Spruch:
Die den Schuldspruch II./ bekämpfende Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I./ sowie im Schuldspruch II./, soweit er sich auf die zu Schuldspruch I./ dargestellten Tathandlungen bezieht, und damit im Umfang des Strafausspruchs sowie im Ausspruch über die Privatbeteiligtenansprüche aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Auf diese Entscheidung werden der Angeklagte mit seiner den Schuldspruch I./ betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Uros L***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (I./) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er in T*****
I./ im Zeitraum 1. Jänner 2003 bis 19. Juni 2003 mit seiner am 20. Juni 1990 geborenen Stieftochter Natascha T*****, somit einer unmündigen Person, ca zweimal monatlich dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen unternommen, indem er das Kind entkleidete, sodann an der Brust streichelte und ihre Vagina mit der Zunge stimulierte, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine anhaltende schwere Depression mit Angstzuständen zur Folge hatte;
II./ durch die zu I./ geschilderten Tathandlungen sowie ab dem 20. Juni 2004 bis zumindest Anfang September 2006 auch dadurch, dass er ihr mehrmals den Finger in die Scheide einführte und in der Folge anfänglich einmal im Monat, ab 2006 ca zweimal monatlich den Beischlaf mit seinem minderjährigen Stiefkind unternahm, jeweils eine geschlechtliche Handlung vorgenommen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der in Bezug auf den damit bekämpften Schuldspruch II./ keine Berechtigung zukommt.
Der Einwand (Z 1) nicht gehöriger Besetzung des Schöffengerichts geht fehl. Denn mit dem am 17. Juni 2009 kundgemachten und am 1. Juni 2009 - somit rückwirkend (§ 514 Abs 5 erster Satz StPO) - in Kraft getretenen BudgetbegleitG 2009, BGBl I 2009/52, wurde der letzte Satz des § 32 Abs 1 StPO dahin geändert, dass das Landesgericht als Schöffengericht aus einem (Berufs-)Richter und zwei Schöffen zu bestehen hat. Die Mitwirkung bloß eines Berufsrichters neben den zwei Laienrichtern an der Verhandlung und Urteilsfällung vom 27. August 2009 entsprach daher den §§ 32 Abs 1 letzter Satz, 40 Abs 1 letzter SatzStPO (vgl Jerabek, WK-StPO § 514 Rz 9; 12 Os 179/09d; 12 Os 186/09h; s auch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 111 ff).
Der behaupteten Unvollständigkeit der Urteilsgründe (Z 5) zuwider setzten sich die Tatrichter mit den Angaben der Zeugen Oliviera L*****, Nenand L*****, Dejan L***** und Daniel L***** zur Wohnsituation des Tatopfers und damit zu dessen in diesem Zusammenhang in Frage gestellten Glaubwürdigkeit ausdrücklich auseinander, schenkten aber den Angaben dieser Entlastungszeugen keinen Glauben (US 8 f).
Entgegen der Kritik des Nichtigkeitswerbers bedurfte insoweit die Aussage des Rudolf G***** keiner weiteren Erörterung, gab dieser Zeuge doch in der Hauptverhandlung an, über die genaue Unterbringung der Natascha T***** nicht informiert gewesen zu sein (S 29 f in ON 23).
Der Einwand einer fehlenden Begründung der subjektiven Tatseite lässt die Erwägungen des erkennenden Gerichts außer Acht, wonach die vorsätzliche Begehung aus dem objektiven Tatgeschehen abzuleiten sei (US 12). Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wollen oder Wissen ist - der Mängelrüge zuwider - ohne weiteres rechtsstaatlich vertretbar und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (vgl RIS-Justiz RS0116882, RS0098671; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 452).
Die Tatrichter haben ihre Überzeugung von der Glaubwürdigkeit des Tatopfers auf den in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck, die große Aussagekonstanz im Kerngeschehen und das aussagepsychologische Gutachten gestützt (US 7 f). Die diese Abwägungen in ihrer Gesamtheit ignorierende Begründungskritik, wonach von der Aussagepsychologin die Glaubhaftigkeit, nicht aber die Überzeugungskraft der Aussage der Natascha T***** beurteilt worden sei, zeigt solcherart keinen Fehler iSd § 281 Abs 1 Z 5 StPO auf.
Sowohl in der Mängelrüge als auch in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) bringt der Rechtsmittelwerber schließlich unzureichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite vor, übergeht aber insoweit die - der Beschwerde zuwider nicht bloß die verba legalia wiedergebenden, sondern auf den konkreten Sachverhalt abstellenden - Konstatierungen des Schöffengerichts (US 4) und legt überdies nicht dar, welche zusätzlichen Annahmen noch erforderlich gewesen wären, um eine fehlerfreie Subsumtion vorzunehmen.
Die den Schuldspruch II./ bekämpfende Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde war allerdings der den Beschwerdeführer benachteiligende Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO betreffend den Schuldspruch I./ von Amts wegen (§ 290 Abs 1 StPO) wahrzunehmen.
Nach den Urteilsfeststellungen waren mehrere real konkurrierende Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB für die bei Natascha T***** aufgetretene schwere Tatfolge, nämlich die anhaltenden schweren Depressionen mit Angstzuständen, ursächlich (vgl US 4 und 11). Dessen ungeachtet erkannte das Erstgericht den Angeklagten einer unbestimmten Anzahl von (qualifizierten) Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig, obwohl Uros L***** die Erfolgsqualifikation des § 206 Abs 3 erster Fall StGB nur bei einer dieser Taten anzulasten gewesen wäre (vgl RIS-Justiz RS0120828).
Überdies tragen die Konstatierungen die Annahme eines schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB in Form einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung schon in objektiver Hinsicht nicht. Darunter ist grundsätzlich jede in der Summe der Auswirkungen und Begleiterscheinungen einem Geschlechtsverkehr vergleichbare geschlechtliche Handlung, demnach jede Form der oralen, vaginalen oder analen Penetration zu verstehen. Das vom Schöffengericht festgestellte Streicheln der Brust und des Genitalbereichs bei gleichzeitiger Selbstbefriedigung sowie das Stimulieren der Vagina mit der Zunge (US 3 f), lässt das für eine Gleichstellung mit einem Geschlechtsverkehr wesentliche Element einer Penetration nicht erkennen (vgl Schick in WK2 § 206 Rz 12; EBRV StRÄG 1998, 1230 BlgNR, XX. GP , 21; RIS-Justiz RS0095201; RS0094905; RS0095025). Das Ansetzen der Zunge entspricht nur dann einem tatbestandsmäßigen Unternehmen einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung, wenn das Berühren des äußeren Geschlechtsteils mit dem geforderten Penetrationsvorsatz verbunden ist. Dafür bieten die getroffenen Feststellungen allerdings keinen Anhalt (vgl Schick in WK § 206 Rz 12; RIS-Justiz RS0095114).
Das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO) im Schuldspruch I./ sowie gemäß § 289 StPO auch im Schuldspruch II./, soweit er sich auf die zu Schuldspruch I./ dargestellten Tathandlungen bezieht, und damit im Umfang des Strafausspruchs sowie im Ausspruch über die Privatbeteiligtenansprüche aufzuheben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.
Auf diese kassatorische Entscheidung waren der Angeklagte mit seiner den Schuldspruch I./ betreffenden Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird zu beachten sein, dass für den Fall der fehlenden Erweisbarkeit eines Penetrationsvorsatzes das bisher inkriminierte Tatgeschehen nur in einem Fall unter das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB zu subsumieren wäre, wobei mit Blick auf die schweren Tatfolgen und den Tatzeitraum auch das Günstigkeitsprinzip nach §§ 1, 61 StGB zu berücksichtigen sein würde. Im Übrigen läge dann gegebenenfalls das mehrfach verwirklichte Verbrechen nach § 207 Abs 1 StGB vor.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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