OGH 3Ob192/10x

OGH3Ob192/10x19.1.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*****, vertreten durch Mag. Petra Cernochova, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagten Parteien 1. K*****, vertreten durch Purkarthofer & Niernberger Rechtsanwälte OG in Graz, 2. Dr. G*****, vertreten durch Dr. Edwin Mächler, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 25.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. Juli 2010, GZ 3 R 91/10t-60, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 26. Februar 2010, GZ 45 Cg 47/08t-49, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger stützt sein Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für den künftigen Mehraufwand, den er aus der gesetzlichen Unterhaltspflicht für seinen Sohn F***** zu leisten haben werde, ausdrücklich auf Schadenersatz. Die behandelnden Kinderärzte der Erstbeklagten und der zweitbeklagte Arzt hätten über die Notwendigkeit einer Hodenoperation und Hormonbehandlung aufzuklären und diese Maßnahmen auch gegen den Willen der gesetzlichen Vertreterin des Kindes durchzuführen gehabt.

Der Schädiger hat nur für adäquat herbeigeführte Schäden einzustehen, was dann der Fall ist, wenn die Schadensursache ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung eines derartigen Erfolgs nicht als völlig ungeeignet erscheinen muss und nicht nur infolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu einer Bedingung des Schadens wurde (RIS-Justiz RS0022906; RS0022546 uva). Trotz Bejahung der Adäquanz erscheint in solchen Fällen die Zurechnung der Schadensfolge nicht mehr gerechtfertigt, wenn diese auf einem selbständigen, durch den haftungsbegründenden Vorgang nicht herausgeforderten Entschluss des Verletzten selbst beruht, der sie deshalb auch allein zu verantworten hat (RIS-Justiz RS0022912; RS0022607). Ob im Einzelfall ein Schaden noch als adäquate Folge eines schädigenden Ereignisses anzusehen ist, betrifft im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO; Fragen der Adäquanz sind daher nur dann revisibel, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer gravierenden Fehlbeurteilung beruht (RIS-Justiz RS0110361 [T3 und T4]).

Das Berufungsgericht hat einen möglichen adäquaten Kausalzusammenhang wegen der autonomen Entscheidung der gesetzlichen Vertreterin des Minderjährigen, die Therapien ungeachtet der ärztlichen Empfehlungen nicht vornehmen zu lassen, verneint. Dieser Rechtsansicht tritt der Rechtsmittelwerber nicht mehr entgegen, sodass sie nicht mehr zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0043338 [T18]; RS0043352 [T31, T34]). Legt man diese Rechtsansicht zu Grunde, ist der (zukünftige) Unterhaltsmehrbedarf den Beklagten nicht zurechenbar, weil er auf einem selbständigen, die ärztliche Empfehlung ablehnenden Entschluss der Mutter des Minderjährigen beruht. Fragen nach der Verjährung, wie sie der Kläger ausschließlich zum Inhalt seines außerordentlichen Rechtsmittels macht, sind dann nicht mehr relevant. Aber auch losgelöst davon liegt in der Auffassung der Unterinstanzen, der Anspruch sei verjährt, keine Fehlbeurteilung:

Der Kläger zieht die von den Vorinstanzen zur Verjährung zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO) dargestellten Grundsätze nicht in Zweifel, meint aber, für ihn als Laien sei der ursächliche Zusammenhang zwischen der unterbliebenen Hodenoperation bzw Hormontherapie und dem eingetretenen Schaden, der sich im Mehrbedarf für die Pflege und Betreuung seines Sohns manifestiere, frühestens mit Behandlungsbeginn einer Ärztin Ende 2007 erkennbar gewesen. Nicht die Hodenfehlstellung an sich stelle den Schaden dar, dieser sei erst durch die Mehraufwendungen begründet. Vor Kenntnis dieses Schadens (der Mehraufwendungen) habe die Verjährung nicht zu laufen beginnen können. Er sei über diesen Kausalzusammenhang nicht aufgeklärt worden.

Der der Prozessökonomie dienende Zweck des Verjährungsrechts verbietet es, die Verjährung jedes folgenden Teilschadens erst mit dessen Entstehen beginnen zu lassen. Ist ein - wenn auch der Höhe nach noch nicht bezifferbarer - Schaden einmal eingetreten, so sind damit alle Voraussetzungen für den Ersatzanspruch gegeben. Der drohenden Verjährung seines Anspruchs auf Ersatz der künftigen, aber schon vorhersehbaren Schäden hat der Geschädigte, ist ihm schon ein Primärschaden entstanden, mit einer Feststellungsklage innerhalb der Verjährungsfrist zu begegnen (RIS-Justiz RS0097976).

Der Kläger war bereits im Jahr 1993 in Kenntnis der Notwendigkeit jenes operativen Eingriffs, aus dessen Unterlassen er nunmehr die Haftung abgeleitet wissen will. Dem Vorbringen des Klägers liegt zu Grunde, dass die von Ärzten der Erstbeklagten bzw vom Zweitbeklagten angeratene Operation medizinisch indiziert gewesen wäre, also eine Besserung des Gesundheitszustands seines Sohnes bewirkt hätte. Fest steht, dass bei diesem von Geburt an die Notwendigkeit einer ständigen intensiven Förderung gegeben und eine überdurchschnittliche ärztliche Betreuung und Beaufsichtigung erforderlich war. Ausgehend von dem aus der Beeinträchtigung resultierenden Mehraufwand in der Pflege und Betreuung des Kindes, der mit einer Besserung des Gesundheitszustands nach erfolgreicher Operation eine Verringerung erfahren hätte, ist ein Primärschaden durch den Unterhaltsmehrbedarf bereits in der Vergangenheit, nämlich zugleich mit dem Unterbleiben der Operation, eingetreten. Dieser leicht erfassbare Zusammenhang musste dem Kläger schon im Jahr 1993 bekannt sein.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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