Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - auch Freisprüche enthaltenden - Urteil wurde Alfred S***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB (1./) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (2./) schuldig erkannt.
Danach hat er
1./ am 7. Juli 2009 in Kapfenberg Mario Sch***** durch das Versetzen von zumindest zehn Messerstichen in den Bauch- und Brustbereich sowie in den Halsbereich vorsätzlich zu töten versucht;
2./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2009 in Bruck an der Mur Rene A***** durch die Äußerung: „Jetzt stich i di ob“ mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5, 6, 8, 10a und 13 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.
In der Verfahrensrüge (Z 5) erachtet der Beschwerdeführer seine Verteidigungsrechte durch die Abweisung seines Antrags verletzt, „für jenen Zeitraum, in welchem der Angeklagte zu seiner Person zu befragen ist, die Öffentlichkeit auszuschließen, da von diesen Aussagen des Angeklagten auch Personen betroffen seien, die nicht in die gegenständliche Strafsache involviert wären und deren Privatsphären ebenso verletzt werden könnte, wie jene des Angeklagten“ (S 9 in ON 85). Dieses Begehren wurde jedoch zu Recht abgewiesen, weil es im Hinblick auf einen pauschal behaupteten, mit jedem Strafverfahren verbundenen Eingriff in die Privatsphäre des Nichtigkeitswerbers nicht erkennen lässt, inwieweit in § 229 Abs 1 Z 2 StPO aufgezählte schutzwürdige, das Verfassungsgebot (Art 90 Abs 1 B-VG, Art 6 Abs 1 EMRK) einer öffentlich durchzuführenden Verhandlung überwiegende (vgl Danek, WK-StPO § 229 Rz 5; Fabrizy StPO10 § 229 Rz 5) Interessen des Rechtsmittelwerbers berührt wären und solcherart der Ausschluss der Öffentlichkeit geboten gewesen wäre, um ein die Verteidigung sicherndes, faires Verfahren zu gewährleisten.
Die den abgewiesenen Beweisantrag ergänzenden Beschwerdeausführungen wie jene zum behaupteten Affektzustand und zu seiner erst nach Abweisung des Begehrens artikulierten eingeschränkten Aussagebereitschaft (S 19 ff in ON 85) sind schon deshalb unbeachtlich, weil die Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu prüfen ist (vgl RIS-Justiz RS0099618, RS0099117; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Den in der Hauptverhandlung am 20. Jänner 2010 gestellten Anträgen des Rechtsmittelwerbers auf Beiziehung eines Toxikologen (S 105 in ON 85) zum Beweis dafür, dass der Angeklagte infolge einer Mischindikation verschiedener von ihm eingenommener Medikamente und Substanzen mit Alkohol an einer tiefgreifenden, seine Dispositionsfähigkeit ausschließenden Bewusstseinsstörung litt, sowie auf Beiziehung des Sachverständigen Dr. K***** (aus dem Fachgebiet der Chemie) zum gleichen Beweisthema und zu einer vom Antragsteller behaupteten Alkoholisierung (S 107 in ON 85) gab der Schwurgerichtshof zu Recht keine Folge (S 109 in ON 85), weil die Konsequenzen eines derartigen multiplen Missbrauchs iSd § 11 StGB von einem Psychiater zu klären sind und dazu in der Hauptverhandlung am 3. März 2010 der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. W***** geladen war. Dieser nahm in seinem Gutachten zu den angeführten Beweisthemen Stellung (S 31 ff in ON 97), wobei er die Beiziehung eines Toxikologen zur Abklärung der Dispositionsfähigkeit des Beschwerdeführers erörterte, dies aber unter Darlegung entsprechender Gründe für nicht notwendig hielt (S 39 in ON 97). Die nach der Erstattung dieses Gutachtens beantragte Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der allgemeinen Chemie (S 47 ff in ON 97) zum inhaltlich identen Beweisthema war - wie vom Schwurgerichtshof zutreffend ausgeführt (S 53 in ON 97) - gleichfalls unberechtigt. Denn einerseits legt dieser Antrag nicht dar, weshalb ein solcher Sachverständiger zur Klärung der Dispositionsfähigkeit des Angeklagten Stellung nehmen könnte. Zum anderen übergeht die Beschwerde, dass die im Beweisbegehren mit Hinweis auf das Gutachten von Univ.-Prof. Dr. L***** aufgestellte Behauptung einer Unschlüssigkeit der Ausführungen des Sachverständigen Dr. W***** zu einer Erörterung dieser lediglich vom Rechtsmittelwerber als kontrovers beurteilten Verfahrensergebnisse führte (S 49 - S 53 in ON 97). Weshalb danach bezogen auf den gestellten Antrag noch immer Umstände vorgelegen hätten, die nach den Kriterien des § 127 Abs 3 StPO die Beiziehung eines weiteren Experten notwendig gemacht hätten, legt die Beschwerde nicht dar.
Die Abweisung des Antrags auf Einholung eines weiteren Gutachtens durch einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie zur Frage der Gefährlichkeit des Angeklagten (S 49 in ON 97) ist - zumal sich dieses Beweisthema auf die Ermessensentscheidung bei der Sanktionsfindung bezieht - nicht mit Nichtigkeit bedroht (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 322; ders in WK2 Vorbem zu §§ 21 - 25 Rz 11). Im Übrigen fehlt auch diesem Begehren jegliches Vorbringen iSd § 127 Abs 3 StPO.
Die Fragenrüge (Z 6) vermisst zunächst die Aufnahme konkreter Verletzungsfolgen in der nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB gestellten Hauptfrage I./. Dazu leitet der Nichtigkeitswerber allerdings nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab, weshalb derartige Umstände für die Subsumtion des im Versuchsstadium gebliebenen Verbrechens des Mordes von Bedeutung sein sollen (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23).
Gleiches gilt für die weitere Kritik, wonach die Zusatzfrage nach einem Rücktritt vom Versuch keine Konkretisierung dahingehend aufwies, dass der Angeklagte den ersten Telefonanruf zur Rettung seines Tatopfers tätigte (vgl im Übrigen Schindler, WK-StPO § 313 Rz 23; Fabrizy StPO10 § 313 Rz 1c).
Die in der Instruktionsrüge (Z 8) behauptete unzureichende Information zu § 16 Abs 1 StGB übersieht, dass die Rechtsbelehrung in ihrer Gesamtheit zu betrachten ist (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 56 f). Der Beschwerde ist zwar insoweit beizupflichten, dass entgegen der Instruktion (insoweit aber ohne für den Angeklagten nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung; vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 62; Schroll/Schillhammer, AnwBl 2006, 443) im Fall der Bejahung der Zusatzfrage nach § 16 Abs 1 StGB kein Freispruch wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB zu erfolgen hat (vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1). Entgegen dem weiteren Vorbringen verweist aber die Rechtsbelehrung in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Verpflichtung zur Beantwortung der bei Bejahung der Hauptfrage nach §§ 15 Abs 1, 75 StGB und der Zusatzfrage nach § 16 Abs 1 StGB gestellten Eventualfragen nach § 87 Abs 1 StGB bzw nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB (vgl S 133 in ON 97).
Soweit die Rechtsbelehrung auch insoweit als fehlerhaft bezeichnet wird, als nach den Rechtsmittelausführungen zur Strafaufhebung iSd § 16 Abs 1 StGB ausschließlich ein contrarius actus verlangt werde und die Motivation hiefür irrelevant sei, unterlässt es der Nichtigkeitswerber methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten, weshalb die Erfolgsabwendung - wie vom Gesetz gefordert - nicht aus freiwilligen Beweggründen und ergebnisorientiert erfolgen müsse. Im Übrigen scheidet strafaufhebender Rücktritt vom Mordversuch jedenfalls aus, wenn die Verständigung der Rettung im Vertrauen auf die bereits erfolgen letalen Tathandlung erfolgte (RIS-Justiz RS0090250) oder - wovon die Geschworenen ausgegangen sind (vgl die Niederschrift der Geschworenen) - der Angeklagte auch noch im Freien (wie vom Zeugen A***** angegeben [ON 85/S 85]), somit bereits nach dem Telefonat, noch einmal zugestochen hat (vgl hiezu auch Hager/Massauer in WK2 §§ 15, 16 Rz 130).
Das Vorbringen zur Tatsachenrüge (Z 10a) ignoriert den Anfechtungsrahmen dieses Nichtigkeitsgrundes, dessen Wesen und Ziel es ist, anhand aktenkundiger (dazu 14 Os 9/08t) Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Solche erhebliche Bedenken liegen nur dann vor, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Ermessen bei der Beweiswürdigung in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung qualifiziert nahe liegt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 391, 470, 490; RIS-Justiz RS0119583). Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (vgl RIS-Justiz RS0119583 und RS0118780). Demgegenüber beschränkt sich die Rüge auf die Darstellung eigener Beweiswerterwägungen, indem sie etwa die Glaubwürdigkeit des Zeugen A***** in Ansehung des von diesem beobachteten Bauchstichs im Freien und jene des Zeugen Sch***** bekämpft, um der eigenen Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen. Erhebliche Bedenken im aufgezeigten Sinn werden dadurch nicht dargetan.
Das Vorbringen zur Sanktionsrüge (Z 13), mit dem die Richtigkeit des Gutachtens des Sachverständigen Dr. W***** bestritten wird, stellt sich wiederum lediglich als bloßes Berufungsvorbringen dar, weil die vermissten „objektivierbaren Testverfahren“ (deren Durchführung bei der Exploration nach den Ausführungen des Sachverständigen an der mangelnden Kooperationsbereitschaft des Angeklagten scheiterte; vgl S 41 ff in ON 97), nur Relevanz für die Prognoseentscheidung haben (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 680).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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