OGH 10ObS96/95

OGH10ObS96/958.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Theodor Kubak (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr.Andreas Linhart (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ingrid S*****, Versicherungskauffrau, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Rohringer, Rechtsanwalt in Tamsweg, wider die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65, wegen Feststellung und Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.Februar 1995, GZ 12 Rs 115/94-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13.September 1994, GZ 17 Cgs 108/94x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 31.5.1994 anerkannte die Beklagte den Unfall der Klägerin vom 15.5.1993 nicht als Arbeitsunfall. Das Begehren der rechtzeitig erhobenen Klage richtet sich auf Feststellung, daß der erwähnte Unfall als Arbeitsunfall iS des § 175 Abs 1 und 2 Z 1 ASVG anzuerkennen sei, und auf Leistung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß. Nach der Auffassung der Klägerin habe sich der Unfall im Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet.

Die Beklagte vertrat eine gegenteilige Ansicht und beantragte deshalb die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Nach seinen wesentlichen Feststellungen ist die Klägerin seit 1.1.1984 bei einer Versicherungsgesellschaft im Außendienst beschäftigt und als Angestellte bei der Salzburger Gebietskrankenkasse gemeldet. Zwischen mehreren privaten Versicherungen, darunter der Dienstgeberin der Klägerin, und einer Bausparkasse besteht ein Kooperationsvertrag. Deshalb verkaufen Mitarbeiter dieser Versicherungen sämtliche Produkte der Bausparkasse und erhalten dafür Provisionen. Auch die Versicherungen sind im Rahmen des Kooperationsvertrages am wirtschaftlichen Erfolg der Bausparkasse beteiligt. Die Klägerin teilt sich ihre Dienstzeit selbst ein und sucht während derselben auch Kunden für die Bausparkasse auf. Reisen, die sie nur für diese durchführt, meldet sie dem Finanzamt gesondert. Sie steht zur Bausparkasse in keinem sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis. Die von ihr abgeschlossenen Verträge werden an die Zentrale der Bausparkasse geleitet. Von dieser werden ihr die Provisionen nach Abzug der Lohnsteuer als "Entgelt Dritter" mit einer Provisionsabrechnung überwiesen. Diese Provisionen gelten auch sozialversicherungsrechtlich als "Entgelt Dritter", das der Beitragsgrundlage bis zur Höchstbeitragsgrundlage zugerechnet wird. Die Dienstgeberin der Klägerin erwartet von ihr grundsätzlich auch die Entfaltung einer werbenden Tätigkeit für die Bausparkasse. Im Zuge der Animation der Verkäufer von Bausparkassenprodukten werden Wettbewerbe abgehalten. Erreichte Verkaufsziele, zB 10, 20 und 40 Verträge, führen zu gestaffelten "Gewinnen", zB einem Geschenkkorb, einem Mobiltelefon oder einem Golfschnupperwochenende. Die für die Bausparkasse tätigen Verkäufer werden über solche Wettbewerbe durch Prospekte informiert. Darin werden sie darauf hingewiesen, daß Wettbewerbspreise als Sachbezüge Provisionen gleichzusetzen seien. Im Herbst 1992 brachte die Klägerin so viele Verträge, daß sie im Rahmen des Wettbewerbes "Goldener Herbst" einen Golf-Schnuppertag "gewann". Dieser fand am 15.5.1993 in Goldegg statt. Die Klägerin wurde dazu vom Verkaufsleiter der Bausparkasse schriftlich eingeladen. An diesem Tag nahmen 15 Personen, darunter der erwähnte Verkaufsleiter und andere Angestellte der Bausparkasse, aber auch Mitarbeiter von Versicherungen teil, die im bestimmten Zeitraum die erforderliche Anzahl von Verträgen gebracht hatten. Es bestand keine Teilnahmeverpflichtung. Die Teilnehmer reisten mit privaten PKW nach Goldegg an und setzten die Reisekosten steuerlich als Sonderausgaben ab. Die Kosten für die Golflehrer, das Mittagessen, die Miete der Golfausrüstung, die Platzmiete und die Jause wurden von der Bausparkasse bezahlt. Die Teilnehmer wurden von zwei Golflehrern im Golfspielen unterrichtet. Informations- und Unterrichtsveranstaltungen über Bausparprodukte waren mit dem Golfschnuppertag nicht verbunden. Um etwa 16.30 Uhr wollte die Klägerin mit ihrem PKW nach Hause fahren. Wegen eines starken Gewitterregens lief sie auf dem asphaltierten Weg vom Golfclubhaus zum Parkplatz. Dabei rutschte sie aus, stürzte und erlitt einen Riß der rechten Achillessehne.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes habe sich der Unfall nicht bei einer vom Unternehmer getragenen Betriebsveranstaltung, sondern im Zusammenhang mit einem Sachbezug ereignet. Solche Unfälle stünden nur dann unter Versicherungsschutz, wenn sie "mit der Gewinnung und Verarbeitung" der vom Dienstgeber als Sachbezug gewährten Produkte zusammenhingen (§ 175 Abs 2 Z 4 ASVG). Der Golfschnupperlehrgang sei auch nicht als beruflicher Schulungs- oder Fortbildungskurs iS des § 176 Abs 1 Z 5 leg cit anzusehen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es führte zur Rechtsrüge, der Golfkurs sei als der versicherten Beschäftigung zuzuordnende Veranstaltung zu sehen, die ungeachtet ihrer Einbettung in ein gesellschaftliches und sportliches Ereignis der Betriebsverbundenheit gedient habe und die Mitarbeiter motivieren sollte, im wesentlichen aus: Der Golfkurs sei nicht vom Dienstgeber der Klägerin veranstaltet oder mitveranstaltet worden, habe an einem Wochenende stattgefunden und sei auch nicht von Betriebsangehörigen des Dienstgebers, sondern von Mitarbeitern seines Geschäftspartners bzw anderer Versicherungsgesellschaften besucht worden. Deshalb lägen die Voraussetzungen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung nicht vor. Daß es mittelbar auch den betrieblichen Interessen dienen könne, wenn Mitarbeiter der Einladung eines Geschäftspartners folgten und mit Fachleuten derselben Branche in Kontakt kämen, reiche für den nach § 175 ASVG erforderlichen engen Zusammenhang nicht aus. Selbst wenn es sich um eine sogenannte "gemischte Tätigkeit" handelte, wären die privaten Interessen, nämlich die durch besondere Anstrengung verdiente Prämie zu genießen, so im Vordergrund gestanden, daß allfällige betriebliche Interessen den Versicherungsschutz nicht rechtfertigen könnten. Zu § 175 Abs 2 Z 4 ASVG verwies das Berufungsgericht auf die für zutreffend erachteten Ausführungen des Erstgerichtes.

In der Revision macht die Klägerin Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend; sie beantragt, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern oder es, allenfalls auch das des Erstgerichtes aufzuheben.

Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 Z 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 leg cit). Ob die schon in der Berufung behaupteten Mängel des Verfahrens erster Instanz vom Berufungsgericht zutreffend verneint wurden, ist vom Revisionsgericht nach stRsp nicht zu prüfen (zB SSV-NF 7/74 mwN).

In der Rechtsrüge bekämpft die Revisionswerberin nur mehr die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, bei dem Golfschnupperkurs habe es sich nicht um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung gehandelt. Das Gericht zweiter Instanz folgte der stRsp des erkennenden Senates. Nicht einmal dann, wenn der "Golf-Schnuppertag" vom Dienstgeber der Klägerin veranstaltet und getragen worden wäre, hätte sich der Unfall vom 15.5.1993 im ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignet (§ 175 Abs 1 ASVG). Ein solcher Zusammenhang wäre nur zu bejahen, wenn die Teilnahme der Klägerin an dieser Veranstaltung noch Ausfluß der Ausübung der Erwerbstätigkeit gewesen wäre (zB SSV-NF 5/8 und 11 jeweils mit weiteren Judikatur- und Literaturhinweisen: 7/128 mit weiteren Literaturhinweisen). Ähnlich wie bei den in den zit E beurteilten Veranstaltungen (ein von der Betriebsleitung subventionierter Ausflug ganz weniger daran interessierter Betriebsangehöriger in deren Freizeit; ein von der Unternehmensleitung subventioniertes, vom Freizeitklub des Unternehmens organisiertes Schiwochenende ohne Teilnahmeverpflichtung und ein von einem anderen Betrieb organisiertes überbetriebliches Schirennen) diente auch die Teilnahme der Klägerin am "Golf-Schnuppertag" in erster Linie ihren privaten (eigenwirtschaftlichen) Interessen und damit nicht ausreichend betrieblichen Zwecken. Die Klägerin nahm an dieser Veranstaltung nicht deshalb teil, weil sie sich ihrem Dienstgeber zur Teilnahme verpflichtet fühlen mußte. Sie besuchte diesen Golfkurs vielmehr in ihrer Freizeit, weil sie von einem mit ihrem Dienstgeber kooperierenden Dritten (der Bausparkasse) die Möglichkeit zur kostenlosen Teilnahme an diesem Kurs erhalten hatte und dieses Angebot nutzen wollte. Der Unfall ereignete sich daher im Zusammenhang mit dem Verbrauch des der Klägerin zugekommenen Entgeltes und damit in ihrer nicht unfallversicherten Privatsphäre. Daran ändert nichts, daß die - übrigens nicht vom Dienstgeber der Klägerin sondern von der Bausparkasse durchgeführten - Verkaufswettbewerbe der "Animation" der Verkäufer für Bausparkassenprodukte dienen, also die Verkäufer zu vermehrten Verkaufsleistungen anspornen sollten, weil dieser betriebliche Zweck gegenüber dem privaten Interesse so in den Hintergrund trat, daß er nicht mehr als wesentlich bezeichnet werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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