OGH 6Ob253/02b

OGH6Ob253/02b7.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Armina H*****, vertreten durch Schmidtmayer & Sorgo, Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Dr. Heinz R*****, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 48 C 125/00i des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Juni 2002, GZ 40 R 135/02b-5, womit über den Rekurs der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 26. April 2002, GZ 48 C 233/02z-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Beklagte hatte am 13. 12. 1999 gegen die Wiederaufnahmsklägerin eine auf die Bezahlung eines Mietzinsrückstandes und einer Mietkaution gerichtete Mahnklage (zusammen 59.400 S) eingebracht. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien erließ am 29. 12. 1999 den beantragten Zahlungsbefehl. Dieser ist in Rechtskraft erwachsen. Mit ihrer am 24. 4. 2002 beim Erstgericht eingebrachten Wiederaufnahmsklage begehrt die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens 48 C 125/00i des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, die Aufhebung des Zahlungsbefehls und die Abweisung des Leistungsbegehrens des Beklagten. Sie habe die im Eigentum des Beklagten stehende Wohnung am 7. 10. 1999 besichtigt und eine Urkunde gefertigt. Diese sei ihr zum Zeitpunkt der Erlassung des Zahlungsbefehls nicht zur Verfügung gestanden. Ob ihr damaliger Lebensgefährte ebenfalls die Urkunde gefertigt habe, sei der Klägerin nicht erinnerlich gewesen. Sie habe ihn nicht befragen können, weil sie sich von ihm getrennt habe. Die Klägerin sei zwar davon ausgegangen, keinen Mietvertrag unterfertigt zu haben, habe aber nicht genau gewusst, was sie unterschrieben hätte. Die Urkunde sei ihr nicht ausgehändigt worden. Die Führung des Prozesses sei der Klägerin aussichtslos erschienen, weshalb sie keinen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl erhoben habe. Sie habe im Frühjahr 2002 eine Ladung als Beschuldigte im Vorverfahren erhalten. Der Beklagte habe gegen sie offenbar Strafanzeige erstattet. Nach Einsicht in den Strafakt am 28. 3. 2002 habe sie feststellen können, dass die von ihr unterfertigte Urkunde nur ein Anbot zum Abschluss eines Mietvertrages gewesen sei. Hätte die Klägerin ihr Anbot vom 7. 10. 1999 bereits zum Zeitpunkt der Erwirkung des Zahlungsbefehls in Händen gehabt, hätte sie einwenden und beweisen können, dass kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei. Das Anbot sei vom Beklagten nicht unterfertigt worden.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage, ohne diese an den Beklagten zuzustellen, a limine zurück. Die Klägerin habe gegen den Zahlungsbefehl einen verspäteten Einspruch erhoben. Dieser sei zurückgewiesen worden. Die Wiederaufnahmsklage habe sich grundsätzlich gegen die das Verfahren in erster Instanz erledigende Entscheidung zu richten. Dies sei hier die Zurückweisung des Einspruchs gewesen. Die Wiederaufnahmsklage richte sich gegen die falsche Entscheidung. Im Übrigen sei die aufgefundene Urkunde nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen, weil sich dadurch nichts an der Tatsache der Verspätung des Einspruchs ändern könnte. Prozessuale Fehler könnten mit der Wiederaufnahmsklage nicht "repariert" werden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Wiederaufnahmsklägerin nicht Folge. Es teilte die Auffassung des Erstgerichtes, dass die prozessbeendende Entscheidung hier der Beschluss auf Zurückweisung des verspäteten Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl gewesen sei. Diese Entscheidung hätte bekämpft werden müssen. Eine gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass über den Weg der Wiederaufnahmsklage prozessuale Fehler der Partei korrigiert werden könnten. Dazu stehe das Institut der Wiederaufnahmsklage nicht zur Verfügung. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die Wiederaufnahmsklägerin, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichtes unzulässig. Die Revisionsrekursbeantwortung ist ebenfalls unzulässig.

1. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass die Wiederaufnahmsklage rechtsirrig gegen den Zahlungsbefehl gerichtet worden sei und erfolgversprechend der den Prozess beendenden Beschluss, das sei die Zurückweisung des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl, bekämpft hätte werden müssen, ist nicht unbedenklich, weil über den Klageanspruch des Wiederaufnahmsbeklagten im Hauptverfahren bereits rechtskräftig mit dem Zahlungsbefehl abgesprochen worden war und das nachfolgende Verfahren über den verspäteten Einspruch nur das Thema der Rechtzeitigkeit des Rechtsbehelfs zum Gegenstand hatte und auch nur darüber rechtskräftig abgesprochen wurde. Wenn daher schon zuvor über den Anspruch des Klägers rechtskräftig entschieden worden war, könnte auch die Ansicht vertreten werden, dass sich die Wiederaufnahmsklage gegen den Zahlungsbefehl richten kann. Diese Frage braucht hier aber nicht beantwortet zu werden, weil die Wiederaufnahmsklage jedenfalls schon im Vorverfahren aus folgendem Grund zurückzuweisen war:

2. Die Klägerin stützt ihre Wiederaufnahmsklage auf die erlangte Kenntnis neuer Tatsachen und das Auffinden einer Urkunde (§ 530 Abs 1 Z 7 ZPO). Gemäß § 530 Abs 2 ZPO rechtfertigen solche Umstände die Zulässigkeit einer Wiederaufnahmsklage nur dann, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, sie vor Rechtskraft der Entscheidung im Hauptverfahren geltend zu machen. Ein Wiederaufnahmskläger ist für das fehlende Verschulden behauptungs- und beweispflichtig (RIS-Justiz RS0044633; Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 538 mwN). Nicht ausreichende Behauptungen machen die Wiederaufnahmsklage unschlüssig und führen zur Zurückweisung der Klage schon im Vorverfahren (RIS-Justiz RS0044558; 6 Ob 319/00 f; Kodek aaO). Zutreffend verweist das Rekursgericht darauf, dass die Wiederaufnahmsklage nicht dazu bestimmt ist, die von der Partei in der Prozessführung begangenen Fehler zu sanieren (RIS-Justiz RS0044359). Der von der Wiederaufnahmsklägerin in der Klage erwähnte Umstand, sie habe keinen Einspruch erhoben, ist tatsachenwidrig. Dass sie einen - allerdings verspäteten - Einspruch gegen den Zahlungsbefehl erhoben hat, wurde von den Vorinstanzen festgestellt. Dies ist im Revisionsrekursverfahren unstrittig. Der Sachverhalt lässt klar eine Verletzung der prozessualen Diligenzpflicht der Wiederaufnahmsklägerin im Hauptprozess erkennen. Diese Nachlässigkeit ergibt sich im Übrigen aber schon aus dem Klagevorbringen:

3. In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung wurde schon mehrfach ein Verschulden der Partei im Hauptprozess bejaht, wenn sie es unterließ, Zeugen zu führen oder zumutbare Erhebungen zu pflegen, um geeignete Beweismittel zur Dartuung ihres Prozessstandpunktes auszuforschen (RIS-Justiz RS0044619). Ein Vergessen kann nur in besonderen Ausnahmefällen nicht als Verschulden angesehen werden (Kodek aaO Rz 5 zu § 530 mwN aus der Rechtsprechung). Die Klägerin ging nach ihrem Vorbringen davon aus, zwar eine Urkunde aber keinen Mietvertrag gefertigt zu haben. Wenn ihr die Urkunde damals noch nicht zur Verfügung stand, hatte dieser Umstand sie aber nicht daran gehindert, Erhebungen beim Prozessgegner (der nach ihrer Ansicht nur fälschlich einen Mietvertrag behauptet) zu pflegen, jedenfalls aber einen rechtzeitigen Einspruch gegen den Zahlungsbefehl zu erheben und sich zumindest auf das Beweismittel der Parteienvernehmung zu berufen. Ihre Behauptung, die Führung des Prozesses sei aussichtslos gewesen, ist durch das eigene Vorbringen in der Wiederaufnahmsklage nicht gedeckt. Das Rekursgericht hat daher im Einklang mit der zitierten oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Wiederaufnahmsklage schon im Vorverfahren zurückgewiesen. Die von ihm als erheblich bezeichnete Rechtsfrage kann hier unbeantwortet bleiben.

4. Auf das Verfahren über eine Wiederaufnahmsklage finden die im ersten bis vierten Teil der ZPO geltenden Vorschriften Anwendung (§ 533 ZPO). Gemäß § 521a Abs 1 Z 3 ZPO ist das Rekursverfahren nur dann zweiseitig, wenn der Beschluss, mit dem eine Klage zurückgewiesen wurde, nach Eintritt der Streitanhängigkeit gefasst worden war. Das Erstgericht hat hier seinen Zurückweisungsbeschluss im Vorverfahren und vor Zustellung der Wiederaufnahmsklage an den Beklagten gefasst. Seine Revisionsrekursbeantwortung ist daher zurückzuweisen.

Stichworte