OGH 7Ob132/64

OGH7Ob132/641.7.1964

SZ 37/97

Normen

ABGB §1295 (1)
ABGB §1319
ABGB §1295 (1)
ABGB §1319

 

Spruch:

Derjenige, der eine technische Einrichtung in eine räumliche Beziehung zu dritten Personen bringt, ist über die konkreten Schutzvorschriften hinaus dem Dritten gegenüber grundsätzlich zu einer Sorgfalt verpflichtet, durch die die in der Natur der technischen Einrichtung gelegenen Gefahren beseitigt werden.

Entscheidung vom 1. Juli 1964, 7 Ob 132/64. I. Instanz: Kreisgericht Korneuburg; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Beklagte stellte auf der Wiener Herbstmesse 1962 einen Traktor mit aufgebauter Baggerschaufel aus. Hiebei ragte der durch eine Ölpumpleitung hochgehaltene Arm mit der Schaufel, die mit Zinken versehen war, über den Gehweg. Am 12. September 1962 ging der Kläger bei diesem Gerät vorbei. In diesem Augenblick löste sich der Plastikschlauch, durch den das Öl gleitet wird, ab, sodaß der Druck nachließ und die herabstürzende Schaufel den Kläger traf, wobei dieser verletzt wurde. Ein gegen den Beklagten eingeleitetes Strafverfahren wegen Übertretung nach § 335 StG. wurde gemäß § 90 StPO. eingestellt.

Der Kläger begehrte Zuspruch von 23.312 S samt Anhang und Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, für etwaige aus der Verletzung entstehende künftige Schäden aufzukommen. Er führt aus, daß der Unfall auf ein Verschulden des Beklagten zurückzuführen sei, da eine Baggerschaufel in gehobener Stellung nicht über den Gehweg hätte ragen dürfen. Der Beklagte wendet ein, es habe sich ein solcher Unfall noch nicht ereignet, sodaß er mit dem Ablösen des Schlauches nicht hätte rechnen können. Es treffe ihn daher keinerlei Verschulden an der Verletzung des Klägers.

Das Erstgericht erklärte mittels Zwischenurteils den Anspruch auf Zahlung von 23.312 S und Feststellung der Haftung für künftige Schäden als dem Gründe nach zu recht bestehend und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte stellte zur Zeit des Unfalls bereits seit zehn Jahren landwirtschaftliche Geräte, vor allem Traktoren mit Zubehör, auf der Wiener Messe aus. Eine allgemeine Überprüfung sämtlicher Ausstellungsobjekte findet nicht statt, sondern nur eine solche von Kränen und Kesselanlagen. Immerhin wurden die vom Beklagten ausgestellten Gegenstände besichtigt und nicht beanständet. Die Aussteller können den Besuchern ihre Maschinen vorführen, doch werden sie beauftragt, dafür zu sorgen, daß sich niemand im Arbeitsbereich der Maschine aufhält. Sie haben auch während der Besuchszeit ihre Stände zu überwachen.

Zur Zeit des Unfalls befand sich an der Schaufel eine Düngergabel. Die Holme werden mittels Öldruck hochgehoben, wobei für die Zuführung des Drucköls von der Pumpe Schläuche verwendet werden. Daß Gerät war dauernd hochgehalten, und zwar in der Weise, daß es 70 cm in den den Besuchern freistehenden Weg ragte. Zur Zeit des Unfalls war das Hauptventil zugedreht, sodaß auch bei unbefugter Betätigung das Öl nicht zurückfließen und der Lader sich nicht senken konnte. Das plötzliche Herabfallen des Laders erfolgte dadurch, daß der Schlauch aus der Muffe heraussprang, in der er von der Fabrik eingepreßt worden war. Obwohl seit vielen Jahren derartige Schläuche verwendet werden, gab es noch keinen solchen Unfall. Es besteht die Möglichkeit, daß er nicht genügend fest eingeklemmt war, doch kann er auch von Unbefugten mit Gewalt herausgerissen worden sein.

Das Erstgericht kam zu dem Ergebnis, daß auf den vorliegenden Fall § 73 (3) der Verordnung über Vorschriften zum Schutze von Dienstnehmern bei Ausführung von Bauarbeiten, BGBl. Nr. 267/1954, anzuwenden sei. Darnach sei es unzulässig, Arbeiten unter dem ausgehobenen Löffel vorzunehmen, wenn dieser nicht gegen das Niedergehen gesichert sei. Der Aufenthalt im Schwenkbereich eines Baggers sei verboten. Der Beklagte hätte daher das Gerät nicht so aufstellen dürfen, daß Vorübergehende getroffen werden konnten. Von einem Mitverschulden des Klägers könne keine Rede sein, weil dieser nicht mit dem Niederfallen der Schaufel hätte rechnen können.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil, soweit eine Feststellung zum Schadenersatz für künftige Unfallsfolgen ausgesprochen wurde, ohne Vorbehalt der Rechtskraft auf und bestätigte es im übrigen. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte auch im Ergebnis dessen rechtliche Beurteilung. Die erwähnte Schutzbestimmung, BGBl. Nr. 267/1954, könne zwar auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden, doch ergebe sich aus ihr, daß ein Aufenthalt unter dem erhobenen Ladegerät gefährlich sei. Der Beklagte hafte nach § 1319 ABGB., da diese Bestimmung zumindest sinngemäß auf den vorliegenden Fall angewendet werden müsse. Überdies habe er eine Gefahrenlage selbst veranlaßt. Aus diesen Gründen sei es seine Sache gewesen, zu beweisen, daß ihn am Unfall kein Verschulden treffe; dieser Beweis sei nicht gelungen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Der Beklagte macht unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und bekämpft sowohl die Anwendung der Bestimmung der Bauarbeitenverordnung als auch die des § 1319 ABGB. Das Berufungsgericht hat aber die erstgenannte Vorschrift auch nicht sinngemäß auf den vorliegenden Fall in der Weise angewendet, daß dem Beklagten eine Verletzung dieser Bestimmung zur Last falle. Der Oberste Gerichtshof hält auch die Anwendung des § 1319 ABGB. nicht für richtig. Nach dieser Gesetzesstelle haftet der Besitzer eines auf einem Grundstück aufgeführten Werkes für den durch Einsturz oder Ablösen von Teilen verursachten Schaden. Wenn man nun auch den Begriff des Werkes mit der Rechtsprechung ausdehnend anwendet (EvBl. 1961 Nr. 526 S. 662, SZ. XXX 22 u. a.), so ist es doch erforderlich, daß das Werk auf einem Grundstück "aufgeführt" worden ist. Bei anderer Auffassung müßte das Gesetz so ausgelegt werden, als ob es dieses Merkmal gar nicht hätte. Diese Bestimmung ist dem § 836 des DBGB. nachgebildet, wonach das Werk mit dem Grundstück verbunden sein muß. Das bloße Aufstellen einer Maschine kann noch nicht den Tatbestand der Aufführung begrunden. Hiezu ist es erforderlich, daß das Werk entweder dauernd auf dem Grundstück bleibt, oder doch zu ihm in eine gewisse Beziehung gebracht wird. § 1319 ABGB. gilt daher nicht für Schäden, die aus bloß aufgestellten Anlagen entstehen.

Der Beklagte haftet jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadenersatzrechtes (§ 1295 (1) ABGB.).

Technische Einrichtungen können auch im ruhenden Zustand verschiedene Gefahrenquellen enthalten. Die Allgemeinheit wird hievor zum Teil durch konkrete Schutzvorschriften geschützt. Derjenige, der eine technische Einrichtung in eine räumliche Beziehung zu dritten Personen bringt, ist über die konkreten Schutzvorschriften hinaus dem Dritten gegenüber grundsätzlich zu einer Sorgfalt verpflichtet, durch die die in der Natur der technischen Einrichtung gelegenen Gefahren beseitigt werden. Es genügt für das Entstehen dieser Verpflichtung, daß es sich um die erkennbare Möglichkeit einer Gefahr handelt und daß diese durch dem Sorgfaltspflichtigen zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann. Er kann die Folgen einer solchen Gefahr nicht ohne Not auf die Allgemeinheit, welche die Gefahrenquelle nicht geschaffen hat, abwälzen.

In der Rechtsprechung ist, wie schon das Berufungsgericht zutreffend erkannte, in diesem Sinne der allgemeine Rechtsgrundsatz entwickelt worden, daß derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat, um eine Schädigung nach Tunlichkeit abzuwenden (SZ. XXX 22, ferner EvBl. 1961 Nr. 526 S. 662). Es ist in der Rechtsprechung (SZ. XXVI 78) und Literatur (Palandt, BGB.[24] § 823 Anm. 8) ebenso wiederholt ausgesprochen worden, daß jeder für die Verkehrssicherheit zu sorgen hat, der auf einem ihm gehörenden oder zumutbar und ohne weiters möglich gewesen wäre, die von ihm geschaffene Gefahrenquelle dadurch zu beseitigen, daß er sie nicht auf den von den Messebesuchern begangenen Weg hätte wirken lassen. Der von ihm in der Revision gebrauchte Vergleich mit der Gefahr aus an Hauswänden angebrachten Reklametafeln, die wegen "des möglichen Winddruckes" bestehe, ist verfehlt, weit eine Reklametafel so befestigt sein muß, daß sie auch einem Winddruck standhält und dadurch das zur Sicherung Zumutbare getan ist, wogegen es für den Beklagten zumutbar und daher geboten gewesen wäre, die hochgehaltene Baggerschaufel nicht über den der Allgemeinheit zugänglichen Weg ragen zu lassen, und sie in dieser Haltung überhaupt nur so auszustellen, daß der Gefährdungsraum durch eine Absperrung oder auf eine andere Weise gesichert gewesen wäre.

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