OGH 6Ob15/03d

OGH6Ob15/03d20.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der Wiederaufnahmskläger 1. Univ. Prof. Dr. Herbert K*****, 2. Hon. Prof. Dr. Mag. Johann B*****, und 3. Dipl. Vw. Manfred L*****, alle vertreten durch Dr. Gerald Herzog ua Rechtsanwälte in Klagenfurt, gegen den Wiederaufnahmsbeklagten Dr. Johann Q*****, vertreten durch Klaus und Quendler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 22 Cg 94/00s des Landesgerichtes Klagenfurt, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Wiederaufnahmskläger gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 20. November 2002, GZ 6 R 241/02m-15, womit über den Rekurs der klagenden Parteien der Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt vom 17. Oktober 2002, GZ 22 Cg 44/02s-11, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Kläger sind Vorstandsmitglieder einer gemeinnützigen Privatstiftung, die 1995 von einer betagten Stifterin errichtet wurde. Der Beklagte ist gewählter Rechtsvertreter der Stifterin. Zwischen dieser und dem Vorstand war es zu Differenzen gekommen, über die auch in einer Zeitung berichtet worden war. Der Beklagte holte bei der Stifterin Informationen ein und stellte beim Firmenbuchgericht einen Sonderprüfungs- und Abberufungsantrag. Wegen der darin erhobenen Vorwürfe gegen die Kläger (ua dass die Kläger widerrechtlich finanzielle Vorteile aus dem Stiftungsvermögen gezogen und grobe Gesetzesverletzungen begangen hätten), die der Beklagte in einem anhängigen Strafverfahren über eine Privatanklage des Beklagten gegen den Erstkläger wiederholt habe, brachten die Kläger am 19. 5. 2000 eine auf die Unterlassung und den Widerruf ehrverletzender und rufschädigender Äußerungen gerichtete Klage ein. Prozessthema ist ua, ob sich der Beklagte auf die ihm erteilten Informationen der Stifterin berufen dürfe. Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, dass die fehlende Geschäftsfähigkeit der Stifterin schon damals für jeden Laien erkennbar gewesen sei, der Beklagte also wissentlich wahrheitswidrige Vorwürfe gegen die Kläger verbreitet habe. Das Erstgericht wies die Klagebegehren teils zurück, teils ab. Die Äußerungen des beklagten Rechtsanwalts seien durch die Informationen der Stifterin gedeckt und gemäß § 9 RAO zulässig gewesen. Die Kläger erhoben Berufung. Nach Vorlage der Akten an das Berufungsgericht brachten sie am 20. 2. 2002 eine Wiederaufnahmsklage ein, die auf die Wiederaufnahmsgründe des § 530 Abs 1 Z 3 und 7 ZPO gestützt wird. Der Beklagte habe wissentlich und willentlich das Prozessgericht über die Geschäftsfähigkeit der Stifterin am 6. 4. 1998 getäuscht. Die Kläger hätten erst am 25. 1. 2002 Kenntnis über neue Beweismittel erlangt, nämlich durch das im Strafverfahren an diesem Tag erstattete Gutachten eines Sachverständigen und eine im Strafverfahren eingeholten Krankengeschichte über den Zeitraum vom 10. 3. bis 23. 4. 1998. Damit sei die Wahrheitswidrigkeit der Parteiaussage des Beklagten bescheinigt und seiner Rechtfertigung gemäß § 9 RAO der Boden entzogen. Die Kläger seien nicht in der Lage gewesen, die neuen Tatsachen vor Schluss der Verhandlung geltend zu machen. Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage im Vorprüfungsverfahren zurück. Der auf Prozessbetrug gestützte Wiederaufnahmsgrund liege nach der Zurücklegung der Anzeige durch den Staatsanwalt nicht vor. Die in der Wiederaufnahmsklage relevierten neuen Beweismittel hätten die Kläger schon vor Schluss der Verhandlung verwenden bzw beantragen können.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger nicht Folge. Nach herrschender Rechtsprechung könne die Unrichtigkeit eines in einem Vorprozess erstatteten Gutachtens eine Wiederaufnahme genausowenig rechtfertigen wie ein später von einem anderen oder von demselben Gutachter erstattetes abweichendes Gutachten. Die Kläger hätten im Vorverfahren entsprechende Beweisanträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens oder auf Beischaffung der Krankengeschichte stellen können. Dies könnten sie mit einer Wiederaufnahmsklage nicht nachholen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger ist mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig:

Den Revisionsrekurswerbern kann zugestimmt werden, dass im Vorverfahren über eine Wiederaufnahmsklage über die Eignung der neuen Tatsachen, eine andere Entscheidung im wiederaufzunehmenden Verfahren herbeizuführen, nicht zu entscheiden ist. Es hat noch keine konkrete Beweiswürdigung stattzufinden (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 538 mwN). Den Wiederaufnahmskläger trifft beim Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO aber die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass ihn kein Verschulden daran trifft, die nun geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel nicht schon im Vorprozess vorgebracht zu haben (Kodek aaO mwN; RIS-Justiz RS0044633). Nicht ausreichende Behauptungen machen die Wiederaufnahmsklage unschlüssig und führen zur Zurückweisung der Klage schon im Vorverfahren (RS0044558; 6 Ob 319/00f). Ob der Wiederaufnahmskläger ausreichende Behauptungen zum fehlenden Verschulden aufstellte, ist grundsätzlich eine Frage des Einzelfalls. Wenn das Berufungsgericht hier im Ergebnis schon auf Grund der Klageangaben von einem Verschulden der Wiederaufnahmskläger ausging, liegt darin keine über ein außerordentliches Rechtsmittel aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung. Die Wiederaufnahmsklage ist nicht dazu bestimmt, Prozessfehler zu korrigieren (RS0044354). Das Berufungsgericht hat zutreffend auf die prozessuale Diligenzpflicht der Parteien hingewiesen (RS0044619). Die Wiederaufnahmskläger hätten danach darzulegen gehabt, aus welchen Gründen sie im Vorprozess gehindert waren, den Sachverständigenbeweis oder die Beischaffung der Krankengeschichte zu beantragen. Zur Diligenzpflicht gehört die Mitwirkung an der Stoffsammlung. Die Parteien haben Zeugen zu führen, den Sachverständigenbeweis oder die Beischaffung von Auskünften zu beantragen (RS0044619; 1 Ob 73/01k) oder gegebenenfalls die Parteienvernehmung anzubieten (6 Ob 253/02b). Das Klagevorbringen zur Zulässigkeitsvoraussetzung des § 530 Abs 2 ZPO erschöpfte sich hier in der bloßen Behauptung fehlenden Verschuldens unter Hinweis auf das Gutachten des Sachverständigen vom 25. 1. 2002 und die im Strafverfahren nach Schluss der Verhandlung im erstinstanzlichen Zivilprozess eingeholte Krankengeschichte. Ein nachträglich erstattetes Gutachten ist jedoch kein Wiederaufnahmsgrund (RS0044834; 1 Ob 46/95), auch dann nicht, wenn ein Sachverständiger von dem von ihm selbst erstatteten Gutachten später wieder abgeht (so schon SZ 9/259). Entgegen den Revisionsrekursausführungen war die Geschäftsfähigkeit der Stifterin zum Zeitpunkt der Informationsaufnahme durch den Beklagten schon auf Grund dessen Bestreitungsvorbringens von Anfang an ein entscheidungswesentliches Thema, das nicht erst durch die Abweisung des Klagebegehrens seine besondere Relevanz erhalten hätte. Die Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage steht mit den dargelegten Grundsätzen zur Diligenzpflicht der Parteien, zur Behauptungspflicht des Wiederaufnahmsklägers über ein fehlendes Verschulden an der Geltendmachung von Beweismitteln und zur Nichtanerkennung von nachträglich erstatteten Sachverständigengutachten als Wiederaufnahmsgrund im Einklang.

Auf den weiters relevierten Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Z 3 ZPO können sich die Rechtsmittelwerber wegen der festgestellten Zurücklegung der Strafanzeige durch den Staatsanwalt nicht mehr berufen (§ 539 ZPO; Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 2 zu § 539).

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