Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger sind schuldig, dem Beklagten die mit 816,50 EUR (darin 136,08 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten seiner Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstkläger ist zu 9/32-stel Anteilen, die Zweitklägerin zu 3/16-tel Anteilen und der Beklagte zu 17/32-stel Anteilen bücherlicher Miteigentümer einer Liegenschaft auf der sich ein Gebäude befindet.
Dem - ebenfalls von den Klägern angestrengten - Verfahren zu AZ 3 Cg 196/05z des Landesgerichts St. Pölten (im Folgenden nur mehr: Vorprozess) lag das Begehren auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft zugrunde. Der Vorprozess endete mit einem am 11. 1. 2006 abgeschlossenen - dem Klagebegehren entsprechenden - Vergleich, wonach die Eigentumsgemeinschaft der Parteien durch gerichtliche Feilbietung aufzuheben ist.
Die Kläger begehren hier den Ausschluss des Beklagten aus der Eigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft. Der Beklagte verweigere ohne sachlich berechtigten Grund die Zustimmung zu unbedingt nötigen Sanierungsmaßnahmen. Zur Abwehr von Schäden für ihre Miteigentumsanteile stehe den Klägern nur die Ausschlussklage analog dem § 36 WEG 2002 zur Verfügung. Die Vollstreckung des im Vorprozess erwirkten Vergleichs hätten sie nicht betrieben, weil sie sich entschlossen hätten, die Liegenschaft weiterhin selbst benützen zu wollen. Durch dreijährigen Nichtgebrauch vom Exekutionstitel auf Zivilteilung hätten die Parteien schlüssig auf ihre Rechte aus dem Vergleich verzichtet, weshalb von einer Fortführung der Eigentumsgemeinschaft auszugehen sei. Gegen das zwischenzeitig vom Beklagten aufgrund des Vergleichs im Vorprozess eingeleitete Exekutionsverfahren hätten die Kläger Oppositionsklage erhoben. Selbst für den Fall der Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft im Wege der Zivilteilung treffe den Beklagten die von ihm verletzte Pflicht zur Optimierung des Verkaufserlöses, was ebenfalls seinen Ausschluss rechtfertige.
Der Beklagte wendete Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, bestritt im Übrigen das Vorbringen der Kläger und beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Es seien die Kläger, die seinen sinnvollen Sanierungsvorschlägen nicht zustimmten und sich an von ihm veranlassten Reparaturen nicht finanziell beteiligten. Für eine analoge Anwendung des § 36 WEG 2002 bestehe kein Bedarf. Die Kläger hätten nur die ohnehin in Anspruch genommene Möglichkeit der Teilungsklage gemäß § 830 ABGB, die auch schon zu einem Exekutionstitel geführt habe. Im Ergebnis wünschten die Kläger offenbar nur eine geregelte Renovierung der Liegenschaft, die nach den Regeln des Miteigentums nach den dafür geltenden Verfahrensvorschriften durchzusetzen seien, weshalb der streitige Rechtsweg unzulässig sei. Die Kläger hätten selbst die Ausschlussgründe des § 36 Abs 1 Z 1 und 3 WEG 2002 verwirklicht. Mit dem Vergleich im Vorprozess sei die Auseinandersetzung der Miteigentümer rechtskräftig erledigt. Der Beklagte habe am 28. 4. 2009 aufgrund des Vergleichs im Vorprozess einen Exekutionsantrag gestellt, der auch bewilligt worden sei.
Das Erstgericht verwarf mit dem in sein Urteil aufgenommenen Beschluss - unbekämpft - die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und wies das Klagebegehren - ohne Durchführung von Beweisaufnahmen - ab. Ein Anspruch nach (analog) dem § 36 WEG 2002 sei im streitigen Rechtsweg durchzusetzen. Durch die Geltendmachung des Aufhebungsanspruchs im Vorprozess sei die Eigentumsgemeinschaft in das Abwicklungsstadium gelangt. Der Nichtgebrauch vom Exekutionstitel aus dem Vorprozess für geraume Zeit sei kein Verzicht auf die Ansprüche aus dem Vergleich. Für den Ausschluss eines Miteigentümers in der Beendigungsphase der Rechtsgemeinschaft durch analoge Anwendung des § 36 WEG 2002 bestehe kein Anlass. Überdies hätten sich die Parteien mit ihrem Vergleich im Vorprozess zwischen den - allenfalls - bestehenden zwei Möglichkeiten der Beendigung ihrer Rechtsgemeinschaft (Teilung oder Ausschluss) auf Zivilteilung geeinigt, weshalb die Klage auch infolge verglichener Rechtssache abzuweisen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichts an. Durch den Vergleich im Vorprozess seien exekutionsfähige Ansprüche auf Zivilteilung entstanden. Den Klägern sei bis zur Auflösung der Eigentumsgemeinschaft durch Zwangsvollstreckung nur die Möglichkeit offen gestanden, eine erforderliche Sanierung der Liegenschaft im Weg einer Entscheidung des Außerstreitrichters zu fordern. Für die Zeit nach der Einbringung des Exekutionsantrags durch den Beklagten bestehe keine Notwendigkeit mehr für die analoge Anwendung des § 36 WEG 2002. Auf die Frage der Berechtigung der vom Beklagten ebenfalls erhobenen Einwendung der verglichenen Rechtssache müsse bei dieser Sachlage nicht eingegangen werden.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt, und die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof bislang noch nicht zur Frage der analogen Anwendbarkeit des § 36 WEG 2002 auf die Rechtsgemeinschaft nach §§ 825 ff ABGB Stellung genommen habe.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens. Hilfsweise stellen die Kläger auch einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision der Kläger zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Kläger ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
1.1. Die Eigentumsgemeinschaft wird durch das Einverständnis aller aufgehoben. Ist Einvernehmen nicht erzielbar, so kann jeder Miteigentümer gemäß § 830 ABGB die Teilung erforderlichenfalls im Klageweg mittels Teilungsklage verlangen (4 Ob 191/06a = EF-Z 2007/10, 22 = EvBl 2007/33, 194 = JBl 2007, 582 = immolex 2007/136, 250 = SZ 2006/157). Bei einer Klage auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft nach § 830 ABGB handelt es sich um eine sogenannte unvollkommene Rechtsgestaltungsklage, bei der der Eintritt der Gestaltungswirkung, nämlich die Aufhebung des Miteigentums, zwar unmittelbar an das Urteil geknüpft ist, es aber zur vollen Verwirklichung der neuen Rechtslage noch der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 351 ff EO bedarf. Das Teilungsverfahren ist dabei dreistufig: Die Geltendmachung des Aufhebungsanspruchs durch Teilungsklage bildet die erste Stufe. Um die Rechtsbeziehung der Teilhaber vollständig zu beenden, ist es erforderlich, dass zu dieser ersten Stufe die richterliche Rechtsgestaltung durch Teilungsurteil als zweite Stufe und schließlich der Vollzug als dritte Stufe hinzutritt. Erst der Vollzug der Teilung hat das endgültige Erlöschen des gesetzlichen Schuldverhältnisses zur Folge (RIS-Justiz RS0113831).
1.2. Liegt ein rechtskräftiger, auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft nach § 830 ABGB lautender Teilungstitel vor, tritt die bis dahin bestandene Eigentumsgemeinschaft an der betreffenden Liegenschaft in ein Abwicklungsstadium, in dessen Rahmen exekutionsfähige Ansprüche auf Zivilteilung bestehen (4 Ob 191/06a = EF-Z 2007/10, 22 = EvBl 2007/33, 194 = JBl 2007, 582 = immolex 2007/136, 250 = SZ 2006/157; Egglmeier/Gruber/Sprohar in Schwimann³ § 830 ABGB Rz 16 mwN).
1.3. Der von den Klägern angestrengte Vorprozess endete mit einem am 11. 1. 2006 abgeschlossenen Vergleich, wonach die Eigentumsgemeinschaft der Parteien durch gerichtliche Feilbietung aufzuheben ist. Aufgrund dieses Teilungstitels trat die bis dahin bestandene Eigentumsgemeinschaft an der Liegenschaft in ihr Abwicklungsstadium.
1.4. Unstrittig ist, dass der Beklagte am 28. 4. 2009 aufgrund des Vergleichs im Vorprozess einen Exekutionsantrag gestellt hat (vgl die Anmerkung der Einleitung des Versteigerungsverfahrens im Lastenblatt der Liegenschaft sub C-LNR 4a), der auch bewilligt wurde. Der Beklagte hat somit die dritte und letzte Stufe des Teilungsverfahrens eingeleitet.
1.5. Allein aus dem Umstand, dass der Beklagte vom Exekutionstitel aus dem Vorprozess knapp über drei Jahre lang nicht Gebrauch gemacht hat, kann ein Verzicht auf den Teilungsanspruch oder ein Exekutionsverzicht nicht abgeleitet werden (vgl RIS-Justiz RS0014190; RS0014420). Gegen diese richtige Rechtsansicht des Berufungsgerichts wird in der Revision nichts Substanzielles vorgebracht.
2. Die Kläger bauen ihre Klage auf die analoge Anwendung des § 36 WEG 2002 auf. In der Lehre wird - de lege lata - die Möglichkeit einer Ausschlussklage teils verneint (so etwa Sailer in KBB², § 830 ABGB Rz 4 und § 843 ABGB Rz 7; vgl auch unten 2.2.), teils wird deren Zulässigkeit auf der Grundlage einer Analogie bejaht:
2.1. Fasching (Urteilsmäßige Rechtsgestaltung im Zivilprozeß, JBl 1975, 506 [508 ff]) führt dazu aus, es sei ein unbestrittener Grundsatz der Privatrechtsdogmatik, dass Dauerrechtsverhältnisse aus wichtigen Gründen gelöst werden können. Dieser Gedanke finde sich nicht nur im Gesellschaftsrecht, sondern bei allen obligatorischen Dauerrechtsverhältnissen und selbst im Eherecht Anerkennung. Das bedeute insbesondere im Recht von Mehrpersonengemeinschaften, dass ein Gemeinschafter aus wichtigen Gründen ausgeschlossen werden könne. Im Miteigentumsbereich regle das Gesetz nur die Auflösung der gesamten Gemeinschaft. Befinde sich in einer Miteigentumsgemeinschaft ein „schwarzes Schaf“, das die Gemeinschaftsverpflichtungen (Benützungsregelung, insbesondere aber die Verpflichtung zur Erhaltung der gemeinschaftlichen Sache) verletzte und etwa gar bewusst rechtswidrig handle, so könne sie diesen Genossen nur durch Auflösung der Gesamtgemeinschaft „loswerden“. Wo Naturalteilung durchführbar sei, bringe dies die gewünschte Lösung ohne Benachteiligung der Verbleibenden. Wo aber - wie in den weitaus meisten Fällen - nur Zivilteilung möglich sei, bringe die Auflösung der Eigentumsgemeinschaft die Versteigerung und damit das Risiko des Verlustes des Miteigentums für die schon durch den rechtswidrig handelnden Miteigentümer geschädigten und in die ausweglose Situation versetzten anderen Miteigentümer mit sich. Betrachte man die anderen Rechtsgemeinschaften, dann sei der Ausschluss des ungetreuen Rechtsgenossen überall vorgesehen. Sinnvolle Wert- und Interessenabwägung könnten hier nur zur analogen Zulassung einer Ausschlussklage führen. Eine entscheidende Stütze finde diese Ansicht im WEG als Spezialgesetz im Bereiche des Miteigentums; die in § 10 WEG (gemeint: 1948) ausdrücklich vorgesehene Ausschlussklage zeige, dass der Gesetzgeber auch bei einer Eigentumsgemeinschaft den Ausschluss eines Teilgenossen grundsätzlich für zulässig erachte.
2.2. Gschnitzer (SchR, BT² 335 f) spricht sich - de lege ferenda - für die Schaffung einer Ausschlussklage gegen einen Miteigentümer aus.
2.3. Oberhofer (Die Aufhebung von Miteigentumsgemeinschaften an bebauten Grundstücken, WoBl 1994, 58) schließt sich den Ausführungen Faschings an und plädiert ebenfalls für die Zulässigkeit einer Ausschlussklage bei schlichten Miteigentumsgemeinschaften. Dafür - so Oberhofer ergänzend (WoBl 1994, 58 [65 f]) - erübrige sich der „Kunstgriff der Analogie“, wenn die Gemeinschaft zugleich eine Gesellschaft sei.
2.4. Gamerith (in Rummel³, § 830 ABGB Rz 21) gibt die Ansicht Faschings wieder und meint, diese habe umso mehr für sich, je kleiner der Anteil und je schwerer die Pflichtverletzung des betreffenden Miteigentümers sei.
3. Die Zulässigkeit einer Ausschlussklage gegen einen schlichten Miteigentümer analog dem (nunmehrigen) § 36 WEG 2002 setzt allerdings das Vorliegen einer Lücke im Sinn des § 7 ABGB voraus (RIS-Justiz RS0098756). Eine Rechtslücke ist eine planwidrige Unvollständigkeit innerhalb des positiven Rechts gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung. Das Gesetz ist in einem solchen Fall - nach seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie - ergänzungsbedürftig, ohne dass seine Ergänzung einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RIS-Justiz RS0008866). Allein die Meinung eines Rechtsanwenders, eine Regelung sei wünschenswert, rechtfertigt die Annahme einer Gesetzeslücke nicht (RIS-Justiz RS0008757 [T2]), und ohne Vorliegen einer Lücke an die Stelle des Gesetzgebers zu treten und eine Regelung zu schaffen, deren Herbeiführung ausschließlich diesem obläge, steht den Gerichten nicht zu (RIS-Justiz RS0008866 [T16]; RS0098756 [T3 und T5]). Eine Gesetzeslücke ist letztlich nur dann anzunehmen, wenn Wertungen und Zweck der konkreten gesetzlichen Regelung die Annahme rechtfertigen, der Gesetzgeber habe einen nach denselben Maßstäben regelungsbedürftigen Sachverhalt übersehen (RIS-Justiz RS0008866 [T10]). Weder Fasching noch die ihm folgenden Autoren zeigen eine solche durch Analogie zu schließende Lücke überzeugend auf und die von Fasching vorgetragenen Argumente beruhen überdies auf einer inzwischen überholten Rechtslage:
3.1. Die in ihrer Grundkonzeption einander entsprechenden § 10 WEG 1948, § 22 WEG 1975 und § 36 WEG 2002 stellen sich qualitativ als Ausgleich dafür dar, dass, solange Wohnungseigentum besteht (§ 35 Abs 2 WEG 2002), der Anspruch auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft ausgeschlossen ist (vgl 3 Ob 30/86 = SZ 59/102 = JBl 1986, 586 = RZ 1986/70, 248; vgl auch Pittl/Kogler, Wer kann im Verfahren zur Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft die Begründung von Wohnungseigentum begehren?, wobl 1998, 204 [209]). Diese Bestimmungen sind daher gerade kein Argument für eine generelle Zulässigkeit der Ausschlussklage auch bei der schlichten Eigentumsgemeinschaft.
3.2. Soweit im Fall einer schlichten Eigentumsgemeinschaft Naturalteilung möglich ist, steht jedem Miteigentümer ohnehin ein entsprechender Anteil zu. Einer Ausschlussklage bedarf es - wie auch Fasching einräumt - in diesem Fall nicht.
3.3. Der von Fasching für problematisch erkannte Fall der Zivilteilung, der zur Versteigerung und zum Risiko des Eigentumsverlustes führe, ist inzwischen dadurch entschärft, dass § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 ohnehin die Möglichkeit der „Teilung“ durch Begründung von Wohnungseigentum, damit die Fortsetzung der Gemeinschaft in anderer Form ermöglicht und insoweit den Eigentumsverlust vermeidet.
Bei dieser Rechtslage stellt das Fehlen einer Ausschlussklage in der schlichten Eigentumsgemeinschaft keine planwidrige Unvollständigkeit dar, die durch analoge Anwendung des § 36 WEG 2002 geschlossen werden müsste. Das darauf gestützte Klagebegehren ist daher unberechtigt und der Revision der Kläger muss somit ein Erfolg versagt bleiben.
4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)