Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird als nichtig aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Rekursverfahrens.
Text
Begründung
Der Kläger begehrte - mit seiner ursprünglich beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage - von der Beklagten die Zahlung von (ausgedehnt) 27.122,99 EUR sA. Die Ehe der Streitteile sei seit mehr als einem Jahr rechtskräftig geschieden. Er habe wertsteigernde Leistungen (eigene Arbeit, Beistellung von Arbeitskräften, Bezahlung von Rechnungen) für das Haus der Beklagten erbracht, deren Abgeltung ihm insbesondere aus dem Rechtsgrund der Bereicherung zustehe.
Die Beklagte wandte örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein und bestritt im Übrigen das Klagebegehren.
Der Kläger unterwarf sich der Unzuständigkeitseinrede der Beklagten. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erklärte sich mit Beschluss vom 13. 9. 2006 (ON 5) für örtlich unzuständig und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Eisenstadt.
Nach Durchführung von Beweisaufnahmen führte der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 29. 6. 2007 (ON 25) aus, dass das Scheidungsverfahren der Streitteile betreffend die noch nicht erledigte Verschuldensfrage inzwischen fortgesetzt worden sei. Das Landesgericht Eisenstadt erklärte sich daraufhin für unzuständig, „zumal es sich im vorliegenden Fall um eine rein vermögensrechtliche Auseinandersetzung unter Ehegatten in einem beim Bezirksgericht Hietzing anhängigen Scheidungsverfahren (handle)". Der Kläger stellte daraufhin den Antrag „auf Überweisung der Rechtssache an das offenbar nicht unzuständige, zuständige Bezirksgericht, nach Ansicht des Richters an das Bezirksgericht Hietzing" (ON 26). Das Landesgericht Eisenstadt überwies mit Beschluss vom 19. 9. 2007 (ON 27) die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Hietzing. Die Entscheidungen über die Unzuständigkeit und die Überweisung blieben unbekämpft.
Nunmehr erklärte sich das Erstgericht (Bezirksgericht Hietzing) für unzuständig, weil „es sich um einen Anspruch (handle), der nach einhelliger Auffassung nicht in die Eigenzuständigkeit der Bezirksgerichte fällt" und daher „die Zuständigkeitsbestimmung des § 66 Abs 1 JN Platz (greife)".
Gegen diesen Beschluss erhob der Kläger Rekurs. Eine Gleichschrift des Rekurses erhielt die Beklagte nach der Aktenlage gemäß § 112 ZPO, nicht jedoch vom Erstgericht (oder vom Rekursgericht) zugestellt. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers Folge, hob den angefochtenen Beschluss des Erstgerichts auf, trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens auf und verpflichtete die Beklagte zum Ersatz der mit 1.242,82 EUR bestimmten Rekurskosten an den Kläger. Gemäß § 261 Abs 6 ZPO könne der Kläger den Antrag stellen, das Gericht möge für den Fall, dass es seine Unzuständigkeit ausspreche, die Klage an das vom Kläger namhaft gemachte Gericht überweisen, wenn der Beklagte das Fehlen der sachlichen oder örtlichen Zuständigkeit einwende oder das Gericht seine Zuständigkeit von Amts wegen prüfe. Der Beschluss, mit dem das Landesgericht Eisenstadt seine sachliche Unzuständigkeit ausgesprochen und die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Hietzing überwiesen habe, sei in Rechtskraft erwachsen. Das Adressatgericht sei an die Überweisung und den Unzuständigkeitsausspruch des Überweisungsgerichts insoweit gebunden, als es sich nicht mit der Begründung für unzuständig erklären könne, dass doch das Überweisungsgericht zuständig sei. Da überdies der in § 43 Abs 1 JN genannte Zeitpunkt vorüber gewesen sei, könne es von Amts wegen überhaupt nur mehr seine unprorogable Unzuständigkeit aufgreifen, weil gemäß § 43 Abs 1 Z 2 JN die Unzuständigkeit nur dann ausgesprochen werden dürfe, wenn diese noch nicht geheilt sei (§ 104 JN), und entweder die inländische Gerichtsbarkeit fehle oder das Gericht selbst durch ausdrückliche Vereinbarung der Parteien für die betreffende Rechtssache nicht sachlich oder örtlich zuständig gemacht werden könne. § 104 Abs 2 JN schließe im Bereich der sachlichen Zuständigkeit nur eine Parteienvereinbarung des Inhalts aus, dass Rechtssachen, die vor ein Bezirksgericht gehören, vor einen Gerichtshof erster Instanz gebracht werden. Eine Parteienvereinbarung, wonach eine Rechtssache, die vor den Gerichtshof gehöre, vor dem Bezirksgericht zu verhandeln sei, sei demnach zulässig, weshalb dem Erstgericht aufgrund der Bindung des Überweisungsbeschlusses nach § 261 Abs 6 ZPO die Wahrnehmung seiner mangelnden Zuständigkeit verwehrt gewesen sei.
Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei, weil eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung nicht zu lösen gewesen sei.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten wegen Nichtigkeit mit den Anträgen, das angefochtene Rekursverfahren für nichtig zu erklären, ihr den Rekurs des Klägers zuzustellen, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über die örtliche Unzuständigkeit nach Durchführung einer gesonderten Tagsatzung über diesen Einwand aufzutragen; hilfsweise wird beantragt, den Beschluss des Rekursgerichts dahin abzuändern, dass die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts bestätigt werde. Der Oberste Gerichtshof hat die Zustellung einer Gleichschrift des Revisionsrekurses an den Kläger veranlasst; dieser hat sich jedoch am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil der Entscheidung des Rekursgerichts die von der Beklagten geltend gemachte, eine erhebliche Rechtsfrage aufwerfende Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO anhaftet.
1. Vorauszuschicken ist, dass die aufhebende Entscheidung des Rekursgerichts keinen „echten" Aufhebungsbeschluss darstellt, weil das Rekursgericht abändernd über die Zuständigkeitsfrage entschieden hat. Es ist daher nicht § 527 Abs 2 ZPO, sondern § 528 ZPO anzuwenden (RIS-Justiz RS0044033; RS0044035; RS0007218; E. Kodek in Rechberger³, § 527 ZPO Rz 3).
2. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht mit seiner bekämpften Entscheidung dem Kläger (lange) nach Streitanhängigkeit den begehrten Rechtsschutz endgültig verweigert, hat es doch seine Unzuständigkeit ausgesprochen und dabei zugleich die Zuständigkeit des überweisenden Gerichts unterstellt, welcher Annahme der rechtskräftige Überweisungsbeschluss dieses Gerichts entgegen stand. Diese Konstellation kommt, selbst wenn das Erstgericht nicht (ausdrücklich) auch die Zurückweisung der Klage ausgesprochen hat, dem Fall des § 521a Abs 1 Z 3 ZPO gleich, weshalb in Gesetzesanalogie die Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens anzunehmen war (vgl dazu RIS-Justiz RS0120859; RS0107141; Zechner in Fasching/Konecny² § 521a ZPO Rz 4 ff).
3. Die mangelnde Beteiligung des Gegners am zweiseitigen Rekursverfahren begründet Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO (RIS-Justiz RS0042158; RS0005673; Zechner in Fasching/Konecny² § 521a ZPO Rz 6). Weder das Erst- noch das Rekursgericht stellten der Beklagten den Rekurs des Klägers zu. Der Umstand, dass die Vertreterin des Klägers gemäß § 112 ZPO eine Gleichschrift des Rekurses an den Vertreter der Beklagten direkt übermittelte, hat den Lauf der Rechtsmittelbeantwortungsfrist nicht ausgelöst. Die Direktzustellung reicht auch nicht aus, die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Rechtsmittelgegners zu bewirken und vermag die Nichtigkeit genausowenig zu beseitigen wie der Umstand, dass die Beklagte gegen die Rekursentscheidung Revisionsrekurs erheben konnte und auch erhoben hat (10 Ob 107/07v; 3 Ob 168/07p). In Stattgebung des Revisionsrekurses war daher die Entscheidung des Rekursgerichts zu dem Zweck aufzuheben, dass vor seiner neuerlichen Entscheidung über den Rekurs des Klägers eine Gleichschrift dieses Rechtsmittels der Beklagten zur Beantwortung zugestellt wird.
4. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
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