OGH 5Ob130/10v

OGH5Ob130/10v20.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin P***** GmbH, *****, vertreten durch Greiter Pegger Kofler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Löschung gemäß § 130 GBG ob der Liegenschaft EZ 1369 GB *****, über den ordentlichen Revisionsrekurs von 1. Karl A*****, 2. A***** GmbH, *****, und 3. A***** GmbH, *****, alle vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 7. April 2010, AZ 51 R 16/10t, mit dem infolge Rekurses der Rechtsmittelwerber der Beschluss des Bezirksgerichts Landeck vom 11. Jänner 2010, TZ 176/2009-5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin ist die bücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 1369 GB ***** bestehend aus GST-NR 1219/1, GST-Adresse D*****straße 3, 5 und 7. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war sub C-LNR 1a zu TZ 1922/1981 die „Dienstbarkeit der Unterlassung der Errichtung und des Betriebes von Geschäften auf Gst 1219/1 gem Pkt XIV des Vertrages für EZ 79 1178“ einverleibt.

In der Urkundensammlung erliegen zu TZ 1922/1981 ein Kaufvertrag vom 6. 4. 1981 und eine Vereinbarung vom 7. 4. 1981, welche der Einverleibung der bezeichneten Dienstbarkeit zugrunde lagen. Mit Kaufvertrag vom 6. 4. 1981 haben die Fa. „Walter S*****“ und Michael Z***** dem Robert A***** die Grundstücke .341 und 1230/1 je GB ***** verkauft. Dieser Vertrag enthält folgende Bestimmung:

„XIV.

Die Verkäufer verpflichten sich hiemit für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der Bp. 189 dem Käufer und dessen Rechtsnachfolgern im Eigentume der Kaufsliegenschaften gegenüber, im Bereiche der Bp. 189 und der angrenzenden, in ihrem Eigentum stehenden Grundstücke (im Ortskern von S*****) keine Geschäfte zu errichten oder zu betreiben, in denen Schuhe, Sportartikel und Sportbekleidung (ausgenommen Bekleidungsgegenstände des täglichen Bedarfs) verkauft werden.

Dieses hiemit vereinbarte Konkurrenzverbot ist grundbücherlich auf Bp. 189 einzutragen.

...“

Die von den Parteien des Kaufvertrags am 7. 4. 1981 geschlossene Vereinbarung enthält folgende, sich auf dessen Punkt XIV. beziehende Bestimmung:

„II.

Die Vertragsparteien stellen hiemit fest und klar, daß es sich bei den im Bereiche der Bp. 189 angrenzenden Grundstücken (im Ortskern von S*****) um die Gp. 1229/1, 1229/2, 1229/3 und 1219 [Hervorhebung durch den Senat], sowie um die Bp. 188, 299 und 350 … der Katastralgemeinde S***** (Alleineigentümer Michael Z*****) handelt.

Das im Punkte XIV. des Kaufvertrages vom 6. 4. 1981 enthaltene Konkurrenzverbot betrifft also neben der darin angeführten Bp. 189 ausdrücklich auch alle vorgenannten Parzellen im Eigentume des Herrn Michael Z***** ...“

Es wurden in der Folge das GST 1219 in die GST 1219/1 und 1219/2 geteilt, das GST 1219/1 ab- und der dafür neu eröffneten EZ 1369 unter Mitübertragung der bezeichneten Dienstbarkeit zugeschrieben.

Die Rechtsmittelwerber sind Mit- bzw Alleineigentümer der herrschenden Liegenschaften EZ 79 und EZ 1178 je GB *****.

Die Antragstellerin begehrte die amtswegige Löschung der ob ihrer Liegenschaft sub C-LNR 1a zu TZ 1922/1981 einverleibten Dienstbarkeit gemäß § 130 GBG mit der wesentlichen Begründung, es handle sich dabei um ein Konkurrenzverbot, welches nicht als Dienstbarkeit verdinglicht werden könne.

Das Erstgericht ordnete die begehrte Löschung der Dienstbarkeit an.

Das Rekursgericht gab dem von den Eigentümern der herrschenden Liegenschaften erhobenen Rekurs nicht Folge, sondern bestätigte den Beschluss des Erstgerichts mit der Maßgabe einer - für das Rechtsmittelverfahren nicht relevanten - ausführlicheren, auch die Ersichtlichmachung der Dienstbarkeit einschließenden Formulierung. Es führte in rechtlicher Hinsicht - zusammengefasst - aus, dass die fragliche Eintragung nach dem jeweiligen Wortlaut von Punkt XIV. des Kaufvertrags vom 6. 4. 1981 und Punkt II. der Vereinbarung vom 7. 4. 1981 ein Konkurrenzverbot sei, welches nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein könne (1 Ob 501/92). Dass in diesen vertraglichen Regelungen auch das „Errichten“ von Geschäften untersagt sei, ändere an dieser Beurteilung nichts, diene doch auch dieses Verbot nach dem objektiven Erklärungswert besagter Regelungen dem Ausschluss der bezeichneten Unternehmenstätigkeit. Da Wettbewerbsbeschränkungen bloß obligatorische Wirkung hätten und die Unzulässigkeit einer solchen Eintragung auch im Wege der Auslegung ermittelt werden könne (Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht, § 130 GBG Rz 4), sei das Erstgericht zutreffend nach § 130 GBG vorgegangen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil - soweit überblickbar - zur Frage der Zulässigkeit einer amtswegigen Löschung einer Dienstbarkeit, welche tatsächlich nur ein obligatorisch wirkendes Konkurrenzverbot zum Inhalt habe, noch keine einschlägige Judikatur des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Anwendungsvoraussetzungen des § 130 GBG zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1.1. Die Revisionsrekurswerber möchten mit der im Rechtsmittel erfolgten Vorlage einer Kopie eines Mappenblattes über die Lage bestimmter Grundstücke im Ortskern von S***** im Jahre 1969 (!) eine Aktenwidrigkeit im Beschluss des Rekursgerichts aufzeigen. Sie wollen damit auch belegen, dass das nunmehrige GST 1219/1 im Wesentlichen aus dem (früheren) GST 1229/1 gebildet worden sei und dort - entgegen einer Vermutung des Rekursgerichts - auch noch nach Abschluss des Kaufvertrags vom 6. 4. 1981 eine Bautätigkeit stattgefunden habe.

1.2. Eine Aktenwidrigkeit ist aber nur dann gegeben, wenn das Gericht den Inhalt einer Beweisurkunde, eines Vernehmungsprotokolls oder eines sonstigen Aktenstückes irrtümlich unrichtig wiedergegeben hat und infolgedessen bei der rechtlichen Beurteilung von einem fehlerhaften Sachverhaltsbild ausgegangen ist (vgl RIS-Justiz RS0043298 [T1]; RS0043284; RS0043421). Allgemeine Überlegungen des Rekursgerichts zur Wahrscheinlichkeit vorgelegener Bautätigkeit in einem bestimmten örtlichen Bereich können daher schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit darstellen und eine solche kann auch nicht dadurch hergestellt werden, dass (erst) im Rechtsmittel Urkunden vorgelegt werden, mit denen dann der vermeintliche Widerspruch begründet werden soll. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt somit nicht vor.

2.1. Rechtlich vertreten die Revisionsrekurswerber - zusammengefasst - den Standpunkt, den Vorinstanzen sei ein so weitgehender Eingriff in bestehende Rechte nicht zugestanden. In den die Eintragungsgrundlage bildenden Verträgen sei auch vorgesehen gewesen, dass die Verkäufer über allfällige Bauprojekte frühzeitig zu informieren gewesen seien und das strittige Verbot beinhalte gerade auch die Errichtung von Geschäften, welches Verbot durchaus auch als Dienstbarkeit verbüchert werden könne. Im Wege der dem Grundbuchgericht allein zustehenden objektiven Vertragsauslegung könne daher keineswegs mit Sicherheit gesagt werden, das einverleibte Verbot stelle insgesamt nur ein Konkurrenzverbot dar.

2.2. Ergibt sich aus einer Eintragung, dass ihr Inhalt nach dem Gesetz nicht Gegenstand einer grundbücherlichen Eintragung sein kann, so ist sie gemäß § 130 GBG von Amts wegen als unzulässig zu löschen. Nach ständiger Rechtsprechung sind nur solche Eintragungen grundbuchwidrig, die ein Recht zum Gegenstand haben, das der geltenden Rechtsordnung überhaupt fremd ist oder dessen Eintragung weder im Grundbuchsgesetz noch in anderen Gesetzen zugelassen ist, und die einen physisch oder rechtlich unmöglichen Grundbuchstand schaffen, dem die materielle Rechtsgrundlage nicht entsprechen kann (RIS-Justiz RS0060300 [T1]; Kodek in Kodek, Grundbuchsrecht § 130 Rz 4).

2.3. Nun wird - etwa im Lichte des § 136 GBG - judiziert, dass die offenbare Unrichtigkeit einer bücherlichen Eintragung auch mit Hilfe der Urkunde nachgewiesen werden kann, aufgrund deren die Eintragung vorgenommen wurde (vgl 5 Ob 2/03k; 5 Ob 35/89). Bei der Löschung einer einmal rechtskräftig bewilligten und - wie hier - oft jahrzehntelang aufrecht bestandenen Eintragung nach § 130 GBG muss aber - in der Regel - (bereits) der - nötigenfalls durch Auslegung zu ermittelnde (5 Ob 240/75 mwN zur historischen Entwicklung) - Inhalt der Eintragung selbst grundbuchwidrig sein (vgl Kodek aaO). Wollte man in diese Beurteilung schlechthin immer die Urkundensammlung, also alle maßgeblichen Eintragungsgrundlagen miteinbeziehen, würde dies - neben der Rechtskraft - auch die Bedeutung und Verlässlichkeit der (eigentlichen) Grundbucheintragung (im Hauptbuch) entscheidend und für den Rechtsverkehr unvertretbar beeinträchtigen. Als Grundsatz muss daher gelten, dass eine Eintragung nur dann gemäß § 130 GBG amtswegig zu löschen ist, wenn sich deren Grundbuchwidrigkeit unmittelbar aus der Eintragung selbst und ohne Rückgriff auf die Eintragungsgrundlagen ergibt. Ein gegenteiliger Standpunkt wird auch von Kodek aaO nicht vertreten, ist dieser doch offenbar (nur) der Ansicht, die Eintragung (selbst) sei bei der Prüfung nach § 130 GBG einer Auslegung zugänglich.

2.4. Der zuvor dargestellte Grundsatz bedarf allerdings dann einer Differenzierung, wenn mit der Eintragung selbst auch ein Teil der Eintragungsgrundlage unmittelbar zum Eintragungsinhalt gemacht wurde. Nach § 5 Satz 1 GBG sind zwar in das Hauptbuch die wesentlichen Bestimmungen der bücherlichen Rechte einzutragen. Lassen sie aber eine kurze Fassung nicht zu, so ist nach § 5 Satz 2 GBG im Hauptbuch eine Berufung auf die genau zu bezeichnenden Stellen der Urkunden, die der Eintragung zugrunde liegen, mit der Wirkung zulässig, dass die bezogenen Stellen als im Hauptbuch eingetragen anzusehen sind. Liegt letztgenannter Fall vor, wird auch nicht etwa der gesamte Vertragsinhalt, sondern lediglich die bezeichnete Stelle zum Inhalt der Eintragung im Hauptbuch (vgl RIS-Justiz RS0060233; Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht, § 5 GBG Rz 7). Diese Regelung zwingt aber folgerichtig auch bei der Anwendung des § 130 GBG dazu, in die Prüfung auf eine allfällige Grundbuchwidrigkeit einer Eintragung jenen Vertragspunkt miteinzubeziehen, welcher zufolge § 5 GBG zum Teil der Eintragung gemacht wurde (vgl 5 Ob 4/76 = SZ 49/46).

2.5. Im vorliegenden Fall erfolgte die Eintragung unter Berufung auf „Pkt XIV des Vertrages“, womit - wie sich aus dem Zusammenhalt mit der Tagebuchzahl eindeutig verifizieren lässt - der Kaufvertrag vom 6. 4. 1981 gemeint ist. Demnach ist im Hinblick auf § 5 Satz 2 GBG auch dieser Vertragspunkt in die Beurteilung nach § 130 GBG einzubeziehen.

2.6. Bereits das Rekursgericht hat zutreffend die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dargestellt, nach denen ein bloßes Konkurrenzverbot nicht als Dienstbarkeit verdinglicht werden kann. Dienstbarkeiten sind nämlich beschränkte dingliche Nutzungsrechte an fremden Sachen (Koziol/Welser I13 419). Dem Recht auf Nutzung steht die Pflicht des jeweiligen Eigentümers zur Duldung dieser Nutzung oder Unterlassung eigener Nutzung gegenüber (vgl RIS-Justiz RS0011523; RS0104356). Eine (Grund-)Dienstbarkeit besteht nur dann, wenn sich die Duldung oder Unterlassung, zu der der Eigentümer der belasteten Liegenschaft verpflichtet ist, auf die Nutzung des Grundstücks selbst bezieht. Die Verpflichtung des Eigentümers, auf der belasteten Liegenschaft ein bestimmtes Gewerbe nicht auszuüben, kann dagegen nicht Inhalt einer Grunddienstbarkeit sein (RIS-Justiz RS0011510; jüngst 5 Ob 62/10v = Zak 2010/574, 336). Die Einverleibung einer solchen Verpflichtung als Servitut schafft ein der geltenden Rechtsordnung fremdes und ihr schon abstrakt widersprechendes Rechtsverhältnis.

2.7. Abschließend bleibt somit nur noch zu prüfen, ob sich - allein - aus der Auslegung des Wortlauts der Eintragung sub C-LNR 1a samt Punkt XIV. des Kaufvertrags vom 6. 4. 1981 der zweifelsfreie Schluss ergibt, dass das damit vereinbarte Verbot kein „Bauverbot“ im Sinn einer Grunddienstbarkeit, sondern (nur) ein bloß obligatorisch wirkendes Konkurrenzverbot darstellt. Auch Letzteres haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend bejaht:

Der mit dem Verbot der Geschäftserrichtung verbundene Zweck besteht hier nämlich nicht in liegenschaftsbezogenen Utilitätserwägungen, sondern offenkundig und unzweifelhaft nur darin, eine Konkurrenztätigkeit bereits von Anfang an zu verhindern, sodass insgesamt nur ein Wettbewerbsausschluss angestrebt wird. Für ein anderes Verständnis besteht nicht zuletzt aufgrund der von den Vertragsparteien selbst ausdrücklich vorgenommenen Qualifikation - nur - als „Konkurrenzverbot“ kein Anlass.

Der Revisionsrekurs erweist sich damit als nicht berechtigt.

3. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats findet im Grundbuchverfahren kein - hier von den Revisionsrekurswerbern ausdrücklich reklamierter - Kostenzuspruch statt (RIS-Justiz RS0035961). Die Entscheidung 1 Ob 56/10g (= Zak 2010/473, 273) bezieht sich erklärtermaßen auf den besonders dem Streitverfahren nahestehenden, hier aber nicht vorliegenden Fall einer Klagsanmerkung. Die Revisionsrekurswerber haben daher die Kosten ihres - überdies erfolglosen - Rechtsmittels selbst zu tragen.

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