OGH 9ObA35/09a

OGH9ObA35/09a3.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Franz Boindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** K*****, vertreten durch Dr. Susanne Kuen, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Berethalmy und Dr. Christiane Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien, wegen 216.594,32 EUR sA (Revisionsinteresse 168.541,08 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 2008, GZ 15 Ra 105/08s-15, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Juli 2008, GZ 34 Cga 49/08g-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.318,58 EUR (darin 386,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Änderungsvorbehalt (Widerrufsklausel) betreffend die Höhe der Provision eines Handelsvertreters vorliege. Dieser Begründung des Zulassungsausspruchs schloss sich die Revisionswerberin an, stützte aber die Zulässigkeit der Revision auch noch auf die Anwendung des § 273 ZPO bei Ermittlung des Ausgleichsanspruchs der Klägerin. Die Revisionsgegnerin bestritt demgegenüber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, der über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung zukäme, wird von der Revisionswerberin nicht geltend gemacht. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Zum besseren Verständnis ist noch voranzustellen, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. 9. 2005 bis 12. 10. 2007 aufgrund des Agenturvertrags vom 11. 8. 2005 eine Tankstelle der Beklagten betrieb. Die Umsätze der Klägerin blieben dabei deutlich hinter dem Geschäftsplan der Beklagten zurück. Da zwei von der Beklagten zugesagte Betriebskostenzuschüsse in der Höhe von 15.000 EUR und 35.000 EUR, jeweils zuzüglich Umsatzsteuer, nicht bezahlt wurden und eine vereinbarte Sonderprovision von der Beklagten einseitig gekürzt wurde, löste die Klägerin den Agenturvertrag vorzeitig auf. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten einen Ausgleichsanspruch gemäß § 24 HVertrG 1993, die Zahlung der zugesagten Betriebskostenzuschüsse sowie die Nachzahlung der gekürzten Sonderprovision im Gesamtbetrag von 216.594,32 EUR sA.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - unter Bejahung einer Gegenforderung der Beklagten über 28.800 EUR - im Umfang von 168.541,08 EUR sA statt, wohingegen es das Mehrbegehren der Klägerin von 48.053,24 EUR sA abwies. Die gegen den klagestattgebenden Teil des Ersturteils erhobene Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg.

Im Revisionsverfahren geht es um zwei Fragen, auf die die Revisionswerberin, wie bereits ausgeführt, auch die Zulässigkeit der Revision stützt. Unstrittig ist zunächst, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Sonderprovision unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs stand. Hiezu machte die Klägerin in erster Instanz geltend, dass die Kürzung der Sonderprovision durch die Beklagte grob rechtswidrig gewesen sei. Die Beklagte habe gewusst, dass die Kürzung zu einem negativen Betriebsergebnis führen und die Klägerin in den finanziellen Ruin stürzen würde. Die Beklagte verwies dazu in erster Instanz lediglich darauf, dass die Sonderprovision eben jederzeit widerruflich gewesen sei, weshalb die Klägerin mit einem Widerruf habe rechnen müssen. Der weitere Hinweis der Beklagten, dass der einseitigen Kürzung der Sonderprovision ein entsprechender Vorschlag im Hinblick auf die Geschäftsergebnisse (der Klägerin) bzw die Geschäftsergebnisse vergleichbarer Tankstellen vorangegangen sei, wurde in der Folge nicht weiter präzisiert und verfolgt. Die Revisionswerberin kommt darauf auch in der Revision nicht mehr zurück. Sie stellt auch nicht in Frage, dass die Sonderprovision trotz Vorbehalts nicht willkürlich widerrufen (bzw gekürzt) werden darf. Damit steht die Revisionswerberin im Einklang mit der bereits - unter anderem auch zu Provisionen (vgl 4 Ob 15/79, Arb 9.797; 1 Ob 544/88; 1 Ob 104/00a ua) - vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Danach ist es (auch in der Lehre) unbestritten, dass die Festlegung der Gegenleistung für eine Leistung nicht nur beim Kauf, sondern bei jedem Rechtsgeschäft iSd § 1056 ABGB nicht nur einer dritten Person, sondern auch einer der Parteien des Rechtsgeschäfts überlassen werden kann (RIS-Justiz RS0020079 ua). Das ABGB normiert keine Grenzen, innerhalb derer dem zur Preisbestimmung Berufenen ein Gestaltungsrecht eingeräumt wäre. Gleichwohl ist es einhellige Auffassung, dass die Leistungsbestimmung nicht der Willkür des Berufenen überlassen bleibt (vgl Nocker, Handelsvertretervertrag Rz 265; ders, HVertrG 1993 § 10 Rz 6; RIS-Justiz RS0017784 ua), wovon auch die Revisionswerberin ausgeht. Die Preisbestimmung durch eine Partei unterliegt daher insofern der richterlichen Kontrolle, als eine Partei an eine grob unbillige Preisfestsetzung durch die andere Partei nicht gebunden ist. Die Preisbestimmung hat sich an der Austauschgerechtigkeit im Einzelfall zu orientieren, für die die Interessenlage beider Parteien von Bedeutung ist. Dem Vertragsteil, dem die Festsetzung einer Leistung überlassen wird, soll ein Spielraum eingeräumt werden, innerhalb dessen ein (der gerichtlichen Überprüfung zugänglicher) Ermessensfehler nicht vorliegt. Wird jedoch die Ermessensgrenze überschritten, kann die verfehlte - grob unbillige - „Preisfestsetzung" (hier: Kürzung der Sonderprovision) durch den Richter korrigiert werden (1 Ob 544/88 ua).

Das Vorliegen grober Unbilligkeit wurde nun von den Vorinstanzen mit vertretbarer Begründung bejaht, nachdem sich die Beklagte in erster Instanz zur Rechtfertigung der einseitigen Kürzung der Sonderprovision bloß auf das Vorliegen eines Widerrufsvorbehalts zurückgezogen hatte. Soweit die Revisionswerberin in der Revision erstmals ihre eigene wirtschaftliche Lage zufolge gesunkener Erträge ins Spiel bringt, die sie zu einer - deshalb nicht willkürlichen - Kürzung der Sonderprovision bewogen haben soll, kann auf dieses Vorbringen zufolge des im Revisionsverfahren geltenden Neuerungsverbots nicht eingegangen werden (§ 504 Abs 2 ZPO). Erstmals in dritter Instanz angestellte allgemeine Überlegungen, „dass es in jedem Unternehmen immer einige Positionen gibt, bei welchen gespart werden kann", sind nicht zielführend. Eine erhebliche Rechtsfrage wird hinsichtlich des Änderungsvorbehalts nicht aufgezeigt.

Soweit die Revisionswerberin - über die Begründung des Zulassungsausspruchs durch das Berufungsgericht hinaus - in der vom Erstgericht erfolgten und vom Berufungsgericht gebilligten Anwendung des § 273 ZPO bei der Ausmittlung des Ausgleichsanspruchs eine erhebliche Rechtsfrage erblickt, ist sie auf die ständige Rechtsprechung zu verweisen. Danach kann die Verfahrensfrage (RIS-Justiz RS0040282 ua), ob die Voraussetzungen des § 273 ZPO vorliegen, im Revisionsverfahren nicht nochmals überprüft werden (7 Ob 162/06h; RIS-Justiz RS0040364 ua). Neuerliche Überlegungen der Revisionswerberin zur Frage „unverhältnismäßiger Schwierigkeiten" iSd § 273 Abs 1 ZPO sind daher nicht zielführend. Ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist, stellt demgegenüber zwar eine Rechtsfrage dar und ist daher mit Rechtsrüge überprüfbar (RIS-Justiz RS0040341 ua). Der vom Richter nach den Ergebnissen der gesamten Verhandlung nach freier Überzeugung vorzunehmenden Schätzung kommt aber grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (7 Ob 162/06h, 2 Ob 207/06i; 9 ObA 173/08v; RIS-Justiz RS0121220 ua). Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach die Anwendbarkeit des § 24 HVertrG 1993 auf Tankstellenbetreibungsverträge bejaht. Die nach dieser Bestimmung festzusetzende Ausgleichszahlung gilt nach ständiger Rechtsprechung als „Musterbeispiel" für eine im jeweiligen Einzelfall zu treffende Billigkeitsentscheidung und wirft - von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen- regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. In aller Regel ist wegen der Komplexität der Materie und der äußerst aufwändigen Beweisführung nur eine Festsetzung nach § 273 Abs 1 ZPO möglich (vgl 2 Ob 252/08k; RIS-Justiz RS0112590 ua). Dies gilt auch für die Ermittlung des „Stammkundenanteils", wobei die Vorinstanzen erkennbar von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ausgingen, wonach Stammkunden Mehrfachkunden sind, die in einem überschaubaren Zeitraum mehrmals Geschäfte abschließen (hier: an derselben Tankstelle tanken; vgl RIS-Justiz RS0124681 ua). Eine unvertretbare Beurteilung der Vorinstanzen, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit korrigiert werden müsste, vermag die Revisionswerberin auch insoweit nicht darzutun.

Zusammenfassend ist daher die Revision der Beklagten mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, ungeachtet ihrer Zulassung durch das Berufungsgericht, zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung ausdrücklich auf die Unzulässigkeit des gegnerischen Rechtsmittels hingewiesen (vgl RIS-Justiz RS0035979 ua).

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