OGH 1Ob196/10w

OGH1Ob196/10w15.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Regina R*****, vertreten durch Eckert & Fries Rechtsanwälte GmbH in Baden, gegen die beklagten Parteien 1.) A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer und Dr. Klaus Krebs, Rechtsanwälte in Wien, und 2.) Univ.-Prof. Dr. Wolfgang R*****, vertreten durch Spitzauer & Backhausen Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Räumung, über die Revisionen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. August 2010, GZ 16 R 85/10b-22, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Februar 2010, GZ 15 Cg 129/08p-16, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionen werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.891,44 EUR (darin enthalten 315,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.891,44 EUR (darin enthalten 315,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Mutter der Klägerin und erste Ehefrau des Zweitbeklagten betrieb als alleinige Hauptmieterin einer Wohnung in dieser eine zahnärztliche Ordination. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit als Zahnärztin betrieb der Zweitbeklagte, Vater der Klägerin, seit 1965 in denselben Räumlichkeiten eine dermatologische Privatordination. 1979 wurde ein Ambulatorium als Einzelunternehmen gegründet und ebenfalls in der Wohnung betrieben. 1997 mieteten die Klägerin und der Zweitbeklagte als Mitmieter die Wohnung zum Zweck der Nutzung als Facharztpraxis und Ambulatorium, gleichzeitig verzichtete die bisherige Hauptmieterin auf ihr Mietrecht. Hintergrund des Abschlusses des Mietvertrags war die Scheidung der Eltern der Klägerin. Ihre Mutter wollte das Verbleiben des Ambulatoriums in der Familie und die Übernahme durch die Klägerin, deren Verhältnis zu ihrem Vater seit 1994 massiv getrübt war, sicherstellen. Die Klägerin hatte immer Interesse daran, das Ambulatorium zu übernehmen, wenn der Zweitbeklagte mit dem Arbeiten aufhören würde.

Der Mietvertrag räumte dem Zweitbeklagten das Recht ein, für sich das Mietverhältnis durch einfache Erklärung zu beenden; in diesem Fall sollte die Klägerin als alleinige Mieterin verbleiben. Punkt 12 berechtigte ihn, auf sein Mietrecht aus dem Mietvertrag gegenüber dem Vermieter zu verzichten und damit aus dem Vertragsverhältnis auszuscheiden. In diesem Fall sollte die Klägerin als verbleibende Mieterin das Mietverhältnis fortsetzen. Punkt 11 des Vertrags schloss die Untervermietung und sonstige Weitergabe des Mietgegenstands an natürliche oder juristische Personen aus.

Im März 2003 gründete der Zweitbeklagte gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau die erstbeklagte GmbH. Er brachte mit Einbringungsvertrag vom 29. 9. 2003 das als Einzelunternehmen betriebene Ambulatorium in die Erstbeklagte ein, die dieses Ambulatorium weiter betrieb. Der Einbringungsvertrag sah die Übertragung der nicht in der Einbringungsbilanz ausgewiesenen Nutzungsrechte an den vom Zweitbeklagten gemieteten Räumlichkeiten vor. Der Zweitbeklagte informierte die Klägerin nicht über die Einbringung des Ambulatoriums in die Erstbeklagte. Die Klägerin wäre mit einer Einbringung der Mietrechte in die Erstbeklagte nicht einverstanden gewesen, sie ist es auch heute nicht.

Am 29. 4. 2004 schlossen der Vermieter und die Erstbeklagte, vertreten durch den Zweitbeklagten als Alleingeschäftsführer, eine Vereinbarung unter Bezugnahme auf diese Einbringung, die den Mietzins anhob und festhielt, dass im Übrigen die Bestimmungen des Mietvertrags 1997 unverändert aufrecht blieben.

Am 26. 6. 1997 haben die Klägerin und der Zweitbeklagte vereinbart, dass dieser während der Dauer des Mietverhältnisses den Mietgegenstand alleine benutzen dürfe, während die Klägerin nicht zur Nutzung berechtigt sei. Der Zweitbeklagte sollte für die Dauer der Alleinbenutzung im Innenverhältnis sämtliche Kosten für den Mietgegenstand alleine tragen. Neuerlich wurde die Berechtigung des Zweitbeklagten festgehalten, jederzeit seine Mietrechte gegenüber der Vermieterin zurückzulegen. Er verpflichtete sich jedoch gegenüber der Klägerin, diese Rücklegung ein Jahr zuvor anzukündigen und gleichzeitig mit dieser Ankündigung die Klägerin zur alleinigen stellvertretenden Leiterin des Ambulatoriums zu bestellen. Die Übernahme des Ambulatoriums durch die Klägerin sollte aufgrund gesonderter schriftlicher Vereinbarungen erfolgen.

Der Zweitbeklagte benutzt aufgrund eines mit der Erstbeklagten geschlossenen Untermietvertrags weiterhin einen Raum für seine Privatordination. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zweitbeklagte die Räumlichkeiten an die Erstbeklagte untervermietete.

Themen des Revisionsverfahrens sind die wirksame Übertragung des Mitmietrechts auf die Erstbeklagte und ein konkludenter Verzicht des Zweitbeklagten auf sein Mitmietrecht.

Das Erstgericht gab dem auf titellose Benutzung gestützten Räumungsbegehren gegenüber beiden Beklagten statt.

Das Berufungsgericht wies hingegen das Räumungsbegehren gegen den Zweitbeklagten ab. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, unter welchen Voraussetzungen eine Unternehmensveräußerung durch einen Mitmieter zu einem Vertragsübergang nach § 12a Abs 1 MRG führen könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen der Klägerin und der Erstbeklagten sind entgegen diesem nicht bindenden Ausspruch nicht zulässig.

I.) Zur Revision der Klägerin:

1.) Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2.) Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab und stellt daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RIS-Justiz RS0109021 [T1, T5 und T6]). Eine korrekturbedürftige Beurteilung des Berufungsgerichts, das einen konkludenten Verzicht des Zweitbeklagten auf sein Mitmietrecht verneinte, ist nicht zu erkennen. Zunächst sah der Einbringungsvertrag ausdrücklich die Übertragung der Nutzungsrechte an die Erstbeklagte vor. Diese Übertragung wurde in dem 2004 zwischen der Vermieterin und der Erstbeklagten geschlossenen Vereinbarung noch ausdrücklich festgehalten und als Grund für die Anhebung des Mietzinses herangezogen. Wie der Abschluss dieser Vereinbarung aus der Sicht der Vermieterin als konkludenter Verzicht des Zweitbeklagten auf sein Mitmietrecht gewertet werden sollte, ist angesichts der 1997 im Mietvertrag vereinbarten Regelungen schwer verständlich: Danach wäre nämlich der Vermieterin bei einem derartigen Verzicht die Klägerin als allein verbleibende Vertragspartnerin gegenüber gestanden, was sich mit dem Abschluss einer Vereinbarung über die Anhebung des Mietzinses mit einer anderen Vertragspartei kaum vereinen lässt.

3.) Die Anfechtung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichts ist wegen § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0104146).

II.) Zur Revision der Erstbeklagten:

1.) Der gesetzliche Übergang der Hauptmietrechte bei Unternehmensveräußerung war vor Inkrafttreten des 3. WÄG mit 1. 3. 1994 in § 12 Abs 3 MRG geregelt. Die in ihrem Abs 1 Satz 1 nahezu textgleiche Nachfolgebestimmung des § 12a MRG brachte im Vergleich zur Vorgängerregelung keine Rechtsänderung und diente nur der Klarstellung des Veräußerungsbegriffs (5 Ob 267/98w verstärkter Senat = SZ 73/66; Dirnbacher, Das Mietrechtsgesetz in der Fassung der Wohnrechtsnovelle 2009, 183). Die grundsätzlichen Voraussetzungen für die gesetzliche Vertragsübernahme, nämlich die Veräußerung eines vom Hauptmieter einer Geschäftsräumlichkeit in dieser betriebenen Unternehmens zum Zweck der Weiterführung durch den Erwerber (Würth/Zingher/Kovanyi Miet- und Wohnrecht22 § 12a MRG Rz 8) blieben unverändert.

2.) Gegenteiliges behauptet die Erstbeklagte nicht. Sie bezweifelt auch nicht die Auffassung des Berufungsgerichts, einen wirksamen Übergang des alleinigen Hauptmietrechts aufgrund der fehlenden Zustimmung der Mitmieterin iSd zu § 12 Abs 3 MRG idF vor dem 3. WÄG ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0069998) zu verneinen. Allerdings meint sie, eine Übertragung des Mitmietrechts des Zweitbeklagten, die das Mitmietrecht der Klägerin aufrecht lasse und sie daher nicht benachteilige, sei zulässig. Die Klägerin habe dem Zweitbeklagten die ausschließliche Nutzung des Mietobjekts vertraglich eingeräumt und damit der Übertragung seines Mitmietrechts an die Erstbeklagte zugestimmt.

3.) Mit diesen Argumenten zeigt sie aber keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Übertragung des Mitmietrechts (die Auswechslung des Mitmieters) bedürfe jedenfalls der Zustimmung der Klägerin als Mitglied der Rechtsgemeinschaft der Mitmieter, entspricht der ständigen Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0013181; RS0013191). Die vertraglich eingeräumte ausschließliche Nutzung des gesamten Bestandobjekts durch den Zweitbeklagten zwingt nicht zur Annahme einer (konkludenten) Zustimmung zu der Übertragung des Mitmietrechts des Zweitbeklagten, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung nicht über die Einbringung des Ambulatoriums in die GmbH informiert worden war (vgl RIS-Justiz RS0109021 [T2]) und aufgrund ihrer Vereinbarungen mit dem Zweitbeklagten mit der Übernahme des Ambulatoriums rechnete.

III.) Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Parteien haben jeweils auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen. Der Klägerin steht für ihre Revisionsbeantwortung nach § 23a RATG ein Zuschlag von nur 1,80 EUR zu, weil eine Rechtsmittelbeantwortung kein verfahrenseinleitender Schriftsatz ist (8 Ob 33/10a; Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 646).

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