Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian P***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB (1.) sowie der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (2.) und des Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (3.) schuldig erkannt.
Danach hat er in Graz,
1. zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen 27. und 30. Mai 2008 die unter massiver Suchtmittelbeeinträchtigung stehende Adina M*****, mithin eine Person, die wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung unfähig war, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr geschlechtliche Handlungen vornahm, indem er ihr die Unterhose auszog, sie im Intimbereich mit der Zunge und den Fingern berührte, manipulierte und streichelte (um sich geschlechtlich zu erregen),
2. am 30. Mai 2008 Adina M***** widerrechtlich gefangengehalten oder ihr auf andere Weise die persönliche Freiheit entzogen, indem er sie in seinem Zimmer zurückließ und gegen ihren Willen die Tür versperrte,
3. am 22. Juli 2008 eine fremde bewegliche Sache, nämlich einen Sony Walkman (Digital Media Player) im Wert von 89 Euro Verantwortlichen der S*****-GmbH mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei es zufolge Betretung beim Versuch geblieben ist.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags auf Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen zum Beweis dafür, dass die Angaben der Zeugin Adina M***** vor der Polizei bzw auch vor dem verhandelnden Gericht aufgrund ihres psychischen Zustands zum damaligen Zeitpunkt nicht der Wahrheit bzw der Realität entsprechen (ON 18/S 22), Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Denn die Beurteilung der Wahrheit und Richtigkeit der Aussage der Zeugin obliegt als Akt freier Beweiswürdigung ausschließlich dem Gericht (§ 258 Abs 2 StPO; RIS-Justiz RS0098297). Nur in Ausnahmefällen, etwa bei Entwicklungsstörungen oder geistigen Defekten unmündiger oder jugendlicher Zeugen, kommt insoweit die Hilfestellung durch einen Sachverständigen in Betracht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350). Anlässlich der Antragstellung wurden aber weder ein solcher seelischer oder geistiger Defektzustand noch Anhaltspunkte für habituelle Falschbezichtigungstendenzen der Zeugin (Fabrizy, StPO10 § 55 Rz 4) konkret behauptet; sie waren auch durch die Verfahrensergebnisse nicht indiziert (vgl ON 16/S 21). Von einer vorgreifenden Beweiswürdigung kann daher in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein.
Das erst im Rechtsmittel erstattete Vorbringen zur mangelnden Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit der Zeugin M***** erweist sich wegen der auf den Antragszeitpunkt bezogenen Prüfung als unbeachtlich (Ratz, WK-StPO Rz 325).
Aus der von der Beschwerde zitierten Entscheidung (14 Os 44/04) lässt sich für den Angeklagten nichts gewinnen, weil dieser ein völlig anders gelagerter Sachverhalt zugrunde lag.
Ebenso wenig kann der Beschwerdeführer die Aussage des Zeugen K***** für sich ins Treffen führen (inhaltlich auch Z 5), wonach die Zeugin M***** im Fall von Substitoleinnahme unüberlegt gehandelt habe, total euphorisch gewesen sei, Dinge gemacht habe, die sie sonst nicht machen würde, ihre Hemmschwelle geringer gewesen sei und sie sich nur teilweise an Ereignisse zu erinnern vermochte, weil der Tatbestand des § 205 StGB nicht die vollständige Willensausschaltung des Opfers erfordert, sondern es gerade genügt, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, durch verstandesmäßige Erwägungen über den eigenen Körper in geschlechtlicher Hinsicht zu verfügen und dem gestellten Verlangen mit freier Entscheidung zu begegnen (RIS-Justiz RS0095091). Die Mängelrüge (Z 5) moniert zu Unrecht das Vorliegen einer Scheinbegründung bezüglich der Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 5; dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider erschöpfen sich diese auch keineswegs nur in der Verwendung von verba legalia). Vielmehr leiteten die Tatrichter den vorsätzlichen Missbrauch der zum Tatzeitpunkt in einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung befindlichen Zeugin M***** und die Tatsache des Erkennens dieses Zustands durch den Angeklagten - den Gesetzen folgerichtigen Denkens entsprechend (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 444) - ausgehend von dem zugestandenen Umstand, dass die Zeugin vor dem Vorfall mehrfach erklärt hatte, ihren Körper nicht an den Angeklagten zu verkaufen, nicht nur aus der allgemeinen Lebenserfahrung, sondern auch aus dem äußeren Tatgeschehen und der den Angeklagten zur Rede stellenden Reaktion der Zeugin M***** ab, als sie wieder zu sich gekommen war (US 10). Dass aus den formell einwandfreien Prämissen auch für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen möglich gewesen wären, die Erkenntnisrichter sich aber für eine für den Angeklagten ungünstigere Variante entschieden haben, ist als Akt freier Beweiswürdigung einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (RIS-Justiz RS0098400). Indem der Nichtigkeitswerber unter Wiederholung seiner Verantwortung trachtet, die Überzeugung des Erstgerichts von der Glaubwürdigkeit der Zeugin M***** zu erschüttern und rein spekulativ behauptet, diese könne ihre Auffassung geändert und den Sexualverkehr gewollt haben, verlässt er den gesetzlichen Anfechtungsrahmen ohne ein formelles Begründungsdefizit aufzuzeigen.
Die einen freiwilligen Geschlechtsverkehr behauptende Beschwerdethese nimmt den gesetzlichen Erfordernissen zuwider vor allem nicht an den weiteren Entscheidungsgründen Maß (RIS-Justiz RS0119370), wonach die Zeugin M***** keine sexuelle Annäherung des Angeklagten wünschte, deshalb mehrfach betonte, ihren Körper nicht für Suchtgift zu verkaufen, und erst nach Klärung dieses Umstands überhaupt bereit gewesen ist, mit dem Angeklagten, und zwar weder Kopf an Kopf noch nahe beieinander, in einem gemeinsamen Bett zu schlafen und deshalb auch während der Nachtstunden stets ihre Tagesbekleidung anbehielt (US 4).
Die Kritik an der Konstatierung, wonach der Angeklagte all diese geschlechtlichen Handlungen unternahm, um sich geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen (US 5), spricht keine entscheidende Tatsache an, weil nur die - hier nicht in Rede stehende - Tathandlung der Verleitung zur Vornahme einer geschlechtlichen Handlung an sich selbst einer entsprechenden Absicht bedarf (§ 205 Abs 1 letzter Fall StGB).
Als unrichtig erweist sich die Behauptung, die medizinische Untersuchung habe die auf einen klebrigen Fleck gegründete „paranoide" Annahme der Zeugin, vergewaltigt worden zu sein, widerlegt. Vielmehr wies die Zeugin bei der Untersuchung lediglich keine äußeren Verletzungszeichen auf (ON 2/S 49) und vermochte das Erstgericht nicht festzustellen, ob der Angeklagte auch seinen Penis in die Vagina der Adina M***** „steckte" und ob die klebrige Flüssigkeit, die Adina M***** nach ihrem Aufwachen im Intimbereich wahrnahm, eigene Scheidenflüssigkeit oder Sperma des Angeklagten war (US 5). Im Übrigen gab die Zeugin an, nach dem Vorfall mehrfach geduscht zu haben (ON 2/S 41).
Ein erörterungsbedürftiger Widerspruch zwischen den Angaben der Zeugin vor dem Stadtpolizeikommando, wonach sie wegen der fehlenden Unterhose, Nässe und Schleimverschmierungen im Bereich der Oberschenkel und Vagina gewusst habe, dass der Angeklagte mit ihr geschlafen habe, ihr aber die konkrete Erinnerung fehle, weil sie wirklich „zu" gewesen sei, sowie deren weiteren ergänzenden - wenn auch erstmaligen - Deposition in der Hauptverhandlung, wonach der Angeklagte ihr gegenüber angegeben habe, er hätte sie in der Annahme, sie habe dies ohnehin gewollt, nur mir der Zunge massiert und den Händen gestreichelt, ist nicht erkennbar.
Dem Gebot der gedrängten Darstellung zufolge (§ 270 Abs 1 Z 5 StPO) war das Erstgericht darüber hinaus nicht gehalten, sich mit jedem Aussagedetail der den Denkgesetzen nicht widersprechend für glaubwürdig befundenen Zeugin M***** auseinander zu setzen (RIS-Justiz RS0106642).
Das gesetzmäßige Ausführen eines materiellen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung zur Voraussetzung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810).
Diesem Anfechtungserfordernis wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht, wenn sie das Fehlen von Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, dabei aber die Konstatierungen des Erstgerichts auf US 5 übergeht, wonach der Angeklagte all diese geschlechtlichen Handlungen unternahm, um sich geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen, und den Zustand der Wehr- und Hilflosigkeit der Adina M***** ausnützte, weil er es zumindest ernstlich für möglich halten musste und auch hielt, dass sie eine solche geschlechtliche Handlung im bewussten Zustand nicht gewollt hätte.
Die Rechtsrüge knüpft mit ihrer weiteren Kritik an der Annahme einer geschlechtlichen Handlung am verwendeten Begriff „Intimbereich" an, vernachlässigt jedoch prozessordnungswidrig die weiteren, diesen eindeutig präzisierenden Urteilsannahmen, wonach nicht festgestellt werden könne, ob der Angeklagte auch seinen Penis in die Vagina der Adina M***** steckte und ob die klebrige Flüssigkeit, die diese nach ihrem Aufwachen in ihrem Intimbereich feststellte, eigene Scheidenflüssigkeit oder aber Sperma des Angeklagten war (US 5). Die Sanktionsrüge (Z 11) macht einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot durch erschwerende Wertung der besonderen Wehr- und Hilflosigkeit des Opfers geltend, übergeht dabei aber die ausdrückliche Erläuterung des Erstgerichts, wonach gerade nicht der Zustand der Wehrlosigkeit zum Zeitpunkt der Tatbegehung als erschwerend gewichtet wurde, sondern der Umstand, dass sich das Opfer dem Angeklagten nur wegen ihrer Suchtgiftabhängigkeit anvertraut hatte (US 12).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)