt nicht in Betrieb gewesen, sodass dessen Halter nicht hafte.

Der Senat hat erwogen:

1. Gefährdungshaftung nach LFG:

Wird durch einen Unfall beim Betrieb eines Luftfahrzeugs eine körperliche Sache beschädigt, so haftet gemäß § 148 Abs 1 LFG der Halter des Luftfahrzeugs für den Ersatz des Schadens.

Wie schon die Vorinstanzen erkannt haben, hängt im vorliegenden Fall die Haftung des Halters des Beklagtenflugzeugs (sowie dessen Haftpflichtversicherers gemäß § 166 LFG) davon ab, ob dieses Luftfahrzeug im Unfallzeitpunkt in Betrieb war oder nicht. Generell ereignet sich nach der Rechtsprechung ein Unfall dann beim Betrieb eines Luftfahrzeugs, wenn ein innerer Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung besteht (RIS-Justiz RS0066458). Ein Luftfahrzeug ist nicht nur dann in Betrieb, wenn es sich in der Luft befindet, sondern etwa auch schon beim Versuch des Piloten, den Propeller zwecks Starten des Motors „anzureißen“ (2 Ob 47/08p = RIS-Justiz RS0124239). Dieser Fall ist mit dem vorliegenden aber nicht hinreichend vergleichbar, weil der Vorgang des Propelleranreißens viel näher beim eigentlichen Verwendungszweck des Luftfahrzeugs, dem Fliegen, liegt als der Zustand eines geparkten abgestellten Luftfahrzeugs. Zur Frage, inwieweit ein solches geparktes Luftfahrzeug in Betrieb iSd § 146 LFG ist, existiert tatsächlich keine oberstgerichtliche Rechtsprechung.

In der österreichischen Lehre vertritt Koziol, Haftpflichtrecht II2 (1984), 484, die Ansicht, ebenso wie bei Kraftfahrzeugen sei anzunehmen, dass ein Luftfahrzeug in Betrieb sei, wenn es durch Schwerkraft oder Sturm in Bewegung versetzt werde. Kathrein, Die Neuordnung der Luftfahrthaftung, in FS Dittrich (2000), 551 (554), meint, auch ein zum Stillstand gekommenes Luftfahrzeug, das - etwa durch eine Sturmböe - bewegt werde und einen Schaden verursache, könne sich in Betrieb befinden. Ähnlich führt Aufner, Das österreichische Luftfahrt-Haftpflichtrecht auf neuem Kurs, ZVR 2006, 349 (353), unter Berufung auf Kathrein aaO, aus, letztlich könne sich auch ein Unfall mit einem bereits zum Stillstand gekommenen Luftfahrzeug noch beim Betrieb ereignen.

In der deutschen Lehre finden sich bei vergleichbarer Gesetzeslage (§ 33 Abs 1 dLuftVG als im hier interessierenden Zusammenhang mit § 148 Abs 1 LFG inhaltsgleiche Norm) folgende Stellungnahmen:

Nach Thor, Zuviel Wind um den Begriff „Betrieb“? in FS Guldimann (1997), 247 ff, ist der Wind keine luftfahrtzeugtypische Betriebskraft. Die Einwirkung des Windes löse für sich keinen Betrieb aus und könne ein Luftfahrzeug - mit Ausnahme eines Drachens - nicht in Betrieb setzen oder halten. Ein Luftfahrzeug sei außer Betrieb, wenn es auf einem Luftfahrtgelände an einer dafür vorgesehenen Stelle abgestellt sei.

Nach Mühlbauer in Geigel, Haftpflichtprozess25 (2008) 29 Rz 26 mwN, könne sich ein im Verkehrsraum hinderlich abgestelltes oder ungenügend gesichertes Luftfahrzeug noch in Betrieb befinden. Ein Luftfahrzeug sei außer Betrieb, wenn es - auf einem Luftfahrtgelände - an einer dafür vorgesehenen Stelle abgestellt sei. Windeinwirkungen könnten dort das Luftfahrzeug nicht „in Betrieb“ setzen.

Nach Giemulla in Giemulla/Schmid, LuftVG § 33 Rz 8a f, befindet sich ein Luftfahrzeug nicht mehr in Betrieb, wenn von ihm die typischen Gefährdungen nicht mehr ausgehen. Schließlich gingen von jedem Gegenstand gewisse Gefährdungen aus, dennoch bestehe nicht für jeden Gegenstand eine Gefährdungshaftung. An die von der Gefährdungshaftung erfassten Gegenstände dürften deshalb nach Außerbetriebnahme keine schärferen Anforderungen gestellt werden als an sonstige Gegenstände. Für die Außerbetriebsetzung genüge das bloße Abstellen des Motors nicht, da die Konstruktion von Flugzeugen sich die Tragfähigkeit der anströmenden Luft zunutze mache. Ein Flugzeug könne deshalb auf den Boden unter Umständen auch durch den Wind bewegt werden. Umgekehrt sei ein in der Halle abgestelltes Luftfahrzeug eindeutig nicht mehr in Betrieb. Fraglich sei, ob allein das Abstellen in einer Halle die Betriebsgefahr eines Luftfahrzeugs ausschließe. Die Wetter und Windverhältnisse seien in der Regel nicht derart extrem, dass diese Maßnahme die einzige Möglichkeit wäre, ein Luftfahrzeug außer Betrieb zu setzen. Wenn das so wäre, wäre ein großer Teil des Luftfahrzeugbestands ständig in Betrieb, wie ein Blick auf die besetzten Abstellplätze für die allgemeine Luftfahrt auf den Flugplätzen beweise. Deshalb müsse es für die Außerbetriebsetzung genügen, dass ein Luftfahrzeug im Freien derart abgestellt sei, dass unbeteiligte Dritte normalerweise nicht dadurch geschädigt würden. Zu den vermeidbaren Gefährdungen gehöre selbstverständlich auch die Gefahr, die durch Windeinfluss auf am Boden stehende Luftfahrzeuge entstehe. Diesen werde im Zulassungsverfahren ua durch Genehmigung des Flughandbuchs Rechnung getragen. Die Einhaltung dieser Regeln müsse vom Halter bzw Luftfahrzeugführer verlangt werden. Darüber hinaus seien zumindest regelmäßig keine Anforderungen an ihn zu stellen. Die Halter der auf einem Flugplatz abgestellten Flugfahrzeuge bildeten in gewisser Weise eine Gefahrengemeinschaft, sie hätten - anders ausgedrückt - ihr allgemeines Lebensrisiko bewusst erhöht. Halter und Luftfahrzeugführer setzten durch die Befolgung der Sicherheitsanordnungen im Flughandbuch das Luftfahrzeug außer Betrieb.

Die Vorinstanzen haben unter anderem unter Berufung auf Kathrein aaO und Aufner aaO angenommen, das Beklagtenflugzeug habe sich in Betrieb befunden.

Der erkennende Senat hält eine Differenzierung für erforderlich:

Ungeachtet dessen, dass sich die Gefährdungshaftung nach LFG und nach EKHG in einigen Aspekten voneinander unterscheiden (in der Gefährdungshaftung des LFG gibt es etwa keine Haftungsbefreiung entsprechend § 9 EKHG; vgl RIS-Justiz RS0066445), weisen sie dennoch große Ähnlichkeiten auf. Dies betrifft insbesondere die hier maßgebliche wortgleiche Umschreibung der Haftungsvoraussetzungen („beim Betrieb“) gemäß § 148 Abs 1 LFG und § 1 (iVm § 5) EKHG.

Nach Ansicht des Senats ist daher die Frage, wann ein stehendes Luftfahrzeug in Betrieb ist, nach den Kriterien, die in der Rechtsprechung zum EKHG entwickelt wurden, zu lösen. Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung geht von einem in verkehrstechnischer Hinsicht ordnungsgemäß geparkten Kraftfahrzeug grundsätzlich keine Betriebsgefahr mehr aus (RIS-Justiz RS0022592 [T8]: 2 Ob 243/98v; 2 Ob 301/98y; 9 ObA 36/03i; 2 Ob 149/07m; 2 Ob 108/08h).

Diese Kriterien sind auch für die Frage, ob ein abgestelltes Luftfahrzeug in Betrieb ist, heranzuziehen: Wurden insbesondere alle nach dem Flughandbuch vorgesehenen Sicherheitsvorschriften eingehalten und das Flugzeug auch nicht verkehrsbehindernd abgestellt, so befindet sich ein Luftfahrzeug nicht mehr in Betrieb. Ein einmal derart ordnungsgemäß abgestelltes Flugzeug wird auch nicht durch nachträgliche Windeinwirkung wieder in Betrieb gesetzt.

2. Verschuldenshaftung:

Auf ein Verschulden des Piloten, worauf sich die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung bezieht, kommt es nach obenstehenden Erwägungen nicht mehr an: Hätte der das betreffende Flugzeug zuletzt benützende Pilot beim Abstellen des Flugzeugs nicht alle Sicherheitsvorschriften eingehalten, wäre ohnehin davon auszugehen, dass das Luftfahrzeug noch in Betrieb war und daher eine verschuldensunabhängige Haftung für den hier geltend gemachten Schaden nach § 148 Abs 1 LFG bestünde.

3. Haftung nach § 1319 ABGB:

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann im vorliegenden Fall eine Haftung nicht auf § 1319 ABGB gestützt werden. Zutreffend ist zwar, dass nach der Rechtsprechung der Begriff des Werks iSd § 1319 ABGB weit auszulegen ist (RIS-Justiz RS0029880).

Für die Anwendbarkeit dieser Bestimmung fehlt es zunächst aber schon daran, dass weder ein „Einsturz“ (Zusammenbrechen, Umstürzen) des Flugzeugs noch eine „Ablösung von Teilen“ desselben vorliegt (diese Erfordernisse betonend Koziol in JBl 1998, 716 [717; Anm zu 2 Ob 357/97g]; Terlitza, Aktuelle Rechtsprechung zur Bauwerkehaftung [§ 1319 ABGB], immolex 2001, 150 und 184 [153, 187, 189]).

Soweit sich die Klägerin auf 7 Ob 38/05x (aufeinander bzw ineinandergestapelte Müllcontainer) beruft, ist festzuhalten, dass dort der Revisionswerber die Beurteilung der Container als Werk durch die Vorinstanzen nicht bekämpft hatte und der Oberste Gerichtshof lediglich im Rahmen der Zurückweisung der Revision ausführte, die Meinung des Berufungsgerichts entspreche der sonstigen Rechtsprechung zum Begriff des „Werks“.

Der Oberste Gerichtshof hat es abgelehnt, einen auf einem Messegelände ausgestellten Traktor mit aufgebauter Baggerschaufel als Werk iSd § 1319 ABGB zu qualifizieren, weil das bloße Aufstellen einer Maschine nicht den Tatbestand der „Aufführung auf einem Grundstück“ erfülle (SZ 37/97; krit Koziol, Haftpflichtrecht II 395, weil die Gefährlichkeit in der Höhe des Baggerarms liege, womit sich die von § 1319 ABGB erfasste Gefährlichkeit verwirklicht habe). Selbst wenn man dieser Kritik Koziols zustimmen wollte, hat sich im vorliegenden Fall nicht eine typische Gefahr eines Bauwerks (wie etwa dessen Höhe) verwirklicht (vgl 2 Ob 79/08v).

Vielmehr handelt es sich bei Luft- und Kraftfahrzeugen nach Wortlaut und Zweck der Bestimmung in aller Regel um keine auf einem Grundstück aufgeführten Werke iSd § 1319 ABGB.

4. Zur Beurteilung, ob nach den unter 1. gegebenen Kriterien das Beklagtenflugzeug im Unfallszeitpunkt in Betrieb war, reichen jedoch die erstgerichtlichen Feststellungen nicht aus. Insbesondere steht nicht fest, ob - wie die Klägerin behauptet hat - der Knoten des Seils, mit dem das Flugzeug am Boden angebunden war, nicht fest genug geknüpft war oder - wie die Zweitbeklagte vorgebracht hat - das Flugzeug „festverzurrt“ war. Weiters steht nicht fest, ob alle nach dem Flughandbuch gebotenen Sicherheitsmaßnahmen eingehalten wurden. Die Beweislast dafür, dass die Schädigung beim Betrieb des Luftfahrzeugs erfolgte, trifft in Analogie zur Rechtsprechung zum EKHG den Geschädigten (RIS-Justiz RS0109832; RS0022871 [T2]; RS0040035 [T1]), hier also die Klägerin.

Eine Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz ist daher unumgänglich.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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