OGH 4Ob112/10i

OGH4Ob112/10i13.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** H*****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert im Provisorialverfahren 55.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4 März 2010, GZ 5 R 190/09m-13, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 9. November 2009, GZ 41 Cg 88/09p-5, in der Hauptsache bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen, die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses endgültig selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) - Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ab.

1. Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt das Bestehen eines postmortalen Persönlichkeitsrechts bejaht (1 Ob 550/84 zum Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte; 1 Ob 341/99z zum Recht auf Geheimnisschutz; 6 Ob 283/01p zum Recht auf Schutz der Ehre und der Privatsphäre des Verstorbenen); gleiches gilt für die Berechtigung zumindest der nahen Angehörigen des Verstorbenen, den postmortalen Persönlichkeitsschutz durchzusetzen (6 Ob 283/01p mwN). Von der im Rechtsmittel aufgeworfenen Frage, ob diese Legitimation auf einer „treuhändischen Nachfolge“ oder auf eigenem Recht infolge eigenen Interesses am Ruf des Verstorbenen beruht, hängt die Entscheidung nicht ab, weil die unterschiedlichen Auffassungen hier zu keinem unterschiedlichen Ergebnis führen: Die Klagebefugnis der Witwe in einem Verfahren zum Schutz der Ehre und der Privatsphäre ihres verstorbenen Gatten ist wegen des schwerwiegenden Eingriffs in die Personenwürde des Verstorbenen hier jedenfalls zu bejahen.

2. Auch eine allgemein bekannte Person, für deren Leben sich die breite Bevölkerung interessiert und die immer wieder Gegenstand von Medienberichten ist, hat Anspruch darauf, dass die Allgemeinheit ihren höchstpersönlichen Lebensbereich respektiert (4 Ob 165/03y; 4 Ob 121/08k; 4 Ob 150/08z; RIS-Justiz RS0077903 [T7]). Zum höchstpersönlichen Lebensbereich zählt unter anderem das Sexualverhalten eines Menschen und sein Leben in und mit der Familie (6 Ob 103/07a; 4 Ob 150/08z).

3. Als Kernbereich der durch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens geschützten Privatsphäre genießt der höchstpersönliche Lebensbereich besonderen Schutz vor medialer Preisgabe (4 Ob 150/08z unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass das Recht einer Person auf Schutz ihres Ansehens von Art 8 EMRK als Teil des Rechts auf Achtung des Privatlebens mitumfasst ist, und auf die Materialien zu § 1328a ABGB, wonach zur geschützten „Privatsphäre“ auch private, das Familienleben betreffende Umstände zählen, die nicht für eine weitere Öffentlichkeit bestimmt sind).

4.1. Die Entscheidung des Rekursgerichts, die Veröffentlichung von Medienberichten über die angebliche sexuelle Orientierung des verstorbenen Gatten der Klägerin oder die Behauptung, dieser hätte eine langjährige ehewidrige Beziehung geführt, verletzten die Privatsphäre des Verstorbenen und seien kein nach Art 10 EMRK geschützter Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse, weicht von dieser Rechtsprechung nicht ab.

4.2. Soweit im Rechtsmittel darauf verwiesen wird, der Verstorbene habe seine homoerotischen Neigungen „öffentlich ausgelebt“, diese seien „allgemein bekannt“ gewesen, finden diese Thesen im bescheinigten Sachverhalt keinen Niederschlag. Bescheinigt ist hingegen, dass die Beklagte zeitgleich zur beanstandeten Veröffentlichung der von einem dritten Medium schon zuvor gebrachten „Enthüllungen“ über den Verstorbenen diese in einer Glosse als den Tatsachen entsprechend dargestellt hat, weshalb von einem „gerechtfertigten Zitat“ keine Rede sein kann. Im Übrigen kann auch eine Mitteilung, die in die Form eines richtig wiedergegebenen Zitats gekleidet ist, tatbildlich iSd § 1330 Abs 2 ABGB und § 7 UWG sein (vgl RIS-Justiz RS0031883 [T5]; RS0079648 [T6]; RS0112570).

5. Der Revisionsrekurs war daher wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO, jene über die Kosten der Beklagten auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 Abs 1, § 52 ZPO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

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