OGH 4Ob121/08k

OGH4Ob121/08k26.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei lic. oec. HSG Julius M*****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die beklagte Partei V***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, 10.000 EUR sA und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 26.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 24. April 2008, GZ 1 R 48/08y-8, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung, dass die Verbreitung des Bildes eines Politikers oder einer sonst allgemein bekannten Person nicht schrankenlos zulässig ist. Auch solche Personen haben Anspruch darauf, dass die Allgemeinheit Rücksicht auf ihre Persönlichkeit nimmt. Daher ist auch die Intimsphäre dieser Personen geschützt und die Verbreitung von Bildern, die entstellend wirken oder die den Abgebildeten im Zusammenhang mit der Bildunterschrift oder dem Begleittext der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgeben, oder ihn mit Vorgängen in Verbindung bringen, mit denen er nichts zu tun hat, unzulässig (4 Ob 100/94 = ÖBl 1995, 233 - Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus; RIS-Justiz RS0077903 [T1]).

Auch eine Person, für deren Leben sich breite Bevölkerungskreise interessieren und die immer wieder Gegenstand von Medienberichten ist, hat Anspruch darauf, dass ihre Privatsphäre respektiert wird (4 Ob 165/03y = ÖBl 2004, 89 - Pinkelprinz).

2. Das Rekursgericht hat eine einstweilige Verfügung gebilligt, mit der dem beklagten Medienunternehmen verboten wird, Abbildungen des Klägers ohne dessen Einwilligung zu veröffentlichen, wenn im Bildbegleittext - zusammengefasst - wörtlich oder sinngemäß behauptet wird, der Kläger habe eine ehestörende Beziehung und stehe vor einer Trennung von seiner Frau oder vor einer Scheidung.

Die Ansicht des Rekursgerichts, der Begleittext zu den Bildnisveröffentlichungen sei bloßstellend, mögen auch Gerüchte über das Familienleben des Klägers - eines bekannten Unternehmers - schon in anderen Medien veröffentlicht worden sein, weshalb das Interesse des Klägers am Schutz seines Familienlebens gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiege, ist auch bei Berücksichtigung der Wertungen nach dem Mediengesetz keine die Rechtssicherheit gefährdende Fehlbeurteilung des Einzelfalls.

3. Die Beklagte macht geltend, der Kläger habe freiwillig medienöffentlich zu seiner Ehe Stellung genommen und sich mit einer „neuen Frau" an seiner Seite ins Schlaglicht der Medien begeben, weshalb er nicht untersagen könne, dass seine Eheprobleme und eine bevorstehende Scheidung medienöffentlich erörtert würden. Dem ist entgegenzuhalten, dass der Kläger - wie die Beklagte selbst berichtet (Beil ./3) - „nur sehr selten Interviews gibt" und sich dem Magazin der Beklagten zu „seinem ersten, ganz privaten Interview" gestellt hat, in dem er den ihn betreffenden Trennungs- oder Scheidungsgerüchten eindeutig entgegengetreten ist. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, der Kläger habe die hier im beanstandeten Begleittext angesprochenen Gerüchte betreffend eine ehewidrige Beziehung selbst zum Medienthema gemacht, geschweige denn inhaltlich bestätigt.

4. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte anerkennt, dass die Veröffentlichung des Fotos einer Person, selbst wenn diese in der Öffentlichkeit steht, in den Schutzbereich des Privatlebens fallen kann, und dass das Recht einer Person auf Schutz ihres Ansehens von Art 8 EMRK als Teil des Rechts auf Achtung des Privatlebens mitumfasst ist (EGMR 15. 11. 2007 Nr 12556/03 - Pfeifer gegen Österreich, MR 2007, 362, Rz 34 und 35 mwN).

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Fotos und Artikeln und der Interessenabwägung zwischen Art 8 EMRK und Art 10 EMRK danach zu unterscheiden, ob die Veröffentlichungen nur dem Zweck dienten, die Neugier eines bestimmten Publikums im Hinblick auf Einzelheiten aus dem Privatleben einer bekannten Person zu befriedigen, oder ob sie als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse angesehen werden können; in ersterem Fall gebietet die freie Meinungsäußerung eine weniger weite Auslegung (EGMR 24. 6. 2004 Beschwerde Nr 59320/00 - v. Hannover gegen Deutschland, MR 2004, 246, Rz 65 f).

5. Auch die Auslegung des Begriffs „höchstpersönlicher Lebensbereich" durch das Oberlandesgericht Wien im Zusammenhang mit einem Entschädigungsanspruch nach § 7 Abs 1 MedG ändert nichts an der Vertretbarkeit der Interessenabwägung des Rekursgerichts im Rahmen des § 78 UrhG.

Stichworte