Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der Angeklagte Milorad B***** der Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (I./1./), der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (I./2./), des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (II./1./) und der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 erster, dritter und vierter Fall StGB (II./2./), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II./3./) sowie der Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z 1 StGB (II./4./a./) sowie nach §§ 144, 145 Abs 1 Z 1 StGB (II./4./b./) und der schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II./5./) schuldig erkannt.
Danach hat er in Linz
I./ am 20. April 2007 Haliun Ba*****
1./ mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich Versetzen zahlreicher heftiger Faustschläge ins Gesicht, Zu-Boden-Reißen und Fixieren am Boden, fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in unbekannter Höhe, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern,
2./ im Zuge der zu I./1./ geschilderten Tathandlung mit Gewalt, nämlich Versetzen zahlreicher Faustschläge ins Gesicht, Zu-Boden-Reißen, Fixieren am Boden und gewaltsames Herunterziehen von Hose und Unterhose, zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen versucht, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine doppelte Unterkieferfraktur, eine Nasenbeinfraktur, eine Jochbein- und Jochbogenfraktur links mit Beteiligung der Augenhöhle und eine Rissquetschwunde an der Stirn links sowie eine posttraumatische Belastungsstörung, welche einer schweren Körperverletzung in Form psychischer Schäden entspricht, zur Folge hatte;
II./ am 21. Oktober 2007 Dana K*****
1./ mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich Versetzen zahlreicher heftiger Faustschläge ins Gesicht, wodurch sie zu Boden ging, fremde bewegliche Sachen, nämlich ihre Handtasche samt Geldtasche mit Bargeld in Höhe von ca 60 Euro, mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern;
2./ im Anschluss an die zu II./1./ geschilderte Tathandlung mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) in drei Angriffen zur Vornahme und Duldung des Beischlafs und dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, wobei die Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine posttraumatische Belastungsstörung mit einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome, welche einer schweren Körperverletzung in Form psychischer Schäden entspricht, zur Folge hatte und sie durch die Taten längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt und in besonderer Weise erniedrigt wurde, und zwar
a./ durch das Versetzen von Faustschlägen ins Gesicht sowie die Äußerung „Schnell, schnell, zieh dich aus, weil sonst bring ich dich um", zur Duldung eines Digital-, Vaginal- und Analverkehrs sowie Vornahme eines Oralverkehrs an ihm,
b./ nach den zu II./3./ und 4./ (erg: a./) geschilderten Tathandlungen, nachdem sie durch die vorangegangenen Vorgänge bereits massiv eingeschüchtert und verletzt war, durch Versetzen von Schlägen und gewaltsames Festhalten sowie die Aussagen, er werde sie umbringen und „Ich hab dich nicht gefragt. Noch ein Wort, dann bist du ohne Kopf.", zur Duldung eines Anal-, Vaginal- und Digitalverkehrs sowie Vornahme eines Oralverkehrs an ihm, und
c./ nach der zu II./2./b./ geschilderten Tathandlung durch Festhalten, wobei sie durch die vorangegangenen Vorfälle bereits massiv eingeschüchtert und verletzt war, zur Duldung eines Analverkehrs und Vornahme eines Oralverkehrs an ihm;
3./ im Anschluss an die zu II./2./a./ geschilderte Tathandlung eine Urkunde, über die er nicht verfügen darf, nämlich den Niederlassungsausweis der Dana K*****, aus deren Geldbörse entnommen und dadurch mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde;
4./ mit Gewalt und durch gefährliche Drohung mit dem Tod, nämlich Versetzen von Schlägen und Drohung mit dem Umbringen, zu nachangeführten Handlungen genötigt bzw zu nötigen versucht, die sie am Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, wobei er mit dem Vorsatz handelte, durch das Verhalten der Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
a./ nach der zu II./3./ geschilderten Tathandlung zur Behebung von Bargeld unbekannter Höhe beim Bankomat der R*****, wobei es beim Versuch geblieben ist, und
b./ nach den zu II./2./b./ und c./ geschilderten Tathandlungen durch Festhalten und die Aussage, er werde sie sonst umbringen, zur Behebung eines Bargeldbetrags von 400 Euro beim Bankomat der V*****
5./ im Anschluss an die zu II./4./b./ geschilderte Tathandlung durch die Äußerungen, er würde sie finden und umbringen, wenn sie ihn nicht gegen 13.00 Uhr anrufe, bzw „Wenn die Polizei in der Früh zu mir kommt, dann kannst du dir sicher sein, dass du tot bist.", sohin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zu einer Handlung und Unterlassung, nämlich ihn anzurufen und nicht die Polizei zu verständigen, zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf Z 1, 5, 9 und 10a des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.
Die Besetzungsrüge (Z 1) behauptet eine Ausgeschlossenheit der Mitglieder des Schwurgerichtshofs, weil Haliun Ba*****, das erste Tatopfer, einerseits „Angestellte" des Landesgerichts Linz sei und andererseits mit „allen drei Richtern", welche sie schon als Dolmetscherin engagiert hätten, woraus ein „intensiver beruflicher Kontakt" abzuleiten sei, persönlich bekannt sei. Da es „völlig denkunmöglich" sei, in Bezug auf „eine Kollegin aus dem eigenen Haus, die Opfer eines furchtbaren Verbrechens geworden sei, völlig objektiv und frei von jeglicher Sympathie oder Antipathie" zu sein, seien die Richter befangen (und somit vom Verfahren im Sinne des § 43 Abs 1 Z 3 StPO ausgeschlossen) gewesen.
Befangenheit liegt vor, wenn ein Richter an eine Rechtssache nicht mit voller Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit herantritt, somit die Hemmung einer unparteiischen Entscheidungsfindung durch unsachliche psychologische Motive gegeben ist (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 9; RIS-Justiz RS0096914, RS0096880).
Wenngleich der Verteidiger eingangs der Hauptverhandlung vom 17. November 2008 „den Ablehnungsantrag gegen das Landesgericht Linz" aufrecht erhalten hat (S 5 in ON 74) - und so seiner Rügeobliegenheit (§ 345 Abs 1 Z 1, Abs 2 StPO) nachgekommen ist -, zeigt das zum Teil hypothetische Vorbringen des Nichtigkeitswerbers eine Befangenheit der Mitglieder des Schwurgerichtshofs dennoch nicht auf. Die relevierten Umstände - Zugehörigkeit zum selben Gericht sowie dienstlicher Kontakt aufgrund Dolmetschertätigkeit - sind für sich allein nämlich keinesfalls geeignet, die volle Unbefangenheit der Berufsrichter - aus der Sicht eines objektiven Beurteilers - in Zweifel zu setzen; um die relevante Eignung zu erhalten, müssten noch andere Faktoren hinzutreten, die eine tatsächliche Befangenheit oder auch nur den Anschein einer solchen begründen könnten (vgl RIS-Justiz RS0097132, RS0096967, RS0124033, 15 Ns 19/01). Die bloß subjektive Besorgnis einer Befangenheit genügt nicht (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 10; RIS-Justiz RS0097086).
Gleichsam in Weiterverfolgung des eben behandelten Vorbringens rügt der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel (Z 5), dass seinem in der Hauptverhandlung gestellten „Ablehnungsantrag gegen das Landesgericht Linz" - der nicht einmal ansatzweise begründet wurde (S 5 in ON 74) - nicht stattgegeben bzw darüber gar nicht entschieden worden sei.
Ungeachtet dessen, dass der Verteidiger den am 10. November 2008 eingebrachten Antrag „auf Ablehnung sämtlicher Richter des Landesgerichts Linz" (ON 71), der bereits mit Beschluss des Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz vom 12. November 2008 in Bezug auf den Präsidenten des Landesgerichts Linz (ON 72) und mit Beschluss des Präsidenten des Landesgerichts Linz vom gleichen Tag in Ansehung der Mitglieder des Schwurgerichtshofs (ON 73) als nicht berechtigt erkannt worden war, bloß wiederholt hatte, ist eine Entscheidung des erkennenden Gerichts (§ 45 Abs 1 StPO) über das Vorliegen von Befangenheit als ein Fall der Ausgeschlossenheit seit 1. Jänner 2008 einer Anfechtung aus Z 5 entrückt, weil die Besetzungsrüge (Z 1) insoweit den weitergehenden Rechtsschutz bietet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 386, eingehend Rz 132). Lediglich die abweisliche Entscheidung über Anträge zum Nachweis von Tatsachengrundlagen für eine Ausgeschlossenheit (und damit auch eine Befangenheit) kann weiterhin Nichtigkeit aus Z 5 bewirken. Die Verfahrensrüge muss daher insoweit schon aus diesem Grund versagen.
Des Weiteren kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung des Antrags auf „neuerliche Einholung und Aktualisierung des Gutachtens eines psychiatrischen Sachverständigen hinsichtlich seines (= des Angeklagten) aktuellen Geisteszustands und zur in der Anklage relevierten Gefährlichkeit" zum Beweis dafür, „dass er weder an einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades leidet noch dass zu befürchten ist, dass er unter dem Einfluss einer - bestrittenen - geistigen oder seelischen Abartigkeit eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde", sowie „dass der Angeklagte, der seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft ist und sich in dieser Zeit ausführlich mit den Vorfällen auseinandergesetzt hat, jedenfalls jetzt nicht mehr als höhergradig geistig bzw seelisch abnorm einzustufen ist und auch die Zukunftsprognose günstig ist, also nicht zu befürchten ist, dass er eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde". Zur Begründung wurde bloß ausgeführt, dass „das im Akt befindliche Gutachten" vom Jänner 2008 sowie „das - inhaltsleere - Ergänzungsgutachten" vom April 2008 stammen würden und damit beide Gutachten nicht mehr aktuell seien (zum Ganzen s S 68 in ON 74).
Der Rüge zuwider wurden durch die Abweisung dieses Beweisbegehrens durch den Schwurgerichtshof (S 69 in ON 74) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt, legte er doch bei Antragstellung nicht dar, weshalb das - in der Hauptverhandlung erläuterte und (auch über Befragen) umfassend ergänzte bzw aktualisierte (insbesondere S 62 ff in ON 74) - Gutachten des Sachverständigen Dr. G***** Mängel aufweisen sollte. Denn ein durch Z 5 garantiertes Überprüfungsrecht in Bezug auf Befund und Gutachten eines Sachverständigen hat der Beschwerdeführer nur dann, wenn er in der Lage ist, einen in § 127 Abs 3 erster Satz StPO angeführten Mangel von Befund oder Gutachten aufzuzeigen und das dort beschriebene Verbesserungsverfahren erfolglos geblieben ist (RIS-Justiz RS0117263; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 351). Die materielle Überzeugungskraft eines mängelfreien Gutachtens unterliegt hingegen der freien tatrichterlichen Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0097433).
Die Antragstellung ließ zudem nicht einmal ansatzweise erkennen, weshalb die begehrte Beweisführung die behaupteten Ergebnisse erwarten lasse (Ratz, WK-StPO Rz 330 ff; RIS-Justiz RS0099453). Das ergänzende Vorbringen im Rechtsmittel, mit dem auch (erstmalig) Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen geäußert werden, ist aufgrund des Neuerungsverbots im Nichtigkeitsverfahren unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325; RIS-Justiz RS0099117).
Nichtigkeit aus Z 9 liegt vor, wenn die Antwort der Geschworenen auf die gestellten Fragen - also der Wahrspruch (maW die Feststellungsebene) - undeutlich, unvollständig oder in sich widersprechend ist, wenn also trotz undeutlicher oder widersprüchlicher Feststellungen oder fehlender Antworten zu entscheidenden Tatsachen (im schöffengerichtlichen Verfahren § 281 Abs 1 Z 9 oder 10 StPO) den Geschworenen die Verbesserung des solcherart mangelhaften Wahrspruchs nicht aufgetragen wurde oder der Auftrag ohne Erfolg blieb (vgl Fabrizy, StPO10 § 345 Rz 15; Ratz in WK-StPO § 345 Rz 69).
Das Vorbringen, die Hauptfrage 2./ (die das Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB zum Nachteil von Haliun Ba***** zum Gegenstand hatte) sei von den Geschworenen deshalb „widersprüchlich und nicht vollständig" beantwortet worden, weil der Angeklagte insoweit nicht geständig gewesen sei (vielmehr bloß „sehr detailliert eine lebensnahe und nachvollziehbare Raubsituation" geschildert habe), die Geschworenen demgegenüber für die Bejahung der Frage aber keine „entsprechende Begründung" geliefert hätten, zielt gerade nicht auf eine Mangelhaftigkeit des Wahrspruchs im dargestellten Sinn. Damit wird der Nichtigkeitsgrund (Z 9) nicht zur prozessordnungsgemäßen - und nur solcherart sachlich erwiderungsfähigen - Darstellung gebracht.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) greift ihrem Wesen nach erst dann, wenn sich „aus den Akten" (mithin aus dem aktenkundigen Beweismaterial, das in der Hauptverhandlung vorgekommen ist oder vorkommen hätte können und dürfen) nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen ergeben; sie will daher nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung verhindern (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583).
Die im Rahmen dieses Nichtigkeitsgrundes erhobenen Einwände, der Angeklagte sei zum Vorwurf der versuchten Vergewaltigung zum Nachteil der Haliun Ba***** nicht geständig gewesen, auch sonst sei nirgendwo vorgekommen, dass der Einschreiter in irgendeiner Art und Weise Sex von seinem Tatopfer haben wollte und dass „auch nicht näher nachgefragt" worden sei, was er beim Angriff auf das Opfer „gewollt" hätte, sind schlicht aktenwidrig (vgl S 71 ff bzw S 7 bis 19, jeweils in ON 74) und entziehen sich solcherart einer argumentativen Erwiderung.
Mit der - nicht näher begründeten - Behauptung, das Erstgericht habe „von vornherein, wie aus der Art der Fragestellung hervorgeht, die Vergewaltigung als erwiesen angenommen und der Erklärung des Angeklagten keinen Glauben geschenkt", was „natürlich auch eine unzulässige Beeinflussung der Geschworenen im Zuge des Prozessverlaufs" gewesen sei, vermag der Beschwerdeführer ebenso wenig Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erwecken, wie mit spekulativen Überlegungen zur Sinnhaftigkeit einer in diesem Umfang - angesichts identer Strafdrohung - leugnenden Verantwortung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Milorad B***** war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.
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