OGH 9ObA173/08v

OGH9ObA173/08v1.4.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Irene Kienzl und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Roland V*****, vertreten durch Dr. Michael Augustin ua, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler und Dr. Gerd Grebenjak, Rechtsanwälte in Leoben, wegen 29.701,05 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 22.294,78 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Oktober 2008, GZ 7 Ra 76/08p-53, womit das Urteil des Landesgerichts Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Februar 2008, GZ 22 Cga 8/04x-42, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin stützt die Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision auf drei Themen (Beendigung des Arbeitsverhältnisses; Mitverschulden des Klägers; Überstunden). In keinem Fall wird von ihr eine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht.

Die Beklagte hielt bis zuletzt am Standpunkt fest, dass der Kläger das Arbeitsverhältnis durch vorzeitigen Austritt beendet habe. Demgegenüber gingen die Vorinstanzen von einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte aus. Dabei kann für die gegenständlichen Ansprüche dahingestellt bleiben, ob die Beendigung durch Entlassung oder durch zeitwidrige Arbeitgeberkündigung beendet wurde. Die rechtliche Qualifikation der Beendigungsart des Arbeitsverhältnisses hängt von der Auslegung der in diesem Zusammenhang erfolgten Erklärungen der Parteien im jeweiligen Einzelfall ab, der in der Regel keine darüber hinausgehende erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS-Justiz RS0044298 ua). Die Vorinstanzen haben sich ausführlich mit der Art der Beendigung des gegenständlichen Arbeitsverhältnisses auseinandergesetzt. Ein unvertretbares Auslegungsergebnis liegt insoweit nicht vor. Die nicht näher substantiierte Behauptung der Revisionswerberin, vom Berufungsgericht sei ein unberechtigter vorzeitiger Austritt des Klägers „entgegen den vom Obersten Gerichtshof entwickelten Grundsätzen" verneint worden, reicht nicht aus, um die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision zu begründen. Die Revisionswerberin legt nämlich weder die von ihr behaupteten „Grundsätze" näher dar noch benennt sie konkrete Entscheidungen, von denen die Vorinstanzen in dieser Frage abgewichen sein sollen.

Die Beklagte hat in erster Instanz auch nicht geltend gemacht, dass den Kläger an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beklagte ein Mitverschulden nach § 32 AngG treffe. Dies steht zwar nach der Rechtsprechung der Berücksichtigung eines allfälligen Mitverschuldens nicht entgegen; Voraussetzung ist jedoch, dass jedenfalls entsprechende, vom Entlassungsgrund unterschiedliche Tatsachenbehauptungen über ein für die Auflösung kausales Verhalten geltend gemacht werden (Kuras in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 32 Rz 18; RIS-Justiz RS0101991 ua). Dies war hier aber nicht der Fall. Die Frage nach dem Auflösungsgrund darf nicht mit jener nach einem allfälligen Mitverschulden vermengt werden. Die Mitverschuldensregel kann bei ungerechtfertigter vorzeitiger Auflösung nur dort greifen, wo der Erklärungsempfänger ein Verhalten gesetzt hat, das zusätzlich bzw unabhängig von dem für die vorzeitige Auflösung nicht ausreichenden Verhalten für die Auflösung kausal iSd Verursachung eines Informationsmangels des die Auflösung unberechtigt Erklärenden war (9 ObA 136/08b mwN ua). Ein derartiges für die unberechtigte Entlassungserklärung der Beklagten kausales Verhalten des Klägers hat die Beklagte in erster Instanz aber nicht behauptet.

Auch die zum dritten Punkt (Überstunden) vertretene Auffassung der Revisionswerberin, schon das Vorliegen (teilweise) divergierender Entscheidungen der Vorinstanzen, rechtfertige (in jedem Fall) die „Anrufung des Obersten Gerichtshofs", ist verfehlt. Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Eine derart qualifizierte Rechtsfrage wird von der Revisionswerberin auch hinsichtlich der strittigen Überstunden nicht aufgezeigt. Ob ein die Verjährung unterbrechendes deklaratives Anerkenntnis vorliegt, hängt - wie schon zur Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgeführt - von der Auslegung der Erklärungen der Parteien im Einzelfall ab, der in der Regel keine erhebliche Bedeutung zukommt. Zutreffend verwies das Berufungsgericht darauf, dass für die Annahme einer Unterbrechung der Verjährung bereits eine Anerkennung dem Grunde nach genügt (4 Ob 66/07w; RIS-Justiz RS0034529 ua). Was die Anwendung des § 273 ZPO hinsichtlich der Überstunden angeht, so ist mit Rechtsrüge nur überprüfbar, ob das Ergebnis der Anwendung des § 273 ZPO richtig ist. Wegen unrichtiger Beweiswürdigung kann die Anwendung des § 273 ZPO nicht bekämpft werden. Daher ist bei der rechtlichen Überprüfung einer nach § 273 ZPO vorgenommenen Betragsfestsetzung von jenen Umständen auszugehen, die die Tatsacheninstanzen als feststehend angenommen haben (14 Ob 6/86 ua). Hinsichtlich der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision ist zu beachten, dass sowohl die Anwendbarkeit des § 273 ZPO (RIS-Justiz RS0040494 ua) als auch die konkrete Anwendung dieser Bestimmung von den jeweiligen Umständen des Einzelfall abhängen, denen regelmäßig keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (RIS-Justiz RS0121220 ua). Eine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts wird von der Revisionswerberin auch in diesem Zusammenhang nicht aufgezeigt. Überlegungen der Revisionswerberin, der Kläger hätte teilweise Überstunden „während der Kündigungsfrist" verbraucht, die jedenfalls abzuziehen seien, scheitern hier schon daran, dass von einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (ohne Kündigungsfrist) auszugehen ist.

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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