Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter K***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er vom 25. bis 28. März 2002 in Italien außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, indem er die Hand des am 15. Oktober 1992 geborenen unmündigen Florian W***** zu seinem Penis führte und ihn anleitete, an seinem eregierten Penis kreisförmige Bewegungen bis zum Samenerguss durchzuführen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen dieses Urteil gerichteten, auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt Berechtigung zu.
Das Schöffengericht stützte den Schuldspruch auf die Aussage des betroffenen Kindes Florian W*****. Das zu dieser Aussage eingeholte Gutachten der Fachärztin für Kinderpsychologie Dr. Sylvia Wa***** konnte keine Hinweise für ein fantasiertes Erleben oder auf Quellen von Bild- oder Tonmaterial mit ähnlichem Inhalt finden. Bei der Beweiswürdigung wurden auch die Angaben der Mutter des Kindes, Michaela W*****, und des Arztes Dr. Winfried T*****, dem Florian W***** erstmals vom Vorfall berichtet hatte, berücksichtigt (US 4 f). Nach dem zum Zeitpunkt der Stellung von Beweisanträgen maßgeblichen Stand des Beweisverfahrens, insbesondere dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Wa*****, traten bei Florian W***** bereits im Schuljahr 2000/2001 (zweite Schulstufe) und dann vermehrt im Schuljahr 2001/2002 (dritte Schulstufe) Konzentrationsstörungen sowie sonstige Auffälligkeiten auf. Als nach Ostern 2002, also kurz nach dem inkriminierten Vorfall, das Kind Stuhlschwierigkeiten behauptete, jedoch keine pathologischen Resistenzen und keine schmerzhaften Reaktionen festgestellt werden konnten, wurde eine psychologische Therapie empfohlen. Diese begann am 11. Juni 2002. Bereits am 18. Juni 2002 verfasste Florian W***** dabei zwei Zettel, auf denen er von einem Geheimnis berichtete. Kurze Zeit später erzählte er seinem Therapeuten Dr. T***** vom Vorfall mit dem Angeklagten in den Osterferien 2002. Im Jänner 2003 war Florian W***** zur Erstattung einer Anzeige bereit; die erste Vernehmung durch eine Polizeibeamtin erfolgte am 26. Februar 2003 (S 15 ff).
Bereits im April 2002 musste sich Michaela W***** in psychologische Behandlung begeben. Ihre psychischen Beeinträchtigungen beruhen auf einer angeblichen, gleichfalls zur Anzeige gebrachten, jedoch wegen Verjährung nicht weiter verfolgten Vergewaltigung durch den Angeklagten in ihrer Kindheit.
Bei der Befragung der Sachverständigen Dr. Wa***** in der Hauptverhandlung vom 16. Jänner 2004 wurde unter anderem die Frage des Verteidigers, ob es einem gewöhnlichen Verlauf der Therapie entspreche, dass nach der ersten Therapiesitzung am 11. Juni 2003 bereits fünf Tage danach die Ursache der psychischen Probleme dargelegt wird, wegen "Irrelevanz" vom Schöffensenat nicht zugelassen (S 165).
In weiterer Folge bezeichnete die Sachverständige jedoch die Art der Therapie als "nicht unwesentlich" (S 168).
Der Verteidiger beantragte schließlich neben weiteren Beweisen die Beischaffung und Verlesung der Krankengeschichte bzw der medizinischen Unterlagen über die psychotherapeutische Behandlung im Kinderschutzzentrum zum Beweis dafür, dass durch die Eltern und aus dem sonstigen Umfeld massive Einflussnahmen auf Florian erfolgten. Dabei hob er hervor, dass die kinderpsychologische Sachverständige auf die Relevanz dieser Unterlagen für die Gutachtenerstattung verwiesen habe. Er beantragte daher, die Schriftstücke der Expertin zuzumitteln und auf deren Basis das Gutachten zu ergänzen. Weiters stellte er den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Helmut Wo***** zum Beweis dafür, dass entgegen den Ausführungen der Frau Sachverständigen nicht psychosomatische Beschwerden Ursache für den Beginn der psychotherapeutischen Behandlung waren, sondern die angeblichen Erlebnisse von Michaela W***** dazu führten, dass sich das Umfeld besonders intensiv um Florian kümmerte und daraus die Vermutung resultiere, dass Florian ein Missbrauchsopfer gewesen sei. Die Relevanz dieses Beweisantrages ergebe sich daraus, dass eine massive Beeinflussung aus dem unmittelbaren Umfeld des Florian deutlich werde (S 169 f).
Unter anderem gegen die Abweisung dieser Anträge wegen Unerheblichkeit richtet sich die Verfahrensrüge (Z 4). Tatsächlich betrifft - insbesondere im vorliegenden Fall - eine Beweisaufnahme über die Beweiskraft des einzigen Tatzeugen eine Tatsache von schulderheblicher Bedeutung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340, 350). Im Hinblick auf die psychische Beeinträchtigung der Mutter wegen einer angeblichen Vergewaltigung durch den Angeklagten in der Kindheit ist nämlich eine Beeinflussung ihres Kindes nicht von vornherein auszuschließen. Es bedarf daher gerade hier einer sorgfältigen Ausschöpfung aller eine erhebliche Tatsache betreffenden Beweise. Für die Beurteilung, ob möglicher Weise eine Beeinflussung vorlag oder ob eine solche auszuschließen ist, wäre aber die gerügte Fragestellung sowie die Aufnahme der angeführten Beweise geboten gewesen. Durch die Nichtzulassung der Frage und dieser Beweise wurden Verteidigungsrechte beeinträchtigt, weshalb der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund vorliegt. Daraus ergibt sich, dass eine neue Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist. Das Urteil war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren gestellten Beweisanträge.
Zu diesen ist aber anzumerken, dass die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie zum Beweis dafür, dass für den Fall tatbestandmäßigen Handelns Florian W***** im Tatzeitpunkt noch nicht reif genug war, die Bedeutung des Vorganges einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, nicht geboten war, weil der im Tatzeitpunkt noch gar nicht in Kraft gewesene § 207b StGB nur bei jugendlichen Personen, die also das 14. Lebensjahr bereits vollendet haben, zum Tragen kommt. Wenn aber unmündige Personen von der Tat betroffen sind, ist nur § 207 StGB anzuwenden.
Im erneuerten Verfahren wird daher das Erstgericht Beweise umfassend zu erheben und diese dann in allen wesentlichen Punkten einer Gesamtwürdigung zu unterziehen haben.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
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