Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
In der Medienrechtssache der Antragsteller Julius M***** und Franziska M***** gegen die Antragsgegnerinnen „Ö*****"-***** GmbH und M***** GmbH, AZ 093 Hv 8/08i des Landesgerichts für Strafsachen Wien, wurden die Antragsgegnerinnen mit Urteil dieses Gerichts vom 4. April 2008 (ON 15) wegen zweier am 11. und 12. Jänner 2008 im periodischen Druckwerk „Ö*****" veröffentlichter Artikel bzw einer auf der Internet-Website www.*****.at am 11. Jänner 2008 vorgenommenen Veröffentlichung zur Zahlung von Entschädigungsbeträgen nach § 7 Abs 1 MedienG, hinsichtlich des Erstantragstellers auch nach § 6 Abs 1 MedienG, an die Antragsteller verurteilt.
Den dagegen erhobenen Berufungen der Antragsgegnerinnen wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe (sowie der Antragsteller wegen Strafe) gab das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht mit Urteil vom 17. Dezember 2008, AZ 17 Bs 244/08v (ON 32), nicht Folge.
Gegen die Urteile des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht richtet sich, gestützt auf die Behauptung einer Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK, der Antrag der Antragsgegnerinnen „Ö*****"-***** GmbH und M***** GmbH auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO per analogiam (RIS-Justiz RS0122228) iVm § 41 Abs 1 MedienG. Dazu wird - zusammengefasst - vorgebracht, dass bei den vorliegenden Veröffentlichungen die zwischen den von den Grundrechten auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK und auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 MRK geschützten Interessen vorzunehmende Abwägung zu Gunsten des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung ausschlage, weil die Antragsteller ihr „Ehe- und Liebesleben" sowie ihre Beziehung in einem im Verfahren relevierten (im Wochenmagazin „N*****" im September 2007 veröffentlichten) früheren Interview bereits selbst der Öffentlichkeit preisgegeben und solcherart ihr Einverständnis zur inkriminierten Berichterstattung gegeben hätten. Der Vorwurf des Ehebruchs (§ 6 Abs 1 MedienG) sei mit Blick auf die sich ändernden gesellschaftlichen Verhältnisse, nämlich die „zunehmende Schnelllebigkeit von Ehen und Partnerschaften" nicht mehr als Vorwurf eines unehrenhaften Verhaltens zu beurteilen.
Rechtliche Beurteilung
Dem Antrag kommt keine Berechtigung zu.
1./ Der im Fall konfligierender Grundrechte von der MRK geforderte faire Ausgleich zwischen - hier - dem Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art 8 MRK) und dem Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK) wird auf innerstaatlicher Ebene für den hier interessierenden Bereich primär durch § 7 MedienG gewährleistet (11 Os 144/07x, MR 2009, 7). Während § 7 Abs 1 MedienG entsprechend dem Gesetzesvorbehalt des Art 10 Abs 2 MRK das Recht auf freie Meinungsäußerung beschränkt, trägt der Gesetzgeber mit § 7 Abs 2 MedienG diesem Grundrecht wieder Rechnung, und zwar durch die Normierung von Ausschlussgründen, bei deren Vorliegen der Anspruch auf Entschädigung nicht besteht (15 Os 175/08m, MR 2009, 11). Der Ausgleich dieser widerstreitenden Interessen mit Beziehung auf die Frage der Konsequenzen einer Veröffentlichung von Angelegenheiten des Privat- und Familienlebens durch den Betroffenen selbst wird paradigmatisch durch den Ausschlussgrund des § 7 Abs 2 Z 3 MedienG - der dem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 Abs 1 MRK solcherart auf einfachgesetzlicher Stufe Geltung verschafft - geregelt (vgl 15 Os 5/09p).
Nach § 7 Abs 2 Z 3 MedienG besteht ein Haftungsausschluss, wenn nach den Umständen angenommen werden konnte, dass der Betroffene mit der Veröffentlichung einverstanden war. Die solcherart an eine konkrete Tatsachengrundlage gebundene Vermutung der Zustimmung muss immer auf den konkreten Anlass bezogen werden. Ein einmaliges Einverständnis kann daher grundsätzlich nicht im Sinn einer generellen Zustimmung - etwa einer Exemtion ganzer „Themenbereiche" der Sphäre des höchstpersönlichen Lebensbereichs - aufgefasst werden. Eine bereits längere Zeit zurückliegende Zustimmung des Betroffenen kann ohne dafür sprechende besondere tatsächliche Gründe nicht als infinit fortwirkendes Einverständnis angesehen werden, weil im Zweifel nicht angenommen werden darf, dass eine Person einer zeitlich unbegrenzten Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten zugestimmt hätte (vgl Berka in: Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG² § 7 Rz 30 mwN; 15 Os 81/09i).
Ein solcherart geforderter enger sachspezifischer Konnex zur früheren Publikation, der eine Berichterstattung über Scheidungsabsichten und ein ehebrecherisches Verhalten des Erstantragstellers rechtfertigen könnte, ist nach den (allein maßgeblichen) Urteilsannahmen zum Bedeutungsinhalt des in Rede stehenden Interviews mit der Wochenzeitschrift „N*****" nicht vorgelegen. Denn demnach (S 13 des Urteils des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht) ist der Erstantragsteller Trennungs- und Scheidungsgerüchten, mit denen er, von ihm selbst nicht provoziert, konfrontiert wurde, dezidiert entgegengetreten. Somit hat er auch - dem Antragsvorbringen zuwider - kein Einverständnis zu einer solchen Berichterstattung gegeben. Dass die Antragsteller selbst aus Geltungssucht oder Marketinggründen mit ihrem Privatleben an die Öffentlichkeit gedrängt hätten, war nach den Urteilsannahmen des Berufungsgerichts sohin zu verneinen. Danach handelte es sich um den ersten medialen Auftritt der beiden (fast vier Monate vor den inkriminierten Veröffentlichungen und somit nicht „unmittelbar zuvor" [S 12 des Erneuerungsantrags]), dessen Auslöser die wirtschaftlichen Turbulenzen rund um die Unternehmensgruppe des Erstantragstellers waren (neuerlich S 13 der Urteilsausfertigung). Das Antragsvorbringen, Julius und Franziska M***** hätten aus „offenkundigen Publizitätsgründen" ihr „Ehe- und Liebesleben öffentlich werbend zur Schau gestellt" und solcherart „bewusst mit ihrer selbst initiierten Medienpräsenz ... zwecks Vermarktung ihrer Unternehmen besondere Solidität dokumentieren wollen, um der Affäre (rund um 'M*****') entgegenzuwirken", und sich somit ihres höchstpersönlichen Lebensbereichs begeben, findet demnach in den Urteilsannahmen der hier befassten Gerichte keineswegs Deckung und verfehlt somit den zur prozessförmigen Antragsausführung erforderlichen Bezugspunkt.
2./ Unehrenhaft ist ein Verhalten (§ 111 Abs 1 StGB sowie § 6 Abs 1 MedienG), durch das nach durchschnittlicher Auffassung eines sozial integrierten wertbewussten Menschen die soziale Wertschätzung empfindlich beeinträchtigt wird (Kienapfel/Schroll BT I5 § 111 Rz 20). Demnach wird auf eine (idealtypische) Maßfigur, daher einen normativen Beurteilungsmaßstab, nicht aber auf bloß faktisch-empirische Befundgrundlagen (nach Anschauung der Antragsgegnerinnen) abgestellt. Die somit zu Recht auch auf die gesetzliche Einstufung des Ehebruchs als schwere Eheverfehlung (§ 49 EheG) als für die Maßfigur relevanten Wertungsmaßstab verweisende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, wonach eine einige Zeit dauernde, außereheliche, intime Liebesbeziehung (US 8 des Ersturteils) - nach wie vor - als unehrenhaftes Verhalten im Sinn des § 111 Abs 1 StGB zu beurteilen ist, ist daher nicht zu beanstanden (vgl hiezu 15 Os 6/09k; 15 Os 32/09h). Personen- oder situationsbezogene Umstände, die in Bezug auf den Antragsteller in concreto eine andere Bewertung ermöglicht hätten, zeigt der Antrag nicht auf.
Die befassten Gerichte haben daher die Verwirklichung der Anspruchstatbestände der §§ 6 Abs 1 und 7 Abs 1 MedienG zu Recht und somit ohne Verletzung des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung bejaht und maßvolle Entschädigungsbeträge angeordnet, die auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz des Art 10 Abs 2 MRK genügen.
Der Erneuerungsantrag war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung der Antragsgegnerinnen - als offenbar unbegründet in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)