OGH 10ObS70/90

OGH10ObS70/9027.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar Peterlunger und Dr. Theodor Zeh (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rudolf S***, Kaufmann, 4020 Linz, Kremplstraße 6, vertreten durch Dr. Alfred Thewanger und Dr. Helmut Lenz, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei A***

U*** (L*** L***), 1200 Wien, Adalbert

Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und Dr. Josef Milchram, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.August 1988, GZ 13 Rs 104/88-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2.September 1987, GZ 13 Cgs 77/87-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, der als selbständig erwerbstätiger Waffenhändler und Mitglied der Kammer der gewerblichen Wirtschaft nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG aufgrund dieses Bundesgesetzes in der Unfallversicherung hinsichtlich dieser Tätigkeit teilversichert war, beantragte beim beklagten Unfallversicherungsträger am 16.4.1986 unter Übermittlung einer Unfallsanzeige, nach der er am 13.11.1985 während einer Jagd in Parz, bei der er einem Kunden ein Flintenpaar habe vorführen wollen, einen Unfall erlitten habe, durch den die Netzhaut des rechten Auges zerstört worden sei, eine bescheidmäßige Erledigung. Mit Bescheid vom 18.6.1986 lehnte die beklagte Partei einen Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus Anlaß dieses Unfalls mit der Begründung ab, daß kein unter Versicherungsschutz stehender Arbeitsunfall vorliege.

Die dagegen rechtzeitig erhobene, nach einer Präzisierung in der Tagsatzung vom 15.7.1987 auf eine Versehrtenrente aus Anlaß des erwähnten Unfalls von 40 vH vom 14.1.1986 an gerichtete Klage stützte sich darauf, daß der ua mit Jagdwaffen handelnde Kläger von seinem langjährigen Kunden Hermann T***, der sich im November 1985 für den Ankauf eines englischen Flintenpärchens (eine Schrotwaffe) interessierte, ersucht worden sei, ihm diese Waffe bei einer Niederwildjagd in Parz, Gemeindegebiet Bruck-Waasen vorzuführen bzw. testen zu lassen. Deshalb habe auch der Kläger an der Treibjagd am 13.11.1985 teilgenommen. Dabei sei er durch einen von Günther K*** sorgfaltswidrig abgebenen Schuß am rechten Augen schwer verletzt worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Sie wendete ein, der Kläger habe auf Einladung des Jagdleiters, August M***, am 13.11.1985 an einer Niederwildtreibjagd im Jagdrevier Bruck-Waasen als Jagdgast teilgenommen. Er sei wegen einer dem Jagdleiter erwiesenen Gefälligkeit eingeladen worden. Bei der Treibjagd sei er rein zufällig mit dem weiteren Jagdgast Hermann T*** zusammengetroffen, dem er die von ihm bei der Jagd verwendete doppelläufige Spezialflinte gezeigt habe. T*** habe diese besichtigt, und es sei vereinbart worden, daß "wenn es einmal paßt", ein Flintentausch vorgenommen werde, damit T*** die Waffe testen könne. Während der Treibjagd sei der Kläger von Schrot im Bereich des rechten Auges verletzt worden. Der Kläger habe als Privatmann an der Jagd teilgenommen. Der Unfall stehe mit seiner Tätigkeit als Waffenhändler in keinem Zusammenhang. Der Kläger replizierte, er besitze kein eigenes Waffengeschäft, sondern wickle seine betriebliche Tätigkeit ausschließlich bei Jagd- und Sportveranstaltungen ab. Er habe nicht zufällig an der erwähnten Jagd teilgenommen, sondern gewußt, daß Hermann T*** teilnehme, der ihm schon vorher sein Interesse an einem englischen Flintenpaar bekundet hätte. Der Kläger habe ausschließlich deswegen an der Jagd teilgenommen, dieses Flintenpaar dazu mitgenommen und T*** vorgeführt.

Für den Fall, daß das Gericht dem Klagebegehren "dem Grunde nach mit 25 %" Folge geben sollte, stellten die Parteien eine vorläufige Leistung von 1.000 S der Höhe nach außer Streit.

Im zweiten Rechtsgang sprach das Erstgericht aus, daß der Kläger aus Anlaß des Arbeitsunfalls vom 13.11.1985 Anspruch auf eine Versehrtenrente von 25 vH der Vollrente ab 14.1.1986 habe, und trug der beklagten Partei bis zur Erlassung des die Höhe dieser Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 1.000 S monatlich auf.

Nach seinen Feststellungen war der Kläger bereits mehrere Jahre vor dem nunmehrigen Unfall einmal von August M*** als Gastjäger im Revier eingeladen. Einige Monate vor dem Unfall traf er M*** zufällig und vereinbarte mit ihm aufgrund einer Gefälligkeit, daß er in nächster Zeit bei einem passenden Termin wieder einmal zu einer Jagd eingeladen werde. Im November 1985 gab M*** den Jagdtermin 13.11.1985 telefonisch der Ehegattin des Klägers bekannt. Dieser erhielt bei einer telefonischen Rückfrage die Auskunft, daß an dieser Jagd auch Hermann T*** teilnehmen werde. Der Kläger hatte mit diesem, der sich für den Kauf eines englischen Flintenpärchens (Kal. 12) interessierte, schon einige Zeit vorher vereinbart, ihm diese Waffe bei nächster Gelegenheit zu zeigen und ausprobieren zu lassen. Die im Revier August M*** angesagte Jagd schien ihm dafür die passende Gelegenheit zu sein. Am 13.11.1985 brachte der Kläger das englische Flintenpärchen zur Herbstjagd mit. Weil diese Waffe als Pärchen üblicherweise nur zur Flugwildjagd und zum hobbymäßigen Tontaubenschießen verwendet wird, ließ der Kläger eine Flinte im Auto liegen. Die andere nahm er zur Treibjagd mit, um sie T*** vorzuführen. Er verließ sich auf die Auskunft des Jagdleiters, daß T*** an dieser Jagd teilnehmen werde. Daher kam es (mit diesem) vorher zu keiner Terminabsprache mehr. Im Zuge der Treibjagd zeigte der Kläger T*** die Waffe, der sie auch in Anschlag nahm. Weil er nach wie vor Interesse an der Flinte bekundete, vereinbarte er mit dem Kläger, die Waffe noch im Laufe dieses Tages bei passender Gelegenheit auszuprobieren. Noch bevor der Kläger dazu kam, die Waffe zu diesem Zweck an T*** weiterzugeben, wurde er im Zuge der Treibjagd von einere Schrotkugel am rechten Augen getroffen und so schwer verletzt, daß praktisch Einäugigkeit besteht. Seine Erwerbsfähigkeit ist dadurch seit dem Unfall um 25 vH gemindert. In der Waffenhandelsbranche ist es in letzter Zeit üblich geworden, daß sich das Geschäft immer mehr von der Stadt hinaus direkt auf die Jagd verlagert. Daher ist es für den Händler erforderlich, möglichst oft an Jagden teilzunehmen, um im Geschäft zu bleiben. Der Kläger nimmt daher jährlich an etwa zehn Herbstjagden teil. Dies ist für ihn vor allem deshalb notwendig, weil er über keinen eigenen Schießstand verfügt, so daß er immer wieder darauf angewiesen ist, seine Kunden die Waffen im Zuge einer Jagdeinladung ausprobieren zu lassen.

Unter diesen Umständen nahm das Erstgericht einen klaren Zusammenhang zwischen der betrieblichen Tätigkeit des Klägers und dessen den Zwecken des Betriebs dienenden einheitlichen Teilnahme an der zum Unfall führenden Jagd an.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das erstgerichtliche Urteil mit einer die ausdrückliche Abweisung des Mehrbegehrens betreffenden Maßgabe. Das Berufungsgericht hatte gegen den vom Erstgericht gezogenen Schluß, daß der Kläger an der Jagd auch deshalb teilnahm, um dem Kaufinteressenten T*** das Flintenpärchen zu zeigen, keine Bedenken. Es vertrat die Rechtsansicht, daß der Kläger deshalb solange Versicherungsschutz genoß, als er noch nicht alle sich auf den Kunden T*** beziehenden Verkaufsaktivitäten beendet hatte. Es komme nicht darauf an, ob das Jagdinteresse des Klägers oder Geschäftsinteressen im Vordergrund standen, sondern ausschließlich darauf, ob ihn auch die Wahrnehmung geschäftlicher Belange zur Teilnahme an der Jagd veranlaßten, und ob sich der Unfall vor der Beendigung sämtlicher geschäftlicher Aktivitäten ereignet habe. Diese Voraussetzungen seien gegeben.

Dagegen richtet sich die infolge bewilligter Wiedereinsetzung rechtzeitige, nicht beantwortete Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Das nach § 46 Abs. 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs. 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Rechtsmittel ist nicht berechtigt. Arbeitsunfälle sind Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung ereignen (§ 175 Abs. 1 ASVG).

Der Versicherungsschutz der in der Unfallversicherung teilversicherten selbständig Erwerbstätigen wird nach § 8 Abs. 1 Z 3 lit. a ASVG durch die Mitgliedschaft zu einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft erworben und erstreckt sich daher auf Tätigkeiten, die im oben genannten Zusammenhang mit dem Gewerbebetrieb stehen, der die Grundlage der Kammermitgliedschaft bildet (SSV-NF 1/14; 2/107).

In diesem Rahmen ist ein selbständig Erwerbstätiger gegen alle Gefahren geschützt, denen er in dieser Rolle ausgesetzt ist. Im Vordergrund stehen dabei sog. Ausübungshandlungen, das sind Tätigkeiten, die einem vernünftigen Menschen als Ausübung der Erwerbstätigkeit erscheinen (objektive Bedingung) und die vom Handelnden in dieser Intention entfaltet werden (subjektive Bedingung). Als Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit sind daher alle durch die Gewerbeberechtigung gedeckten Tätigkeiten anzusehen, die unmittelbar der Aufrechterhaltung, Förderung und Abwicklung der selbständigen Existenz dienen (Tomandl, SV-System

4. ErgLfg 279; ders, Grundriß des österr. Sozialrechts4 Rz 137; SSV-NF 1/14; 2/107, 143; 3/67).

Diese Voraussetzungen sind nach den maßgeblichen Feststellungen im vorliegenden Fall - anders als in dem in der letztgenannten Entscheidung beurteilten Fall - gegeben, weil die Teilnahme an der Jagd auch der Präsentation und Erprobung von Jagdflinten durch einen an deren Ankauf interessierten Kunden und damit der Erzielung des Abschlusses eines bereits angebahnten Geschäftes diente. Die Teilnahme an der Jagd, die auch teilweise eigenwirtschaftlichen Interessen gedient haben mag, läßt sich nicht eindeutig in einen unternehmensbedingten und einen unternehmensfremden Teil zerlegen und ist deshalb als "gemischte Tätigkeit" anzusehen. Eine solche steht im allgemeinen unter Unfallversicherungsschutz, wenn sie wesentlich dem Unternehmen dient (so auch Lauterbach, Unfallversicherung3, 223/2, 230/5, 231; Brackmann, Handbuch,

72. Nachtrag 480 q).

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

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