OGH 9ObA102/10f

OGH9ObA102/10f21.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** G*****, vertreten durch Dr. K.H. Plankel ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 36.340 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. August 2010, GZ 10 Ra 56/10v, 10 Ra 57/10s-20, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 16. Februar 2010, GZ 24 Cga 80/09y-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Nach § 24 Abs 1 HVertrG 1993 gebührt dem Handelsvertreter unter den dort genannten Voraussetzungen ein angemessener Ausgleichsanspruch. § 24 Abs 3 HVertrG 1993 legt fest, dass der Anspruch unter anderem dann nicht besteht, wenn (Z 1) der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass dem Unternehmer zurechenbare Umstände, auch wenn sie keinen wichtigen Grund nach § 22 HVertrG 1993 darstellen, hiezu begründeten Anlass gegeben haben. Dass zwischen Kündigung und begründetem Anlass ein Kausalzusammenhang gegeben sein muss, ist entgegen der Auffassung des Revisionswerbers nicht „ungesichert“, sondern folgt unmittelbar aus dem Gesetz (arg „hiezu … Anlass gegeben“). Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass der Ausdruck „hiezu … Anlass gegeben“ auf eine bestimmte innere Motivation des Handelsvertreters abstellt (8 ObA 5/04z; 9 ObA 106/09t; 9 ObA 16/10h). Mit dem bloßen Hinweis des Revisionswerbers, dass die deutsche Rechtsprechung zu § 89b dHGB eine andere Rechtsauffassung vertrete, wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt, die die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision des Klägers begründen könnte. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nämlich gemäß § 502 Abs 1 ZPO nur dann vor, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten (oder Unterlassen) des Unternehmers Anlass für eine Kündigung des Handelsvertreters gegeben hat, darf nicht mit der Frage vermengt werden, ob der Handelsvertreter bei Ausspruch der Kündigung zur Wahrung des Ausgleichsanspruchs darauf hinweisen muss, dass er die Kündigung aus dem Unternehmer zurechenbaren Umständen erklärt. Letzteres wird von der Rechtsprechung verneint (9 ObA 106/09t; RIS-Justiz RS0118824 ua).

Eine erhebliche Rechtsfrage wird vom Revisionswerber auch nicht mit seiner Überlegung aufgezeigt, das Berufungsgericht sei im Zusammenhang mit der Beurteilung, dass der „schlechte Ruf“ der Beklagten bzw die Auswirkungen des Verkaufs der „A***** Holding“ an den Versicherungskonzern „S*****“ kein begründeter Anlass gewesen sei, weil keine Vertragsverletzung der Beklagten erkennbar sei, von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen. Sieht man davon ab, dass der Revisionswerber keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs näher benennt, von der das Berufungsgericht abgewichen sein soll, so dürfte der Revisionswerber die Ausführungen des Berufungsgerichts missverstehen. Richtig ist, dass an einen begründeten Anlass iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 geringere Anforderungen zu stellen sind als an einen wichtigen Grund iSd § 22 HVertrG 1993. Wie der Oberste Gerichtshof daher auch schon ausgeführt hat, kann auch ein vertragsgemäßes Verhalten des Unternehmers begründeten Anlass für eine Kündigung des Handelsvertreters geben (RIS-Justiz RS0124101 ua). Gegenteiliges hat aber auch das Berufungsgericht nicht vertreten. Das Berufungsgericht ging davon aus, dass der vom Kläger geltend gemachte Kauf der „A***** Holding“ - laut Kläger handle es sich dabei um die „Großmuttergesellschaft“ der Beklagten - durch die „S*****“ und die daraus resultierenden negativen Einschätzungen der Beklagten durch einzelne Kunden und Umsatzrückgänge trotz begleitender Aufklärung außerhalb des Einflussbereichs der Beklagten gelegen seien, sodass hier nicht davon ausgegangen werden könne, dass die Beklagte begründeten Anlass zur Kündigung des Klägers gegeben habe. Diese Auffassung des Berufungsgerichts ist nach der Lage des Falls vertretbar. Ob ein begründeter Anlass iSd § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG 1993 vorliegt, hängt nach ständiger Rechtssprechung des Obersten Gerichtshofs von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, die regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage begründen (9 ObA 106/09t; 9 ObA 16/10h ua). Allgemein gültige, über den Einzelfall hinausgehende Aussagen sind bezüglich einzelner Sachverhalte und Motive, die der Kündigung zugrundeliegen, entgegen der Annahme des Revisionswerbers nicht möglich. Worin das Abweichen des Berufungsgerichts von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestehen soll, vermag der Revisionswerber nicht zu konkretisieren.

Die außerordentliche Revision des Klägers ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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