OGH 10ObS133/10x

OGH10ObS133/10x5.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Stefan Jöchtl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei C*****, vertreten durch Juridicom Mag. Holzer und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7. Juli 2010, GZ 7 Rs 37/10f-17, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der vom Kläger im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes als Koch-/Kellnerlehrling am 18. 3. 2009 beim Snowboarden erlittene Unfall kein Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1 ASVG ist, weicht - entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die das Berufungsgericht richtig darlegte, ab. Nach dieser Rechtsprechung unterliegt ein Versicherter, der im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes private Tätigkeiten verrichtet, in dieser Zeit nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (10 ObS 55/04t = RIS-Justiz RS0119183). Auch während der Arbeitszeit besteht der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in der Regel nur, wenn und solange der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausübt, die in dem in § 175 Abs 1 ASVG genannten inneren Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung steht. Wird eine bestimmte, vom Versicherten in dieser Zeit ausgeübte Tätigkeit allein oder überwiegend von eigenwirtschaftlichen Motiven bestimmt, so ist für die Dauer dieser Tätigkeit der Zusammenhang mit dem Betrieb gelöst; der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht in dieser Zeit nicht (10 ObS 264/95 = SSV-NF 10/2 mwN). In diesem Sinne wurde in dieser in SSV-NF 10/2 veröffentlichen Entscheidung ausgesprochen, dass ein privaten Zwecken dienender Lebensmitteleinkauf auch dann nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, wenn er während der Zeit erfolgt, während der der Versicherte seinem Arbeitgeber im Rahmen einer Rufbereitschaft auf Abruf zur Verfügung steht. Auch in der Entscheidung 10 ObS 55/04t (= SSV-NF 18/49) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass ein Versicherter, der sich im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes nicht im Betrieb aufhalten muss und während dieser Zeit private Tätigkeiten verrichten kann, nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegt, wenn der Unfall in keinerlei Zusammenhang mit dem im Rahmen der versicherten Tätigkeit zu leistenden Bereitschaftsdienst steht.

Aus dieser bereits vom Berufungsgericht zitierten Rechtsprechung kann entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass der Versicherungsschutz immer schon dann besteht, wenn der Unfall auch in irgendeinem Zusammenhang mit dem im Rahmen der versicherten Tätigkeit zu leistenden Bereitschaftsdienst steht. Für Verrichtungen, die - nicht aufteilbar (vgl 10 ObS 70/90 = SSV-NF 4/32) - sowohl privaten unversicherten Interessen als auch betrieblichen Interessen dienen (sogenannte gemischte Tätigkeiten), besteht nämlich nur dann Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Wenn für die unfallbringende Tätigkeit im Wesentlichen allein die privaten Interessen des Versicherten maßgebend sind, so ist der Unfall kein Arbeitsunfall; die ebenfalls vorhandenen betrieblichen Interessen sind hier nur Nebenzweck des Handelns und bildeten für den Unfall nur eine Gelegenheitsursache (RIS-Justiz RS0084271).

Es ist daher im vorliegenden Fall zu prüfen, ob das Snowboarden des Klägers am Unfallstag wesentlich betrieblichen Interessen zu dienen bestimmt war. Der Unfall des Klägers ereignete sich beim Snowboarden, somit bei einer Freizeitgestaltung, die grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen ist. Der Umstand, dass der Kläger von seinem Arbeitgeber den Auftrag hatte, während der Bereitschaft zu beobachten, ob Gäste in ausreichender Zahl ein frühzeitiges Aufsperren der Bar rechtfertigen und er diesem Auftrag beim Snowboarden nachkam, tritt daneben weit in den Hintergrund. Der Kläger hätte diesen Auftrag ohne weiteres auch durch wiederholte Nachschau zu Fuß erfüllen können, zumal sich die Bar im Gebäudekomplex des Betriebs befindet, wo auch der Kläger seine Unterkunft hatte. Die Abfahrten des Klägers mit dem Snowboard dienten daher in erster Linie der im eigenwirtschaftlichen Interesse gelegenen sportlichen Betätigung, während der Umstand, dass er bei dieser Gelegenheit über Auftrag seines Arbeitgebers auch das Gästeaufkommen beobachtete, daneben so weit in den Hintergrund trat, dass dieser betriebliche Zweck nicht mehr als wesentlich bezeichnet werden kann (vgl 10 ObS 96/95; 10 ObS 61/92 = SSV-NF 6/50 ua).

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der erforderliche innere Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung nicht gegeben ist, steht daher im Einklang mit der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Dass das Berufungsgericht das Vorliegen der Vorraussetzungen für einen geschützten Wegunfall iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG ebenfalls zu Recht verneint hat, wird auch in der außerordentlichen Revision des Klägers nicht mehr in Zweifel gezogen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte