OGH 3Ob149/10y

OGH3Ob149/10y13.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei K*****-GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek ua Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei D***** GmbH, *****, vertreten durch Bock Fuchs Nonhoff, Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 50.000 EUR), über den Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 17. Juni 2010, GZ 46 R 225/10v-101, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 30. März 2010, GZ 12 E 249/10g-29, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die Verpflichtete ist aufgrund des Urteils des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 26. November 2003, AZ 41 R 169/03m, verpflichtet, jegliche Inbestandgabe von Betriebsflächen im Einzelausmaß von mehr als 500 m² für Oberbekleidung im von der Verpflichteten betriebenen Einkaufszentrum zu unterlassen, wenn die Betreibende hiezu nicht ihre Zustimmung erteilt hat. Mit Beschluss vom 4. März 2010 bewilligte das Erstgericht über Antrag der Betreibenden die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte über die Verpflichtete eine Geldstrafe von 24.000 EUR, weil die Verpflichtete ungeachtet des Exekutionstitels hinter dem Rücken der Betreibenden einen Bestandvertrag über eine Geschäftsfläche von mehreren 1.000 m² mit einem Einzelhandelsunternehmen der Bekleidungsbranche geschlossen habe.

Mit der Behauptung, die Verpflichtete habe sich in der Zeit zwischen 26. Jänner und 9. März 2010 weiter titelwidrig verhalten, indem sie den Bestandvertrag mit dem Textilhändler, wegen dessen Abschluss bereits die Exekution bewilligt worden sei, noch nicht aufgelöst habe sowie weiters den den Anlass für die Schaffung des Exekutionstitels bildenden Bestandvertrag mit einem weiteren Textilhändler ebenfalls nicht beendet und schließlich ebenso den schon vor der Klage abgeschlossenen Bestandvertrag mit einem weiteren Textilhändler gleichfalls noch nicht aufgelöst habe, brachte die Betreibende insgesamt 20 Strafanträge ein.

Das Erstgericht wies diese Strafanträge mit der Begründung ab, ein Titelverstoß liege lediglich dann vor, wenn ohne Zustimmung der Betreibenden über 500 m² übersteigende Betriebsflächen Bestandverträge mit Händlern der Bekleidungsbranche abgeschlossen würden, nicht aber weiters dann, wenn solcherart abgeschlossene Bestandverträge aufrecht gelassen, also nicht beendet würden. Im Titel sei nicht festgelegt, dass die Verpflichtete die Aufrechterhaltung der Bestandverhältnisse zu unterlassen habe, wenn keine Zustimmung der Betreibenden erteilt worden sei.

Das Rekursgericht verhängte hingegen über Rekurs der Betreibenden aufgrund sämtlicher genannter Strafanträge Geldstrafen von je 24.000 EUR, insgesamt daher 480.000 EUR über die Verpflichtete. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands bei jedem Strafantrag 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung aus jüngerer Zeit dazu fehle, in wie weit die Unterlassungsexekution zur Erwirkung der Beseitigung eines dem Exekutionstitel widersprechenden Zustands das zulässige Exekutionsmittel sei.

Die neuere Rechtsprechung tendiere stark zur Anwendung des § 355 EO und gehe von einem Zuwiderhandeln gegen ein Unterlassungsgebot aus, wenn der Verpflichtete einen gleichgerichteten verbotenen Zustand nicht behebe, soweit ihm darauf Einfluss zukomme. Die Pflicht zur Beseitigung folge aus dem vorangegangenen Verhalten, das eine weitere Störung bewirke. Das zur Erwirkung der Beseitigung dieses Zustands zulässige Exekutionsmittel sei die Unterlassungsexekution nach § 355 EO. Die Unmöglichkeit der Beseitigung des bestehenden Zustands könne vom Verpflichteten als Neuerung nicht mit Rekurs, sondern nur mit Impugnationsklage geltend gemacht werden. Dem gegenständlichen Exekutionstitel liege ein Streit über den vereinbarten Konkurrenzschutz sohin eine wettbewerbsrechtliche Thematik zugrunde. Es bestünden deshalb keine Bedenken, der Betreibenden weitere Strafanträge nach § 355 EO zu bewilligen, wenn die Verpflichtete den verbotenen Zustand weiterhin aufrecht halte, obwohl ihr die Beseitigung möglich wäre. Die Formulierung des Exekutionstitels „jegliche Inbestandgabe von Betriebsflächen“ sei nach dem maßgeblichen normalen Sprachgebrauch in einem weiten Sinn zu verstehen. Das Wort „jegliche“ weise darauf hin, dass nicht nur der Abschluss des Bestandvertrags als solcher, sondern auch die Aufrechterhaltung des Zustands, der durch den Vertragsabschluss herbeigeführt worden sei, mitumfasst sei. Vermietet, also in Bestand gegeben sei die Betriebsfläche während der gesamten Dauer des Mietvertrags. Dieses Ergebnis werde auch durch die Begründung des Exekutionstitels gestützt, zumal dessen Zweck eine effektive Durchsetzung des seinerzeit zwischen den Streitteilen vertraglich vereinbarten Konkurrenzschutzes sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Verpflichteten, mit der sie die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Abweisung sämtlicher Strafanträge anstrebt, ist wegen Abweichens des Rekursgerichts von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zulässig und berechtigt.

Nur ein Verhalten des Verpflichteten, welches eindeutig gegen das im Exekutionstitel ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, rechtfertigt die Exekutionsschritte gemäß § 355 EO (RIS-Justiz RS0000595).

Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen. Es hat sich dabei an den Wortlaut des Titels zu halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben (RIS-Justiz RS0000207). Die Entscheidungsgründe sind für die Auslegung der Tragweite des Spruchs heranzuziehen (RIS-Justiz RS0000300). Der erkennende Senat vermag sich der Auslegung des Rekursgerichts, wonach die Wendung „jegliche Inbestandgabe von Betriebsflächen“ nicht bloß den Abschluss von Bestandverträgen sondern auch deren Aufrechterhaltung beinhaltet, nicht anzuschließen. Nach dem maßgeblichen Sinn der Worte, wie er ihnen gewöhnlich beigelegt wird, soll damit bloß die Unterscheidung in Mietverträge einerseits und Pachtverträge andererseits oder allenfalls eine eindeutige Zuordnung schwierig machende Mischtypen bedeutungslos sein. Der hier zu beurteilende Exekutionstitel umfasst daher entgegen dem von der Betreibenden vertretenen Standpunkt jene Beseitigungspflicht (Beendigung der Bestandverträge), worauf die Betreibende den Titelverstoß gründen möchte, nicht.

Der Oberste Gerichtshof hat nicht nur zu 3 Ob 215/02t, 321/02f (= St 2002/178 = MR 2003/82 [krit. Rechberger] = wbl 2003/290 [krit. Klicka, zum Umfang der Unterlassungsexekution nach § 355 EO in wbl 2003, 260]) klargestellt, dass mangels Anwendbarkeit des UWG (wie auch im vorliegenden Fall) bei einer auf § 1330 ABGB gestützten einstweiligen Verfügung mit einem Unterlassungsgebot damit nicht auch schon die Verpflichtung zur Vornahme bestimmter Beseitigungshandlungen durch den Verpflichteten tituliert ist. Daran hat der Oberste Gerichtshof (unter ausdrücklicher Ablehnung geäußerter Kritik) mehrfach festgehalten (3 Ob 261/03h = MR 2005, 95 [Korn]; 3 Ob 166/05s [3 Ob 167/05p]). Dass dies nicht nur für die Durchsetzung eines auf § 1330 ABGB gestützten Anspruchs, sondern ganz allgemein für Unterlassungsansprüche gilt, die nicht mit dem Wettbewerb oder vergleichbaren Rechtsgebieten im Zusammenhang stehen, liegt auf der Hand. Es ist nicht ersichtlich, warum solche Ansprüche anders als die auf § 1330 ABGB gestützten Ansprüche behandelt werden sollten. Dagegen spricht auch die Regelung des § 356 EO, wonach der betreibende Gläubiger über Antrag vom Exekutionsgericht ermächtigt werden kann, den früheren Zustand auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten wiederherstellen zu lassen. Wegen der Möglichkeit des Betreibenden, sich schon im Titelverfahren auch einen Beseitigungstitel zu verschaffen, ist wohl dem Kritikpunkt Rechbergers (aaO) an der zitierten Leitentscheidung 3 Ob 215/02t, 321/02f, „die von Art 6 EMRK geforderte Effektivität der Rechtsdurchsetzung“ hätte zum Auslegungsergebnis führen müssen, dass ein Unterlassungstitel auch außerhalb des Wettbewerbsrechts einen Beseitigungstitel umfasse, der Boden entzogen. Ein Rechtsschutzdefizit zur Begründung einer nicht beabsichtigten Gesetzeslücke, die im Analogieweg zu schließen wäre, ist nicht erkennbar. Damit im Einklang steht die bereits zu 3 Ob 16/74 (= MietSlg 26.603 = RPFlE 1974/99) gefällte Entscheidung, wonach mit der untersagten Weitergabe eines Bestandobjekts im Exekutionstitel nicht auch die Weiterbelassung des Bestandobjekts, also auch jede Untätigkeit, gedeckt ist, die mit Unterlassungsexekution nach § 355 EO unterbunden werden darf.

Die wegen Aufrechterhaltung der vor Wirksamwerden des Exekutionstitels oder diesem zuwider abgeschlossenen Bestandverträge von der Betreibenden gestellten Strafanträge erweisen sich daher als unberechtigt, weshalb der antragsabweisende Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen war.

Eine Kostenentscheidung konnte entfallen, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.

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