OGH 13Os62/09f

OGH13Os62/09f18.6.2009

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Juni 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fuchs und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Schmid als Schriftführer in der Strafsache gegen Christian S***** wegen Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 29. Jänner 2009, GZ 20 Hv 124/08m-101, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, sowie des Verurteilten Christian S***** und seines Verteidigers Mag. Brandstätter zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 29. Jänner 2009, GZ 20 Hv 124/08m-101, verletzt in den Schuldsprüchen zu Punkt 1 und 2, soweit diese auf ein „Betasten des Gesäßes" der im Urteil genannten Unmündigen abstellen, sowie im Schuldspruch zu Punkt 4 das Gesetz in der Bestimmung des § 207 Abs 1 StGB.

2. Dieses Urteil wird im vorgenannten Umfang und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Christian S***** wird vom Vorwurf, er habe von 2005 bis zum Frühjahr 2008 in P***** in der Volksschule als Schulwart die am 6. August 1998 geborene Katharina K*****, die am 26. September 1997 geborene Nadine R***** und die am 20. November 1997 geborene Kathleen S***** am Gesäß betastet, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Er wird für die ihm nach dem angeführten Urteil des Landesgerichts St. Pölten weiterhin als Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB zur Last liegenden Taten zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten verurteilt.

Von dieser Strafe wird ein Teil von 15 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 29. Jänner 2009, GZ 20 Hv 124/08m-101, wurde Christian S***** mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer teilweise bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er von 2005 bis zum Frühjahr 2008 in P***** als Schulwart der Volksschule an unmündigen Schülerinnen geschlechtliche Handlungen vorgenommen, und zwar

1. an der am 6. August 1998 geborenen Katharina K***** durch zumindest einmaliges Betasten der Brüste, zweimaliges Betasten des Gesäßes und zumindest einmal durch einen Griff auf die Scheide oberhalb der Kleidung der Genannten,

2. an der am 26. September 1997 geborenen Nadine R***** durch einmaliges Betasten der Brüste und zweimaliges Betasten des Gesäßes,

3. an der am 26. März 1998 geborenen Sarah B***** durch einmaliges Betasten der Brüste über der Kleidung der Genannten und

4. an der am 20. November 1997 geborenen Kathleen S***** durch zweimaliges Betasten des Gesäßes.

Der Schuldspruch, der Strafausspruch und ein zugleich ergangener Freispruch blieben unbekämpft. Gegen einen auf die Schuldsprüche 1 bis 3 bezogenen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche erhob der Angeklagte Berufung, über die noch nicht entschieden ist.

Rechtliche Beurteilung

Das - insoweit übrigens der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft St. Pölten folgende - Urteil verletzt, wie die Generalprokuratur in der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, in den Schuldsprüchen zu Punkt 1 und 2, soweit diese auch auf ein „Betasten des Gesäßes" der im Urteil genannten Unmündigen abstellen, sowie im Schuldspruch zu Punkt 4 das Gesetz:

Tatbildlich nach § 207 Abs 1 StGB handelt, wer außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an einer unmündigen Person vornimmt oder von einer unmündigen Person an sich vornehmen lässt. Der Begriff der geschlechtlichen Handlung umfasst jede nach ihrem äußeren Erscheinungsbild sexualbezogene Handlung, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach ihrer Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit ist und damit eine unzumutbare, sozialstörende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich darstellt. Dieser Begriff schließt jene Handlungen ein, bei denen zur unmittelbaren Geschlechtssphäre gehörige Körperpartien des Opfers oder Täters mit dem Körper des anderen in eine nicht bloß flüchtige sexualbezogene Berührung gebracht werden (vgl RIS-Justiz RS0095142, RS0094997, RS0078135).

Das Gesäß zählt nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre eines Menschen (10 Os 136/86). Sie zu betasten stellt keine geschlechtliche Handlung dar, weil der Anus damit nicht gemeint ist. Die Schuldsprüche zu Punkt 1 und 2, die auf ein „Betasten des Gesäßes" der im Urteil genannten Unmündigen als selbstständige und damit einem Freispruch zugängliche Taten (US 10 unten, 11 Mitte und 12 unten; vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1 ff) abstellen, sowie der ausschließlich ein solches Betasten betreffende Schuldspruch zu Punkt 4 waren demnach als rechtsirrig aufzuheben und durch einen Freispruch zu ersetzen (§ 292 StPO).

Bei der infolge somit notwendiger Aufhebung auch des Strafausspruchs gebotenen Neubemessung der Strafe waren der lange Tatzeitraum und das Zusammentreffen mehrerer (gleichartiger) strafbarer Handlungen, die Ausnützung des zu den Kindern aufgebauten Vertrauensverhältnisses als Schulwart erschwerend, der bislang untadelige, mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten in auffallendem Widerspruch stehende Lebenswandel des Angeklagten dagegen mildernd. Ausgehend davon erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten als schuldangemessen.

Von dieser war - wie schon im Urteil des Landesgerichts St. Pölten - gemäß § 43a Abs 3 StGB ein Teil von 16 Monaten für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen (s zum Lauf der Probezeit Ratz, WK-StPO § 290 Rz 55).

Über die vom Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche erhobene Berufung hat das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden.

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