OGH 10Ob106/08y

OGH10Ob106/08y22.12.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.‑Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Inge‑Marie S*****, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach Hans H*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Horst Brunner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 13 Cg 78/99d des Landesgerichts Innsbruck (Streitwert 145.345,67 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 20. Oktober 2008, GZ 2 R 166/08s‑5, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0100OB00106.08Y.1222.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Die Klägerin begehrt die Wiederaufnahme des Verfahrens 13 Cg 78/99d des Landesgerichts Innsbruck, in welchem ausgesprochen wurde, dass eine aufgrund des Übergabsvertrags vom 6. 11. 1997 grundbücherlich vorgenommene Einverleibung ihres Eigentumsrechts unwirksam und daher zu löschen sei. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts, mit der die Wiederaufnahmsklage noch vor Zustellung an die Beklagte zurückgewiesen wurde und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels einer gemäß § 528 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet die Klägerin einen erkennbar (nach § 508 Abs 1 iVm § 528 Abs 2a ZPO) an das Rekursgericht gerichteten Antrag, „den Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses abzuändern und auszusprechen, dass der Revisionsrekurs zulässig sei". Weiters wird ein Revisionsrekurs wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung ausgeführt.

Rechtliche Beurteilung

Die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels ist nach § 528 ZPO zu beurteilen. Es liegt zwar ein bestätigender Beschluss des Rekursgerichts vor. Dieser ist aber gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht absolut unanfechtbar, weil die Wiederaufnahmsklage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen wurde. Der Streitwert im Wiederaufnahmsprozess ist denknotwendig derselbe wie im Hauptprozess (7 Ob 15/06s mwN) und beträgt daher im vorliegenden Fall - wie von der Klägerin auch richtig angeführt - 145.345,67 EUR. Da die Voraussetzungen des § 508 ZPO infolge des 20.000 EUR übersteigenden Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts nicht vorliegen, kommt gegen die Entscheidung des Rekursgerichts nur ein außerordentlicher Revisionsrekurs nach § 528 Abs 3 iVm § 505 Abs 4 ZPO in Betracht. Es war daher der Antrag der Klägerin auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses verbunden mit dem ordentlichen Revisionsrekurs in einen außerordentlichen Revisionsrekurs umzudeuten (vgl 2 Ob 38/02f mwN).

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist aber wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Nach § 530 Abs 2 ZPO ist eine auf die behauptete Kenntnis neuer Beweismittel gestützte Wiederaufnahmsklage nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, die neuen Beweismittel vor Schluss der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen.

Den Wiederaufnahmskläger trifft bei dem hier geltend gemachten Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass ihn kein Verschulden daran trifft, die nun geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel nicht schon im Vorprozess vorgebracht zu haben. Nicht ausreichende Behauptungen machen die Wiederaufnahmsklage unschlüssig und führen zur Zurückweisung der Klage schon im Vorverfahren (6 Ob 15/03d mwN). Schon benützbare Beweismittel dürfen daher nicht einem Wiederaufnahmsverfahren vorbehalten werden (1 Ob 258/02a). Ein Verschulden liegt somit vor, wenn die Partei bereitstehende Beweismittel (zB die Beischaffung einer Krankengeschichte) nicht anbietet, obwohl die Bedeutung der Beweismittel ohne weiteres erkennbar war. Unterließ die Partei im Vorprozess hingegen das Anbot von Beweismitteln, mit deren Vorhandensein sie auch bei gehöriger Aufmerksamkeit nicht rechnen musste, liegt kein Verschulden vor (Jelinek in Fasching/Konecny² § 530 ZPO Rz 212 mwN).

Die Beurteilung, ob die Klageangaben geeignet sind, ein mangelndes Verschulden im Sinn des § 530 Abs 2 ZPO darzulegen, ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich im Regelfall erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO nicht stellen. Die anzuwendende prozessuale Diligenzpflicht findet ihre Grenze in der Anwendung der zumutbaren Sorgfalt, wobei sich die Zumutbarkeit nach den Umständen des Einzelfalls richtet (9 Ob 3/04p mwN). Die Vorinstanzen sind bei ihrer Entscheidung von diesen dargelegten Grundsätzen ausgegangen und haben zutreffend auf die prozessuale Diligenzpflicht der Parteien hingewiesen. Die Wiederaufnahmsklägerin hätte danach darzulegen gehabt, aus welchen Gründen sie im Vorprozess gehindert war, die Vorlage bzw Beischaffung der von der behandelnden Ärztin geführten Krankengeschichte zu beantragen. Zur Diligenzpflicht gehört die Mitwirkung an der Stoffsammlung. Die Parteien haben Zeugen zu führen, den Sachverständigenbeweis oder die Beischaffung von Auskünften zu beantragen (6 Ob 15/03d mwN). Die Frage der Geschäftsfähigkeit des Übergebers im Zeitpunkt des Abschlusses des Übergabsvertrags am 6. 11. 1997 war bereits im Vorprozess das entscheidungswesentliche Thema. In der Beurteilung des Rekursgerichts, dass es der Klägerin als Verschulden anzurechnen sei, dass sie nicht spätestens nach Vorliegen des für ihren Prozessstandpunkt ungünstigen Sachverständigengutachtens im Vorprozess die Beischaffung der von der behandelnden Ärztin geführten Krankengeschichte betreffend den Übergeber zum Beweis dessen Geschäftsfähigkeit beantragt hat, kann keine Fehlbeurteilung erblickt werden; sie hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Der von der Wiederaufnahmsklägerin weiters relevierten Frage, ob die Krankengeschichte zur Herbeiführung einer für sie günstigeren Entscheidung im vorangegangenen Verfahren grundsätzlich geeignet wäre, kommt daher keine entscheidungswesentliche Bedeutung mehr zu.

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