OGH 3Ob29/10a

OGH3Ob29/10a26.5.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Romana T*****, und 2. Christian T*****, beide vertreten durch Mag. Hannes Arneitz, Rechtsanwalt in Villach, gegen die beklagte Partei Heidi D*****, vertreten durch Dr. Johann Gelbmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision der zweitklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 25. November 2009, GZ 2 R 221/09s-17, womit ua über die Berufung der zweitklagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 12. August 2009, GZ 7 C 104/08w-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die zweitklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 492,56 EUR (darin 82,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien hatten vereinbart, dass die Beklagte einerseits und die Kläger andererseits am Unternehmen „Club *****“ je einen Geschäftsanteil von 50 % halten und diese einen Gewinnanteil von 60 %, die Beklagte aber einen solchen von 40 % bekommen sollten. Diese Vereinbarung wurde zwischen der Beklagten und dem Zweitkläger in den folgenden Jahren eingehalten. Die Beklagte und die Erstklägerin traten in den Mietvertrag über den ersten Stock eines Hauses ein, in dem der Club betrieben wird.

Mit Urteil des Erstgerichts zu AZ 9 C 1811/04h stellte dieses gegenüber der nunmehrigen Erstklägerin fest, dass die Beklagte an diesem in Form einer Bar und eines Bordells betriebenen Unternehmen zu 50 % beteiligt ist und ihr ein Gewinn von 40 % zusteht.

Der Bordellbetrieb besteht schon seit mehreren Jahrzehnten. Mit einer Ausnahme gewährten die Hauseigentümer nur befristete Mietverträge. Am 4. Dezember 2002 bzw 22. Jänner 2003 wurde rückwirkend zum 1. Oktober 2002 ein Fünfjahresmietvertrag unterzeichnet, in dem die Erstklägerin und die Beklagte als Mieterinnen aufschienen. Mit Schreiben vom 17. September 2007 forderten die Vermieter die Mieterinnen zur Vereinbarung eines Übergabetermins für den 30. September 2007 auf. Irgendwelche weiteren Schritte setzten sie nicht. Sie entschieden sich dafür, passiv zu bleiben, solange der bisherige monatliche Zinsbetrag weiterhin einginge. Nach dem Auslaufen des Mietvertrags kam es nicht zum Abschluss eines weiteren.

Die mit Vertrag vom 18. Jänner 2001 gegründete H***** OEG war Gewerbeinhaberin, über sie erfolgte die steuerliche Veranlagung. Gesellschafter waren zuletzt die Beklagte und die Erstklägerin, die als gewerberechtliche Geschäftsführerin fungierte. Diese Berechtigung legte sie mit 18. Oktober 2007 zurück. Auch die nach dem Landesprostitutionsgesetz erforderliche Bewilligung zum Betrieb eines Bordells war für den Standort durchgehend auf die Erstklägerin ausgestellt, zuletzt mit Bescheid vom 20. November 2007.

Mit Eingabe vom 18. November 2008 legte die Erstklägerin diese Bewilligung zu Gunsten von Manuela G***** zurück, die mit Eingabe vom selben Tag um die Erteilung der Bordellbewilligung ansuchte. Schon vorher hatte die Beklagte darum angesucht. Der Bescheid vom 2. Juni 2009, mit dem die Stadtgemeinde den Antrag der Beklagten abwies, Manuela G***** die Bordellbewilligung erteilte und aussprach, dass die auf die Erstklägerin lautende Bewilligung mit Rechtskraft des Bescheids erlösche, war bei Schluss der Verhandlung erster Instanz noch nicht in Rechtskraft erwachsen. Das Inventar befindet sich nach wie vor in den Räumen des Clubs.

Mit (rechtskräftigem) Urteil vom 18. Oktober 2007 trug das Erstgericht den nunmehrigen Klägern zu Punkt 1. auf, der nunmehr Beklagten die Ausübung ihrer Anteilsrechte am Unternehmen „Club *****“ in ... zu gestatten, insbesondere das jederzeitige und ungehinderte Betreten der Unternehmensräumlichkeiten, die Wahrung der Geschäftsaufsichts- und Kontrollrechte sowie ihrer Rechte auf Gewinnentnahme. Zu Punkt 2. stellte das Titelgericht fest, dass der Zweitbeklagte nicht mehr Geschäftsführer des Unternehmens „Club *****“ sei, und verurteilte ihn daher dazu, sich jedweder Geschäftsführertätigkeit für dieses Unternehmen zu enthalten.

Nach Abweisung eines Antrags auf Bewilligung der Exekution gemäß § 354 EO gegen beide Kläger in zweiter Instanz (erstes Exekutionsverfahren) bewilligte das Erstgericht der Beklagten mit Beschluss vom 22. Februar 2008 gegen den Zweitkläger die Exekution nach § 355 EO zur Erwirkung der Unterlassung gemäß Punkt 2. des Exekutionstitels (zweites Exekutionsverfahren AZ 13 E 63/08s). Eine gleichartige Exekutionsbewilligung zur Durchsetzung von Punkt 1. des Titels gegen den Zweitkläger erlangte die Beklagte am 31. Juli 2008 (drittes Exekutionsverfahren AZ 13 E 28/08t).

Bereits am 8. April 2008 hatten die Kläger das Urteil begehrt, die den beiden zuerst genannten Exekutionsverfahren zugrunde liegenden Ansprüche seien erloschen. Dazu brachten sie im Wesentlichen vor, die angebliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts sei mit Wegfall des Geschäftszwecks erloschen. Der von der Erstklägerin und der Beklagten abgeschlossene befristete Mietvertrag über die Räumlichkeiten des Clubs habe durch Zeitablauf geendet und sei nicht erneuert worden. Die behauptete Gesellschaft bürgerlichen Rechts habe über keinerlei Betriebsvermögen verfügt; sachenrechtliche Eigentümerin des Inventars sei eine OEG, mit deren Geschäftsführung die Erstklägerin betraut gewesen sei. Die nur der OEG gewidmete gewerberechtliche Bewilligung für den Bordellbetrieb existiere nicht mehr, die Erstklägerin habe diese nach Beendigung des Mietvertrags zurückgelegt. Die Beklagte habe in einem anderen Verfahren anerkannt, dass der Zweitkläger nicht Gesellschafter sei.

Die Beklagte wendete ein, sämtliche behauptete Auflösungsgründe seien ohne ihr Wissen einseitig von den Klägern gesetzt worden. Die Vorgehensweise sei ein Schein- und Umgehungsgeschäft und daher nichtig. Sie halte am Bestand des nach wie vor betriebenen Unternehmens fest. Räumlichkeiten, Betriebsmittel, Inventar usw hätten sich nicht verändert, das Mietverhältnis sei stillschweigend erneuert worden.

In der Folge schränkte die Erstklägerin ihr Begehren auf Kosten ein; der Zweitkläger änderte es durch Nennung des dritten statt des ersten Exekutionsverfahrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren des Zweitklägers mit Urteil ab und verhielt diesen und auch die Erstklägerin zum Kostenersatz. Ausgehend von den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen Feststellungen sei die auf Dauer angelegte Gesellschaft bürgerlichen Rechts weder wegen Zugrundegehens des (ganzen) Hauptstamms noch wegen Erreichens oder Vereitelung des Gesellschaftszwecks erloschen. Daher bestünden die Verpflichtungen aus dem Exekutionstitel fort.

Das Gericht zweiter Instanz wies die Berufung der Erstklägerin zurück und gab der des Zweitklägers nicht Folge. Zum zweiten Teil seiner Entscheidung sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgenstands in Bezug auf beide Exekutionen jeweils 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht verneinte den nach Ansicht des Berufungswerbers in der Unterlassung der Einvernahme der Kläger liegenden Verfahrensmangel. Der Zweitkläger könne sich weder auf die von der Beklagten beantragte Parteienvernehmung noch - zufolge der Eventualmaxime - auf seinen entsprechenden Antrag in einem vorbereitenden Schriftsatz berufen. Auch nach der Ansicht dieses Gerichts sei die Gesellschaft nicht nach § 1205 ABGB erloschen. Deren Unternehmen werde nach wie vor am selben Ort in gleicher Art und Weise wie bei Gründung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts im Juni 2001 betrieben. Der Bordell- und Barbetrieb finde in den gemieteten Räumlichkeiten unter Benützung sowohl einer aufrechten Gewerbeberechtigung als auch einer verwaltungsbehördlichen Bewilligung als Bordell statt. Der im Betreiben dieses Unternehmens gelegene Geschäftszweck sei daher nicht erloschen. Dass nach den Behauptungen der Kläger die Gewerbeberechtigung nunmehr von einer GmbH zur Verfügung gestellt werde, ändere nichts an deren Widmung für das Unternehmen. Dasselbe gelte für das Inventar und das Mietrecht. Auch habe die Beklagte ihre Stellung als Gesellschafterin nicht dadurch verloren, dass ihr ein anderer oder die anderen Gesellschafter diese streitig machten.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts als beendet oder aufgelöst anzusehen sei, wenn die der Erreichung des Geschäftszwecks gewidmeten Vermögenswerte nicht mehr von den ursprünglichen Gesellschaftern, sondern von Dritten zur Verfügung gestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Zweitklägers ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts löst sich nach § 1205 ABGB von selbst auf, wenn das unternommene Geschäft vollendet oder nicht mehr fortzuführen, der ganze gemeinschaftliche Hauptstamm untergegangen oder die für die Dauer der Gesellschaft festgesetzte Zeit verflossen ist. Es beruft sich zwar der Oppositionskläger auch noch in dritter Instanz auf das Erlöschen der nach Auffassung der Vorinstanzen weiterhin zwischen den Parteien bestehenden Gesellschaft. Eine schlüssige Argumentation zu auch nur einem der im Gesetz genannten Auflösungsgründe kann der Revision, die auch mehrfach gesetzwidrig nicht von dem von den Tatsacheninstanzen festgestellten Sachverhalt ausgeht, aber nicht entnommen werden. Insbesondere versucht der Zweitkläger erst gar nicht darzulegen, weshalb etwa der gesamte gemeinschaftliche „Hauptstamm“ untergegangen sei oder der (offenkundige) Geschäftszweck, nämlich der Betrieb eines Bordells, weggefallen sei. Jedenfalls zur maßgeblichen Zeit des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz bestand nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen ua eine der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gewidmete behördliche Bordellbewilligung nach wie vor; weiters benützte das - nach der jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Einzelfalls gut vertretbaren Ansicht der zweiten Instanz - weiterhin betriebene Unternehmen nach wie vor die zuletzt von der Erstklägerin und der Beklagten gemieteten Räume. Das Inventar wurde der Gesellschaft von Anfang an von einer anderen Gesellschaft (früher OEG) zur Verfügung gestellt, weshalb die Argumentation mit einem (nicht feststellbaren) Verkauf des Inventars an eine GmbH ins Leere gehen muss. Der Revisionswerber billigt ausdrücklich die auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0022116) gestützte Rechtsansicht, für die Zugehörigkeit von Sachen zum Hauptstamm komme es allein auf die entsprechende Widmung an. Zum Geschäftsinventar wurde festgestellt, dass es sich nach wie vor in den Räumen „des Clubs *****“ befindet. Damit ist aber dem Zweitkläger - selbst wenn man ein entsprechendes Vorbringen in der Klage annehmen wollte - der Beweis einer Aufhebung der Widmung für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts nicht gelungen.

2. Soweit sich der Zweitkläger auf seine mangelnde Gesellschaftereigenschaft berief, fehlt es jedenfalls an jeglicher Behauptung, dass diese Stellung erst nach dem in § 35 Abs 1 erster Satz EO genannten Zeitpunkt weggefallen wäre. Eine von vornherein unrichtige Annahme dieser Eigenschaft im Titelurteil könnte keinesfalls mit Oppositionsklage geltend gemacht werden. Einwendungen gegen den Anspruch können nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sie sich auf eine den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsache stützen, die erst nach dem Entstehen des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels, im Falle eines Urteils nach dem Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz, eingetreten ist (RIS-Justiz RS0001280). Die Richtigkeit oder Gültigkeit des Exekutionstitels ist nicht Thema eines solchen Verfahrens (Jakusch in Angst, EO² § 35 Rz 5). An die Behauptungspflicht des Oppositionklägers, der ja geltend macht, ein bereits titulierter Anspruch sei erloschen oder gehemmt, sind aber hohe, hier nicht erfüllte Anforderungen zu stellen (3 Ob 322/05g mwN). Auf die Frage einer allfälligen stillschweigenden Erneuerung des Mietverhältnisses ist nach all dem nicht einzugehen, weil selbst ohne eine solche, vom Verlust des ganzen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur Verfügung stehenden Kapitals keine Rede sein kann.

3. Letztlich macht der Zweitkläger als erhebliche Rechtsfrage noch geltend, es gebe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob auch nachträgliche Beweisanbote der Eventualmaxime des § 35 Abs 3 EO unterliegen. Auf diese Frage einzugehen ist aber dem Obersten Gerichtshof in der gegebenen Verfahrenssituation verwehrt. Der Zweitkläger hatte schon mit seiner Berufung die mangelnde Einvernahme beider Kläger als Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz gerügt, welche das Gericht zweiter Instanz aber - unter Berufung auf die Eventualmaxime - verneinte. Da nach § 503 Z 2 ZPO nur Mängel des Berufungsverfahrens zu den Revisionsgründen zählen, können angebliche Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens, die vom Berufungsgericht nicht anerkannt wurden, nicht mit Revision geltend gemacht werden (stRsp, RIS-Justiz RS0042963). Liegt insofern aber schon keine gesetzmäßig ausgeführte Revision vor, ist umso mehr das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu verneinen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die mangelnde Zulässigkeit der Revision hingewiesen.

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